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Wegzugsbesteuerung für Unternehmer

Die jüngsten Entwicklungen im Bereich der Unternehmensnachfolge und die Verschärfung der Wegzugsbesteuerung werfen zahlreiche Fragen für Unternehmer und deren Berater auf. Mit diesem Beitrag wollen wir Finanz- und Nachfolgeplanern einen umfassenden Überblick über die aktuelle Rechtslage und die Auswirkungen der Wegzugsbesteuerung geben.

Was ist die Wegzugsbesteuerung?

Die Wegzugsbesteuerung bezieht sich auf die Besteuerung von Vermögenswerten, wenn eine natürliche Person ihren ständigen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt ins Ausland verlegt. Im Fokus stehen dabei stille Reserven in privat gehaltenen Anteilen an Kapitalgesellschaften wie GmbHs oder AGs. Seit der Gesetzesverschärfung im Jahr 2022 ist die Besteuerung für viele Unternehmer ein entscheidender Faktor bei der Entscheidung über einen Wohnsitzwechsel.

1. Die Grundlagen der Wegzugsbesteuerung

Gemäß §6 des Außensteuergesetzes (AStG) wird die Wegzugssteuer beim Verlassen Deutschlands ausgelöst. Dies betrifft den Wertzuwachs von Anteilen an Kapitalgesellschaften, als ob diese verkauft worden wären, obwohl tatsächlich kein Verkauf stattgefunden hat. Der fiktive Veräußerungsgewinn wird mit dem persönlichen Einkommensteuersatz besteuert.

2. Voraussetzungen

Um der Wegzugsbesteuerung zu unterliegen, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:

  • Der Steuerpflichtige muss seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland aufgegeben haben.
  • Eine Beteiligung von mindestens 1% an einer in- oder ausländischen Kapitalgesellschaft innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Wegzug.
  • Mindestens sieben Jahre unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland innerhalb der letzten zwölf Jahre.

3. Verschärfungen seit 2022

Mit dem ATAD-Umsetzungsgesetz wurden die Regelungen zur Wegzugsbesteuerung erheblich verschärft. Die wesentlichen Änderungen umfassen:

  • Befristung der Stundungsmöglichkeit: Bis Ende 2021 konnte die Wegzugssteuer unbefristet, zinslos und ohne Sicherheitsleistung gestundet werden. Das bedeutet, dass die Steuer erst fällig wurde, wenn der Unternehmer seine Anteile tatsächlich veräußerte. Seit 2022 ist diese Stundungsmöglichkeit abgeschafft. Stattdessen muss die Wegzugssteuer nun in sieben gleich hohen Jahresraten bezahlt werden, unabhängig davon, ob das Zielland ein EU-Mitgliedstaat oder ein Drittstaat ist.
  • Verkürzung der Frist für die Steuerpflicht: Vor der Gesetzesänderung musste der Steuerpflichtige insgesamt zehn Jahre in Deutschland steuerpflichtig gewesen sein, um der Wegzugsbesteuerung zu unterliegen. Ab 2022 wurde diese Frist auf sieben Jahre verkürzt. Diese Verkürzung erhöht die Anzahl der Betroffenen, da nun mehr Unternehmer unter die Wegzugsbesteuerung fallen können, wenn sie ihren Wohnsitz ins Ausland verlegen.

4. Berechnung der Wegzugssteuer

Die Berechnung erfolgt in drei Schritten:

  1. Ermittlung des gemeinen Wertes: Der gemeine Wert (Marktwert) der Gesellschaftsanteile zum Zeitpunkt des Wegzugs wird ermittelt. Dies ist der Wert, den die Anteile am Markt erzielen würden.
  2. Abzug der Anschaffungskosten: Von diesem Wert werden die Anschaffungskosten der Kapitalanteile abgezogen. Dies sind die Kosten, die der Steuerpflichtige ursprünglich für den Erwerb der Anteile gezahlt hat.
  3. Besteuerung des fiktiven Veräußerungsgewinns: Der verbleibende Betrag stellt den fiktiven Veräußerungsgewinn dar, der dann mit dem persönlichen Einkommensteuersatz des Steuerpflichtigen versteuert wird. Dank des Teileinkünfteverfahrens bleiben jedoch 40% des Veräußerungsgewinns steuerfrei. Dies führt zu einer maximalen Steuerlast von ca. 27% zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer.

5. Rückkehrerregelung

Die Rückkehrerregelung spielt eine wichtige Rolle, wenn der Steuerpflichtige nach seinem Wegzug wieder nach Deutschland zurückkehrt. In diesem Fall kann die zuvor festgesetzte Wegzugssteuer ganz oder teilweise entfallen. Die Details sind wie folgt:

  • Rückkehr innerhalb von fünf Jahren: Wenn der Steuerpflichtige innerhalb von fünf Jahren nach seinem Wegzug nach Deutschland zurückkehrt und hier wieder unbeschränkt steuerpflichtig wird, kann die Wegzugssteuer entfallen. Dies setzt jedoch voraus, dass der Steuerpflichtige bestimmte Nachweise erbringt, die belegen, dass er tatsächlich wieder in Deutschland ansässig ist.
  • Nachweis der Ansässigkeit: Der Steuerpflichtige muss nachweisen, dass er seinen gewöhnlichen Aufenthalt wieder in Deutschland hat. Dies kann durch verschiedene Dokumente geschehen, wie z.B. Mietverträge, Arbeitsverträge oder andere Nachweise, die die Rückkehr und die Ansässigkeit in Deutschland belegen.
  • Unsicherheiten bei der Anwendung: Die Rückkehrerregelung birgt für den Steuerpflichtigen viele Unsicherheiten. Eine erneute Ansässigkeit in Deutschland kann verschiedene Herausforderungen mit sich bringen, z.B. bei der Koordination des Umzugs von Familienmitgliedern. Eine Übergangsfrist bis zum Ende des Steuerjahres wäre wünschenswert, um solche Unsicherheiten zu minimieren.

6. Vermeidung der Wegzugsbesteuerung

Um die Wegzugsbesteuerung zu vermeiden, können verschiedene Maßnahmen erwogen werden. Hier sind einige Strategien:

  • Wohnsitz- und Ansässigkeitsmanagement: Durch ein effektives Wohnsitz- und Ansässigkeitsmanagement kann die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland aufrechterhalten werden. Dies bedeutet, dass der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz in Deutschland behält und somit steuerlich betrachtet keinen Wegzug vornimmt. Dies kann durch das Beibehalten einer Wohnung in Deutschland oder durch regelmäßige Aufenthalte im Land geschehen.
  • Unentgeltliche Übertragung der Anteile: Eine weitere Möglichkeit ist die vorherige unentgeltliche Übertragung der Anteile auf natürliche Personen, wie z. B. Familienmitglieder. Wenn eine solche Übertragung ohnehin geplant war, kann dies eine vorteilhafte Gestaltung sein, da die Wegzugsbesteuerung dann nicht greift.
  • Verkauf der Anteile vor dem Wegzug: Wenn die Anteile vor dem Wegzug verkauft werden, unterliegt der Veräußerungsgewinn der regulären Besteuerung in Deutschland. Dies kann eine höhere Steuerbelastung bedeuten, vermeidet jedoch die Wegzugsbesteuerung.
  • Umwandlung in eine Personengesellschaft: Eine Umwandlung der Beteiligungsgesellschaft in eine Personengesellschaft wie eine GmbH & Co. KG kann ebenfalls erwogen werden. Dies erfordert jedoch eine sorgfältige Planung und Beachtung spezifischer steuerlicher Aspekte, um sicherzustellen, dass kein alternativer Entstrickungstatbestand entsteht.
  • Übertragung auf eine Familienstiftung: Die Anteile können auch auf eine Familienstiftung übertragen werden, die dem Stifter und seiner Familie dient. Da der Steuerpflichtige dann nicht mehr unmittelbar beteiligt ist, findet § 6 AStG keine Anwendung. Es sind jedoch schenkungsteuerliche Aspekte und Privilegien bei der Übertragung von Betriebsvermögen zu beachten.

7. Mitteilungspflichten

Das Außensteuergesetz legt anlass- und nicht anlassbezogene Mitteilungspflichten für den Steuerpflichtigen fest. Diese sind besonders wichtig, um mögliche Strafen und unerwartete Steuerforderungen zu vermeiden:

  • Nicht anlassbezogene Mitteilungen: Diese müssen jährlich bis zum 31. Juli schriftlich erfolgen. Der Steuerpflichtige muss seine aktuelle Anschrift bestätigen und nachweisen, dass die Anteile immer noch ihm oder seinem Rechtsnachfolger zugeordnet sind. Diese Mitteilungspflicht beginnt im Jahr nach der Abgabe der Steuererklärung, in der die Wegzugsbesteuerung erklärt wurde.
  • Beispiel für Mitteilungspflichten: Wenn der Unternehmer nach Aufgabe seines deutschen Wohnsitzes diese Mitteilungen nicht fristgerecht jährlich abgibt, wird die gestundete Steuer vollständig innerhalb eines Monats nach Ablauf der Mitwirkungsfrist fällig, ohne vorherige Warnung durch das Finanzamt.

Fazit

Die Wegzugsbesteuerung stellt Unternehmer und deren Berater vor komplexe Herausforderungen. Ein fundiertes Verständnis der Regelungen und eine sorgfältige Planung können jedoch dazu beitragen, finanzielle Belastungen zu minimieren und eine optimale Nachfolgelösung zu finden. Finanz- und Nachfolgeplaner sind daher gefordert, ihre Mandanten umfassend zu informieren und strategische Maßnahmen zu entwickeln.

Mit diesem Wissen sind Sie als Finanz- und Nachfolgeplaner bestens gerüstet, um Ihre Mandanten durch die Herausforderungen der Wegzugsbesteuerung zu führen.

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