|

Wenn der Erbe nicht mehr geschäftsfähig ist

Ein Fall aus dem Leben: Erbschein trotz Geschäftsunfähigkeit

Stellen Sie sich vor, ein Mann verstirbt in seinem Pflegeheim. Seine hochbetagte Ehefrau soll erben, doch sie leidet an Parkinson-Demenz und ist laut ihres Arztes nicht mehr geschäftsfähig. Wie soll in diesem Fall ein Erbschein für die Ehefrau erteilt werden?

Betreuungsgericht: Die schnelle Lösung

In solchen Fällen reagiert das Betreuungsgericht oft schnell mit der Bestellung eines Betreuers. Dies ist jedoch nicht immer im Sinne der Familie, da der Betreuer auch eine fremde Person sein kann, die Entscheidungen über den Nachlass mitbestimmt.

Die Vorsorgevollmacht als Lösung

Glücklicherweise hatte die kranke Mutter eine Vorsorgevollmacht erstellt und ihrer Tochter übertragen. Die Tochter holte diese Vollmacht hervor und begab sich zum Nachlassgericht, um einen Erbschein für ihre Mutter zu beantragen. Doch die Rechtspflegerin wies den Antrag ab. Ihrer Meinung nach sei eine Stellvertretung bei der Antragstellung eines Erbscheins unzulässig, und die Tochter könne auch nicht die Richtigkeit der Angaben an Eides statt für ihre Mutter versichern.

Der Gang vor Gericht

Die Tochter akzeptierte dies nicht und zog vor Gericht. Der Fall landete schließlich beim Oberlandesgericht Bremen. Dieses entschied, dass sich ein Antragsteller für einen Erbschein im Erbscheinverfahren vertreten lassen kann. Und zwar nicht nur durch einen Rechtsanwalt, sondern auch durch volljährige Familienangehörige.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Bremen

Das Gericht stellte klar, dass eine schriftliche Vollmacht ausreicht, die nicht handschriftlich oder notariell beglaubigt sein muss. Eine ausgedruckte Fassung genügt, sofern sie eigenhändig unterschrieben ist. Dies bedeutet, dass jemand, der geschäftsunfähig ist, die notwendige eidesstattliche Versicherung durch einen Bevollmächtigten abgeben lassen kann.

Das Oberlandesgericht Bremen entschied am 14. September 2021 (5 W 27/21), dass ein Vorsorgebevollmächtigter einem gerichtlich bestellten Betreuer gleichgestellt ist. Somit kann ein Vorsorgebevollmächtigter die eidesstattliche Versicherung für den Antragsteller abgeben.

Welche Erkenntnisse können Finanz- und Nachfolgeplaner aus diesem Urteil für die tägliche Beratung ziehen?

Wichtigkeit der Vorsorgevollmacht

Finanz- und Nachfolgeplaner sollten ihren Klienten dringend die Erstellung einer Vorsorgevollmacht nahelegen. Dieses Dokument ermöglicht es, in Situationen, in denen der Erblasser geschäftsunfähig ist, dennoch handlungsfähig zu bleiben. Klienten sollten ermutigt werden, eine vertrauenswürdige Person als Bevollmächtigten zu benennen, um die Entscheidungsfindung im Ernstfall zu sichern.

Schriftform und Unterschrift genügen

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass die Vollmacht nicht handschriftlich oder notariell beglaubigt sein muss. Eine eigenhändig unterschriebene, ausgedruckte Vollmacht ist ausreichend. Dies erleichtert den Prozess für viele Klienten, die möglicherweise vor der Formalität einer notariellen Beglaubigung zurückschrecken.

Stellvertretung im Erbscheinverfahren

Das Urteil bestätigt, dass ein Antragsteller im Erbscheinverfahren durch volljährige Familienangehörige vertreten werden kann. Finanz- und Nachfolgeplaner sollten ihre Klienten darüber informieren, dass eine solche Stellvertretung zulässig ist und welche Schritte dafür notwendig sind. Dies gibt den Erben mehr Flexibilität und Sicherheit in der Nachlassabwicklung.

Gleichstellung von Betreuern und Bevollmächtigten

Ein wesentlicher Punkt des Urteils ist die Gleichstellung von Vorsorgebevollmächtigten und gerichtlich bestellten Betreuern. Dies bietet Klienten zusätzliche Sicherheit, da ein vom Erblasser ausgewählter Bevollmächtigter die eidesstattliche Versicherung abgeben kann. Finanz- und Nachfolgeplaner sollten Klienten ermutigen, diese Möglichkeit zu nutzen und rechtzeitig entsprechende Vollmachten zu erstellen.

Fazit

Das Urteil des Oberlandesgerichts Bremen unterstreicht die Bedeutung von Vorsorgevollmachten und die Möglichkeiten der Stellvertretung im Erbscheinverfahren. Finanz- und Nachfolgeplaner sollten diese Erkenntnisse in ihre Beratung einfließen lassen, um ihren Klienten bestmöglich zur Seite zu stehen und sicherzustellen, dass der Nachlass im Sinne des Erblassers geregelt werden kann.

Similar Posts

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert