Die Offenlegung der Stiftungssatzung: Ein wegweisendes Urteil des BGH zur Mehl-Mühlens-Stiftung

Hintergrund: Die Herausforderung der Offenlegung

Bisher sind die Satzungen rechtsfähiger Stiftungen nicht öffentlich zugänglich. Wer Einsicht in die aktuelle Satzung einer Stiftung erhalten möchte, ist entweder auf das Wohlwollen der Stiftung angewiesen oder muss den Rechtsweg beschreiten. Genau dies war der Fall in einem aktuellen Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH), das für Aufsehen sorgt. Dieser Beitrag beleuchtet die Entscheidung und ihre Bedeutung für die Praxis.

Der Fall: Stufenklage auf Offenlegung

Im Mittelpunkt des Falls stand die Mehl-Mülhens-Stiftung, eine im Pferderennsport bekannte Stiftung, die 1985 errichtet wurde. Eine Großnichte der kinderlosen Stifterin reichte eine Stufenklage ein, um Informationen über die aktuelle Satzung und deren Änderungen seit der Errichtung zu erhalten. Hintergrund der Klage war die Ablehnung ihrer Kandidatur für eine Position im Stiftungsvorstand und der Streit um die Nutzung eines Grundstücks. Die Klägerin zweifelte an der rechtmäßigen Bestellung des amtierenden Vorstands und benötigte daher die Satzung zur rechtlichen Einschätzung.

Das Urteil: Anspruch auf Auskunft bestätigt

Das Landgericht Köln gab der Großnichte recht und verurteilte die Stiftung zur Auskunft. Die Berufung der Stiftung wurde sowohl vom Oberlandesgericht Köln als auch vom BGH zurückgewiesen (Az. I-4 U 99/23 und Az. III ZB 65/23). Damit wurde bestätigt, dass Informationsansprüche im Stiftungsrecht unter bestimmten Bedingungen bestehen können .

Informationsansprüche im Stiftungsrecht

Die Entscheidungen des BGH und seiner Vorinstanzen verdeutlichen, dass auch im Stiftungsrecht Ansprüche auf Auskunft oder Einsichtnahme bestehen können. Diese Ansprüche können sich aus der Satzung selbst, Nebenordnungen wie Geschäftsordnungen oder allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergeben. Beispiele hierfür sind:

  • § 810 BGB: Einsichtnahme in Urkunden, wenn ein berechtigtes Interesse besteht.
  • § 242 BGB: Grundsatz von Treu und Glauben, der Auskunftsansprüche begründen kann.

Informationsansprüche bestehen jedoch nicht „einfach so“. Es bedarf eines berechtigten Interesses, insbesondere wenn es um die Rechte und Pflichten von Destinatären, Stiftungsorganmitgliedern oder Vertragspartnern der Stiftung geht.

Die Rolle der Stiftungsaufsicht

Der Fall der Mehl-Mülhens-Stiftung hebt auch die Bedeutung der Stiftungsaufsicht hervor. Diese spielt eine zentrale Rolle bei der Prüfung, ob Satzungsänderungen und Entscheidungen dem Stifterwillen entsprechen. Stifter sollten ihren Willen klar formulieren, um der Aufsicht die Arbeit zu erleichtern und den eigenen Willen langfristig zu sichern. Stiftungen und ihre Organe müssen die geltenden Gesetze und Genehmigungspflichten beachten und im Zweifel die Aufsicht konsultieren.

Ausblick: Das Stiftungsregister

Ab dem 1. Januar 2026 wird das Stiftungsregister in Betrieb genommen. Dieses Register wird die Satzungen rechtsfähiger Stiftungen öffentlich zugänglich machen und somit individuelle Informationsansprüche reduzieren. Dennoch werden die Prinzipien der BGH-Entscheidungen weiterhin relevant bleiben, da das Register nicht immer vollständig oder aktuell sein wird.

Fazit

Die Entscheidung des BGH zur Offenlegung der Stiftungssatzung der Mehl-Mülhens-Stiftung setzt einen wichtigen Präzedenzfall. Sie zeigt, dass unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch auf Auskunft über die Stiftungssatzung besteht und betont zugleich die wesentliche Rolle der Stiftungsaufsicht. Mit Blick auf das kommende Stiftungsregister wird die Transparenz weiter verbessert, doch individuelle Informationsansprüche bleiben ein wichtiger Bestandteil des Stiftungsrechts.

Quellen

  1. Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 08.11.2023, Az. I-4 U 99/23, Abruf-Nr. 236546.
  2. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22.02.2024, Az. III ZB 65/23, Abruf-Nr. 240618.

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