Hinzurechnungsbesteuerung
Die Hinzurechnungsbesteuerung ist ein zentrales Instrument des deutschen Außensteuergesetzes (AStG) und zielt darauf ab, die Verlagerung von Einkünften in sogenannte Niedrigsteuerländer zu verhindern, um der Besteuerung in Deutschland zu entgehen. Sie greift bei in Deutschland ansässigen Unternehmen oder Personen, die durch beherrschende Beteiligungen Einkünfte über ausländische Tochtergesellschaften oder Betriebsstätten in Niedrigsteuerländern erzielen.
Durch die Hinzurechnungsbesteuerung werden Einkünfte, die in Niedrigsteuerländern erwirtschaftet werden, dem in Deutschland steuerpflichtigen Einkommen hinzugerechnet, auch wenn diese Einkünfte im Ausland verbleiben und nicht ausgeschüttet werden. Diese Regelung soll die Verlagerung von Gewinnen ins Ausland verhindern und die Steuerlast im Heimatland sichern.
Ziele der Hinzurechnungsbesteuerung:
- Verhinderung von Steuervermeidung:
- Die Hinzurechnungsbesteuerung soll verhindern, dass Unternehmen oder Einzelpersonen ihre Einkünfte in Länder mit niedrigen Steuersätzen verlagern, um die deutsche Besteuerung zu umgehen.
- Sicherung der Steuerbasis:
- Sie dient dazu, sicherzustellen, dass Einkünfte, die in Deutschland steuerpflichtig wären, nicht durch Zwischenschaltungen von ausländischen Gesellschaften, insbesondere in Niedrigsteuerländern, der deutschen Besteuerung entzogen werden.
- Gleichbehandlung internationaler Konzerne und inländischer Unternehmen:
- Die Hinzurechnungsbesteuerung soll dazu beitragen, gleiche Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen zu schaffen, die international tätig sind, und Unternehmen, die nur in Deutschland aktiv sind.
Voraussetzungen für die Hinzurechnungsbesteuerung:
Damit die Hinzurechnungsbesteuerung greift, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:
- Beherrschende Beteiligung:
- Ein in Deutschland steuerpflichtiger Anteilseigner muss eine beherrschende Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft haben. Das bedeutet, dass der Anteilseigner direkt oder indirekt mehr als 50 % der Stimmrechte oder des Kapitals an der ausländischen Gesellschaft hält.
- Bei gemeinschaftlichem Eigentum mehrerer deutscher Anteilseigner müssen diese zusammen eine beherrschende Beteiligung haben.
- Niedrigbesteuerung im Ausland:
- Die Einkünfte der ausländischen Gesellschaft müssen in einem Land erzielt werden, das als Niedrigsteuerland gilt. Ein Land wird als Niedrigsteuerland eingestuft, wenn der dortige effektive Steuersatz weniger als 25 % beträgt (§ 8 AStG).
- In diesem Fall liegt eine schädliche Niedrigbesteuerung vor, die zur Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung führt.
- Passive Einkünfte:
- Die Hinzurechnungsbesteuerung greift vor allem bei passiven Einkünften, also Einkünften, die nicht aus einer aktiven Geschäftstätigkeit resultieren. Beispiele für passive Einkünfte sind:
- Zinsen
- Dividenden
- Lizenzen
- Mieteinnahmen
- Gewinne aus Finanzanlagen
- Aktive Einkünfte aus regulärer Geschäftstätigkeit, z.B. Handel, Produktion oder Dienstleistungen, sind in der Regel von der Hinzurechnungsbesteuerung ausgenommen, sofern die ausländische Tochtergesellschaft eine aktive wirtschaftliche Tätigkeit ausübt.
- Die Hinzurechnungsbesteuerung greift vor allem bei passiven Einkünften, also Einkünften, die nicht aus einer aktiven Geschäftstätigkeit resultieren. Beispiele für passive Einkünfte sind:
- Zwischengesellschaft im Ausland:
- Die Hinzurechnungsbesteuerung betrifft insbesondere Einkünfte, die über Zwischengesellschaften erzielt werden, also Tochtergesellschaften, die im Ausland ansässig sind und Gewinne dort niedrig besteuern lassen, um diese später ins Heimatland zu transferieren.
Wirkungsweise der Hinzurechnungsbesteuerung:
Wenn die oben genannten Voraussetzungen erfüllt sind, werden die passiven Einkünfte der ausländischen Gesellschaft so behandelt, als wären sie direkt dem deutschen Anteilseigner zugeflossen. Diese Einkünfte werden dem Einkommen des deutschen Anteilseigners hinzugerechnet und in Deutschland versteuert, auch wenn sie nicht tatsächlich ausgeschüttet wurden.
- Beispiel: Ein deutsches Unternehmen hält 60 % der Anteile an einer Tochtergesellschaft in einem Niedrigsteuerland, die Einkünfte aus Zinsen und Lizenzen erzielt. Diese passiven Einkünfte werden durch die Hinzurechnungsbesteuerung dem deutschen Unternehmen zugerechnet und unterliegen in Deutschland der Besteuerung.
Ausnahmen und Befreiungen:
- Aktive Einkünfte:
- Einkünfte, die aus einer aktiven Geschäftstätigkeit im Ausland stammen (z.B. Produktion, Handel), sind von der Hinzurechnungsbesteuerung ausgenommen. Die ausländische Gesellschaft muss jedoch tatsächlich eine aktive, eigenständige Geschäftstätigkeit betreiben.
- Kleine Beteiligungen:
- Die Hinzurechnungsbesteuerung greift nicht, wenn die Beteiligung des deutschen Anteilseigners unter 10 % liegt und keine beherrschende Stellung besteht.
- Zwischenstaatliche Vereinbarungen:
- Wenn Deutschland mit dem betreffenden Land ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) geschlossen hat und das Abkommen bestimmte passive Einkünfte regelt, kann es zu Abweichungen von der Hinzurechnungsbesteuerung kommen. Allerdings wird auch hier die Niedrigbesteuerung in der Regel berücksichtigt.
Beispiel:
- Fallbeispiel: Ein deutscher Unternehmer hält 80 % der Anteile an einer ausländischen Gesellschaft in einem Niedrigsteuerland. Diese Gesellschaft erzielt Zinseinnahmen aus der Vergabe von Darlehen an andere Unternehmen. Da die Zinseinnahmen als passive Einkünfte gelten und der Steuersatz im Ausland unter 25 % liegt, werden die Zinseinnahmen dem deutschen Unternehmer zugerechnet und müssen in Deutschland versteuert werden, obwohl sie nicht ausgeschüttet wurden.
Steuerliche Folgen für den Steuerpflichtigen:
- Hinzurechnung der Einkünfte: Die passiven Einkünfte der ausländischen Gesellschaft werden dem Einkommen des deutschen Steuerpflichtigen hinzugerechnet und in Deutschland versteuert.
- Steuerbelastung: Durch die Hinzurechnungsbesteuerung erhöht sich die Steuerlast des deutschen Steuerpflichtigen, da auch die im Ausland erzielten passiven Einkünfte der deutschen Steuer unterliegen.
- Anrechnung ausländischer Steuern: Sollte die ausländische Gesellschaft dennoch Steuern im Ausland gezahlt haben, können diese in Deutschland angerechnet werden, um eine doppelte Besteuerung zu vermeiden.
Kritik und Herausforderungen:
- Komplexität: Die Regelungen zur Hinzurechnungsbesteuerung sind komplex und erfordern eine sorgfältige steuerliche Planung. Besonders für international tätige mittelständische Unternehmen kann die Umsetzung der Regelungen schwierig sein.
- Wettbewerbsnachteile: Kritiker bemängeln, dass die Hinzurechnungsbesteuerung internationale Unternehmen mit Sitz in Deutschland benachteiligen könnte, da diese höhere Steuerlasten tragen müssen als ihre Wettbewerber, die in Niedrigsteuerländern tätig sind.
- Verwaltungsaufwand: Die Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung führt zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand bei der Ermittlung der betroffenen Einkünfte und der Prüfung, ob die Voraussetzungen für eine Hinzurechnung vorliegen.
Rechtliche Grundlage:
Die Hinzurechnungsbesteuerung ist in den §§ 7 bis 14 des Außensteuergesetzes (AStG) geregelt und dient als zentrales Instrument zur Verhinderung von Steuervermeidung durch internationale Gewinnverlagerung.
Fazit:
Die Hinzurechnungsbesteuerung ist ein wichtiges Werkzeug des deutschen Steuerrechts, um die Verlagerung von Gewinnen ins Ausland zu verhindern. Sie stellt sicher, dass Einkünfte, die über ausländische Gesellschaften in Niedrigsteuerländern erzielt werden, nicht der deutschen Besteuerung entzogen werden, sondern in Deutschland besteuert werden, auch wenn sie nicht ausgeschüttet wurden. Dadurch wird das deutsche Steuersystem geschützt und die internationale Steuervermeidung eingeschränkt.