
In den kommenden drei Jahren wird in Deutschland ein massiver Vermögenstransfer stattfinden: Rund 1,2 Billionen Euro werden laut einer Studie der Boston Consulting Group den Besitzer wechseln. Diese Summe verdeutlicht, wie groß die Verantwortung und zugleich die Chancen für Finanz- und Nachfolgeplaner sind. Doch die Übergabe von Vermögen ist nicht nur eine finanzielle, sondern auch eine emotionale Herausforderung.
Die Dimensionen des Vermögenstransfers
Die Vermögensverteilung in Deutschland zeigt eine klare Struktur: Die oberen 10 % der Bevölkerung besitzen 55 % des Nettovermögens. Zudem liegt der Schwerpunkt des Vermögens bei Menschen über 55 Jahren, die häufig nicht ausreichend auf eine strukturierte Nachfolgeplanung vorbereitet sind. Der Vermögenstransfer betrifft also nicht nur die Reichen, sondern einen erheblichen Teil der Gesellschaft.
Ein internationaler Vergleich zeigt: Während in Deutschland die „Ultra-High-Net-Worth“-Individuen (mit über 100 Mio. Euro Vermögen) etwa 23 % des Gesamtvermögens halten, sind es in den USA nur 9 %. Das liegt unter anderem an den unterschiedlichen Unternehmens- und Beteiligungsstrukturen. Während in den USA Aktienoptionen und börsennotierte Unternehmen eine größere Rolle spielen, ist in Deutschland ein erheblicher Teil des Vermögens in nicht börsennotierten Unternehmen gebunden.
Die Rolle der Finanz- und Nachfolgeplaner
Berater spielen eine zentrale Rolle bei der Strukturierung dieses Vermögenstransfers. Eine gute Planung umfasst:
- Erfassung des Vermögens: Welche Werte sind vorhanden? Wie können sie sinnvoll übertragen werden?
- Emotionale Aspekte: Erben sind oft überfordert oder haben unterschiedliche Vorstellungen über die Vermögensverteilung.
- Beratung der nächsten Generation: Die frühzeitige Einbindung der Erben und deren finanzielle Bildung können Konflikte vermeiden.
Besondere Herausforderungen: Frauen als Doppelerbinnen
Frauen erben häufig doppelt – zunächst von den Eltern, später vom Partner. Gleichzeitig leben Frauen im Durchschnitt fünf Jahre länger als Männer, was zu besonderen Herausforderungen in der finanziellen Planung führt. Dennoch zeigt eine Umfrage, dass 70 % der Frauen nach dem Tod ihres Partners ihren Finanzberater wechseln. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit, bereits frühzeitig eine vertrauensvolle Beziehung zu beiden Partnern aufzubauen.
Zudem zeigt sich ein weiteres Problem: Die nächste Generation wechselt fast vollständig den Berater. 87 % der Erben führen die Beraterbeziehung ihrer Eltern nicht fort. Finanzberater müssen also frühzeitig eine Beziehung zu den Erben aufbauen, um das Mandat langfristig zu sichern.
Generationenwechsel als Risiko für Berater
Der Vermögenstransfer birgt nicht nur Chancen, sondern auch Risiken für Berater. Um diese Entwicklung abzufedern, sollten Berater folgende Strategien in Betracht ziehen:
- Aufbau von Beziehungen zur gesamten Familie
- Integration digitaler Lösungen für die jüngere Generation
- Erweiterung des Netzwerks durch Kooperationen mit Steuerberatern und Rechtsanwälten
- Anpassung der Beratungsmodelle an die neuen Anforderungen der Erben
Der richtige Zeitpunkt für die Nachfolgeplanung
Erfahrungen zeigen, dass viele Menschen zu spät über ihren Nachlass nachdenken. Finanzplaner sollten daher proaktiv handeln und auf kritische Zeitpunkte achten:
- Erstellen eines Testaments
- Erreichen eines höheren Alters
- Gesundheitsbedingte Einschränkungen
- Geburt von Enkeln oder Familienerweiterung
Die Herausforderung der Vermögensverkleinerung (Decumulation)
Viele Finanzberater sind auf den Vermögensaufbau spezialisiert, aber der Übergang zur Phase des Vermögensabbaus stellt eine neue Herausforderung dar.
William Sharpe, Nobelpreisträger für Finanzwirtschaft, bezeichnete die optimale Entnahme von Kapital im Ruhestand als „the nastiest hardest problem in finance“. Finanzplaner müssen hier individuelle Entnahmestrategien entwickeln, um einerseits einen frühzeitigen Kapitalverzehr zu vermeiden, andererseits aber auch eine zu vorsichtige Finanzstrategie zu verhindern, die zu einer unnötigen Einschränkung des Lebensstandards führt.
Technologie als Schlüssel zur Effizienzsteigerung
Die Digitalisierung kann die Nachfolgeplanung effizienter gestalten. KI-gestützte CRM-Systeme helfen Beratern, Prozesse zu automatisieren und mehr Zeit für die individuelle Beratung zu gewinnen. Laut Morgan Stanley sparen Berater durch KI bis zu 15 Stunden pro Woche – eine wertvolle Zeitersparnis für intensivere Kundengespräche.
Gleichzeitig bleibt die menschliche Beratung unverzichtbar. Eine Studie von Vanguard zeigt, dass Kunden besonders in der Nachfolgeplanung auf persönliche Beratung setzen. Digitale Lösungen sollten daher eher als Unterstützung dienen, um Berater effizienter arbeiten zu lassen und Kunden umfassender zu betreuen.
Fazit: Zukunftsorientierte Beratung als Schlüssel zum Erfolg
Die nächsten Jahre werden den Finanz- und Nachfolgeplanern große Herausforderungen, aber auch enorme Chancen bieten. Der Schlüssel liegt in einer zukunftsorientierten, generationenübergreifenden Beratung, die sowohl auf emotionale als auch auf finanzielle Aspekte eingeht. Durch den strategischen Einsatz von Technologie und den Aufbau langfristiger Kundenbeziehungen können Berater nicht nur ihr Geschäft sichern, sondern auch einen erheblichen Mehrwert für ihre Mandanten schaffen.
Checkliste für eine erfolgreiche Vermögensnachfolge
Schritt | Maßnahme | Rechtliche Grundlage |
---|---|---|
Vermögensanalyse | Bestandsaufnahme aller Vermögenswerte | BGB §§ 1922 ff. |
Testamentserstellung | Erstellung eines rechtsgültigen Testaments | BGB §§ 2231, 2247 |
Steuerliche Optimierung | Nutzung von Freibeträgen bei Schenkung und Erbschaft | ErbStG §§ 16, 19 |
Absicherung der Erben | Klärung von Pflichtteilsansprüchen | BGB §§ 2303 ff. |
Familiengespräche | Frühzeitige Einbindung aller Beteiligten | Keine gesetzliche Grundlage, aber essenziell |
Digitale Lösungen nutzen | CRM- und KI-gestützte Beratung | DSGVO beachten |
Diese Maßnahmen helfen dabei, Vermögen effizient zu übertragen und familiäre Konflikte zu minimieren. Die Finanz- und Nachfolgeplanung sollte daher nicht als einmalige Maßnahme, sondern als langfristiger, strategischer Prozess verstanden werden.