Warum das ‘Darüber nachdenken’-Konzept in der Finanzberatung überdacht werden sollte

In der Finanzberatung ist das traditionelle „Darüber nachdenken“-Konzept ein häufig verwendetes Instrument am Ende eines Beratungsgesprächs. Es gibt dem potenziellen Kunden Zeit und Raum, um über das Angebotene nachzudenken und eine Entscheidung zu treffen.

Doch ist diese Methode in der heutigen schnelllebigen und informationsüberfluteten Welt noch zeitgemäß?

In diesem Beitrag werden wir uns mit den Herausforderungen und möglichen Alternativen zu diesem Ansatz auseinandersetzen und untersuchen, warum eine Neubewertung notwendig sein könnte.

Warum “Darüber nachdenken” nicht immer funktioniert:

Das “Darüber nachdenken”-Konzept mag auf den ersten Blick als eine respektvolle und geduldige Herangehensweise erscheinen, die dem Kunden Raum und Zeit gibt, eine informierte Entscheidung zu treffen. In der Praxis kann dieser Ansatz jedoch einige unerwünschte Nebenwirkungen haben:

  1. Verlust des Schwungs: Ein erfolgreiches Beratungsgespräch kann einen positiven Schwung oder eine Dynamik erzeugen. Indem man den Kunden bittet, “darüber nachzudenken”, kann dieser Schwung verloren gehen, und die anfängliche Begeisterung oder das Interesse des Kunden kann nachlassen.
  2. Unsicherheit und Zweifel: Das Angebot, über etwas nachzudenken, kann beim Kunden Unsicherheit oder Zweifel hervorrufen. Sie könnten anfangen zu denken, dass es einen Haken gibt oder dass sie etwas übersehen haben.
  3. Zeit für Ablenkungen: In der Zeit, in der der Kunde “darüber nachdenkt”, können zahlreiche Ablenkungen auftreten, sei es durch andere Angebote, persönliche Umstände oder einfach durch das Vergessen des Gesprächs.
  4. Fehlende Klarheit: Ohne klare nächste Schritte oder einen festgelegten Zeitrahmen für eine Entscheidung kann der Kunde unsicher sein, wie und wann er weiter vorgehen soll.
  5. Konkurrenz: Während der Kunde “darüber nachdenkt”, besteht die Möglichkeit, dass er von einem konkurrierenden Angebot oder Berater angesprochen wird, der eine entschlossenere Herangehensweise hat.
  6. Fehlende Gelegenheit für Rückfragen: Wenn Kunden Bedenken oder Fragen haben, können sie zögern, sich erneut an den Berater zu wenden, besonders wenn sie das Gefühl haben, dass sie allein gelassen wurden, um “darüber nachzudenken”.

In Anbetracht dieser Herausforderungen ist es wichtig für Finanzberater, ihre Herangehensweise zu überdenken und nach effektiveren Strategien zu suchen, um potenzielle Kunden zu überzeugen und langfristige Beziehungen aufzubauen.

Dienstleistungen vs. Produkte:

In der Finanzwelt gibt es einen signifikanten Unterschied zwischen dem Verkauf von Produkten und dem Angebot von Dienstleistungen. Beide Ansätze haben ihre eigenen Herausforderungen und Vorteile, und es ist wichtig für Finanzberater, diese Unterschiede zu verstehen und entsprechend zu handeln:

  1. Transaktionsnatur vs. Beziehungsaufbau: Während der Verkauf von Produkten oft eine einmalige Transaktion darstellt, basiert das Angebot von Dienstleistungen auf dem Aufbau und der Pflege einer langfristigen Beziehung zum Kunden. Dies erfordert eine tiefere Kenntnis der Kundenbedürfnisse und eine fortwährende Kommunikation.
  2. Einmalige vs. wiederkehrende Einnahmen: Produkte generieren in der Regel einmalige Einnahmen, während Dienstleistungen, insbesondere in der Finanzplanung, die Möglichkeit wiederkehrender Einnahmen durch Beratungsgebühren, Verwaltungsgebühren oder andere wiederkehrende Zahlungsstrukturen bieten.
  3. Wertversprechen: Das Wertversprechen eines Produkts ist oft konkret und greifbar, z.B. eine bestimmte Rendite oder ein spezifisches Anlageprodukt. Bei Dienstleistungen ist das Wertversprechen abstrakter und basiert oft auf Expertise, Vertrauen und der Fähigkeit, individuelle Lösungen für die spezifischen Bedürfnisse des Kunden zu finden.
  4. Anpassungsfähigkeit: Dienstleistungen bieten oft mehr Flexibilität und können an die sich ändernden Bedürfnisse und Umstände des Kunden angepasst werden. Produkte hingegen haben oft feste Eigenschaften und Bedingungen.
  5. Kundenbindung: Ein zufriedener Kunde, der eine Dienstleistung in Anspruch nimmt, ist wahrscheinlicher ein wiederkehrender Kunde und kann über Jahre oder sogar Jahrzehnte hinweg für wiederkehrende Einnahmen sorgen. Bei Produkten ist die Bindung oft kürzer und endet, sobald das Produkt verkauft ist.
  6. Empfehlungen: Zufriedene Kunden von Dienstleistungen sind oft eher bereit, Empfehlungen auszusprechen, da sie eine tiefe und vertrauensvolle Beziehung zum Berater aufgebaut haben. Bei Produkten basieren Empfehlungen oft nur auf der Zufriedenheit mit dem spezifischen Produkt.

Den Verkauf in die Agenda aufnehmen:

In der Finanzberatung kann der Verkaufsprozess oft als heikles Thema empfunden werden, sowohl für den Berater als auch für den potenziellen Kunden. Eine Möglichkeit, dieses Thema weniger einschüchternd und transparenter zu gestalten, besteht darin, den Verkauf direkt in die Agenda des Erstgesprächs aufzunehmen. Dies bietet mehrere Vorteile:

  1. Klare Erwartungen setzen: Indem der Verkaufsprozess von Anfang an in die Agenda aufgenommen wird, wissen beide Parteien, was sie erwartet. Dies kann dazu beitragen, mögliche Überraschungen oder Missverständnisse zu vermeiden.
  2. Professionalität zeigen: Ein strukturierter Ablauf, der den Verkauf berücksichtigt, zeigt dem Kunden, dass der Berater professionell und organisiert ist und den Prozess ernst nimmt.
  3. Ängste reduzieren: Das Thema Verkauf kann für einige Kunden abschreckend sein. Indem es direkt in die Agenda aufgenommen wird, wird es zu einem normalen und erwarteten Teil des Gesprächs, was dazu beitragen kann, Ängste oder Bedenken zu lindern.
  4. Gelegenheit für Rückfragen: Wenn der Verkauf als fester Punkt in der Agenda steht, bietet dies dem Kunden die Möglichkeit, Fragen zu stellen oder Bedenken zu äußern, die er sonst vielleicht nicht angesprochen hätte.
  5. Effizienz steigern: Ein klarer Plan, der den Verkauf berücksichtigt, kann dazu beitragen, das Gespräch effizient und zielgerichtet zu gestalten, sodass keine wertvolle Zeit verschwendet wird.
  6. Verbindlichkeit schaffen: Wenn der Kunde von Anfang an weiß, dass über den Verkauf gesprochen wird, kann dies dazu beitragen, eine gewisse Verbindlichkeit zu schaffen und den Kunden dazu ermutigen, eine Entscheidung zu treffen.

Fazit:

Die Finanzberatung befindet sich in einer ständigen Evolution, und die Methoden, die einst als Standard galten, müssen im Lichte neuer Erkenntnisse und sich ändernder Kundenbedürfnisse überdacht werden. Das traditionelle “Darüber nachdenken”-Konzept, obwohl gut gemeint, kann in der heutigen Geschäftswelt nicht immer die gewünschten Ergebnisse liefern. Ebenso ist es wichtig, den klaren Unterschied zwischen dem Verkauf von Produkten und dem Angebot von Dienstleistungen zu erkennen und die Herangehensweise entsprechend anzupassen.

Das Aufnehmen des Verkaufsprozesses in die Agenda eines Erstgesprächs ist ein Beispiel für eine moderne Herangehensweise, die Transparenz und Klarheit in den Beratungsprozess bringt. Es zeigt, dass der Berater sowohl den Prozess als auch den Kunden respektiert und bereit ist, auf eine offene und ehrliche Weise zu kommunizieren.

Insgesamt ist es für Finanzberater von entscheidender Bedeutung, ständig ihre Methoden und Ansätze zu überdenken, um den sich ändernden Anforderungen und Erwartungen ihrer Kunden gerecht zu werden. Nur so können sie langfristige, vertrauensvolle Beziehungen aufbauen und ihren Kunden den bestmöglichen Service bieten.

Quellenverweis:

Dieser Blogbeitrag basiert auf Erkenntnissen und Informationen von Nerd’s Eye View | Kitces.com. Wir empfehlen allen Lesern, die tiefer in das Thema eintauchen möchten, den Originalartikel zu besuchen, um eine umfassendere Perspektive und detaillierte Einblicke zu erhalten. Kitces.com ist eine renommierte Plattform, die wertvolle Ressourcen und Fachwissen für Finanzberater bietet.

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