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Die Bedeutung der Wegzugsbesteuerung und Nachfolgeplanung: Fallstudie „Lex Horten“

In der Finanz- und Nachfolgeplanung spielt die Wegzugsbesteuerung eine entscheidende Rolle, insbesondere wenn vermögende Privatpersonen oder Unternehmer beabsichtigen, ins Ausland zu ziehen. Ein prominentes Beispiel für die Auswirkungen solcher Steuerregelungen ist der Fall von Helmut Horten, der durch die “Lex Horten” in die Geschichte einging und das deutsche Steuerrecht nachhaltig prägte.

Der Fall Helmut Horten: Wie ein Kaufhauskönig das deutsche Steuerrecht veränderte

Helmut Horten war in den 1960er Jahren einer der erfolgreichsten Kaufhausunternehmer Deutschlands. Mit seiner Horten AG betrieb er eine Kette von Kaufhäusern, die im Nachkriegsdeutschland schnell expandierte und ihm ein beträchtliches Vermögen einbrachte. Doch statt dieses Vermögen in Deutschland zu belassen, entschied sich Horten 1968 für einen Schritt, der das deutsche Steuerrecht revolutionieren sollte: Er zog in die Schweiz um.

Was zunächst wie ein gewöhnlicher Umzug eines wohlhabenden Unternehmers ins Ausland wirkte, entpuppte sich schnell als komplexer steuerlicher Schachzug. Horten wandelte sein Unternehmen von einer GmbH in eine Aktiengesellschaft (AG) um und verkaufte schrittweise seine Anteile. Der Gesamtwert seiner Transaktionen belief sich auf unglaubliche 1,13 Milliarden D-Mark. Doch was diesen Vorgang so brisant machte, war die Tatsache, dass Horten, durch seinen Wegzug in die Schweiz, auf den Verkauf seiner Anteile in Deutschland keine Steuern zahlen musste.

Warum war das möglich?

Zum Zeitpunkt von Hortens Umzug existierte kein Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz. Dies bedeutete, dass Deutschland keinen Anspruch auf die Besteuerung von Vermögen hatte, das ins Ausland transferiert wurde. In der Schweiz hingegen unterlag Horten durch die vorteilhaften Steuergesetze dort keinerlei Besteuerung auf seinen Verkaufsgewinn. Ein perfekter Steuervermeidungsplan, der die deutschen Steuerbehörden zu keiner Reaktion zwang – zumindest vorerst.

Die Reaktion des deutschen Gesetzgebers: Einführung der Wegzugsbesteuerung

Der Fall Horten löste eine Welle der Empörung in der deutschen Öffentlichkeit und bei den Steuerbehörden aus. Der Gesetzgeber erkannte, dass die bestehenden Steuerregeln eine massive Lücke aufwiesen, die es vermögenden Bürgern ermöglichte, ihre Gewinne steuerfrei ins Ausland zu verschieben. Als Reaktion auf diesen Fall wurde 1972 das Außensteuergesetz (AStG) verabschiedet, dessen Kernstück die sogenannte Wegzugsbesteuerung bildet.

Mit der „Lex Horten“, wie diese Gesetzgebung aufgrund des prägnanten Falls genannt wurde, führte Deutschland ein Gesetz ein, das darauf abzielt, Gewinne aus der Veräußerung von Unternehmensanteilen bei einem Wegzug ins Ausland nachträglich zu besteuern. Dabei geht es vor allem um die Besteuerung stiller Reserven, also Gewinne, die nicht realisiert, aber durch die Wertsteigerung von Vermögenswerten entstanden sind. Durch die Wegzugsbesteuerung soll verhindert werden, dass Vermögenswerte vor der Steuerpflicht ins Ausland verschoben werden, ohne dass Deutschland von den Gewinnen profitiert.

Aktuelle Relevanz der Wegzugsbesteuerung

Auch heute hat die Wegzugsbesteuerung in der Finanzplanung eine zentrale Bedeutung, insbesondere bei der Nachfolgeplanung und der internationalen Vermögensstrukturierung. Unternehmen und vermögende Privatpersonen, die ins Ausland ziehen, müssen genau prüfen, ob und in welchem Umfang ihre Vermögenswerte in Deutschland besteuert werden.

Für Finanz- und Nachfolgeplaner ist es entscheidend, den Mandanten frühzeitig auf mögliche steuerliche Konsequenzen hinzuweisen. Durch geschickte Planung können steuerliche Belastungen minimiert und Vermögenswerte optimal übertragen werden. Zu beachten sind dabei folgende Punkte:

  1. Identifizierung stiller Reserven: Unternehmensanteile, Immobilien oder Kunstwerke, deren Marktwert den Anschaffungswert übersteigt, unterliegen bei Wegzug der Besteuerung. Eine Bewertung dieser Vermögenswerte ist notwendig, um die Steuerlast einschätzen zu können.
  2. Frühzeitige Nachfolgeplanung: Im Falle eines Wegzugs können Erb- und Schenkungsstrategien hilfreich sein, um den steuerlichen Druck zu reduzieren. Durch die rechtzeitige Übertragung von Vermögenswerten auf Erben oder Nachfolger in Deutschland kann die Wegzugsbesteuerung umgangen oder verringert werden.
  3. Nutzung von Doppelbesteuerungsabkommen: Ein Umzug in Länder mit bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland, wie Österreich oder die Niederlande, kann dazu beitragen, Steuerlasten zu senken.

Praxisnahe Beispiele

Beispiel 1: Der Unternehmer im internationalen Umfeld

Ein Unternehmer, der wesentliche Anteile an einem deutschen mittelständischen Unternehmen hält, plant den dauerhaften Umzug nach Spanien. Ohne angemessene Beratung wird er möglicherweise mit erheblichen Steuern auf stille Reserven belastet. Durch eine frühzeitige Nachfolgeplanung, wie die teilweise Übertragung von Anteilen auf Kinder oder die Nutzung eines Doppelbesteuerungsabkommens mit Spanien, können erhebliche Steuerlasten vermieden werden.

Beispiel 2: Der internationale Investor

Ein Investor mit umfangreichem Portfolio an deutschen Immobilien plant, ins außereuropäische Ausland zu ziehen. Hier sollte rechtzeitig geprüft werden, ob die Verlagerung von Immobilien in eine in Deutschland ansässige Familienstiftung oder Holdingstruktur eine Lösung sein kann, um die Wegzugsbesteuerung zu vermeiden oder zu mindern.

Rechtliche Quellen und Umsetzung in der Praxis

Finanz- und Nachfolgeplaner sollten stets auf aktuelle rechtliche Entwicklungen achten. Die Wegzugsbesteuerung ist Teil des Außensteuergesetzes (AStG), welches regelmäßig Änderungen unterliegt. Ebenso können länderspezifische Doppelbesteuerungsabkommen oder EU-Richtlinien eine Rolle spielen. Die Einbeziehung von spezialisierten Steuerberatern oder Anwälten für internationale Steuerplanung ist ratsam.


Checkliste für Nachfolge- und Wegzugsbesteuerung

SchrittBeschreibungRechtliche Grundlage
1. Bewertung der VermögenswerteErmittlung der stillen Reserven in Kapitalanlagen, Immobilien und Unternehmensanteilen§ 6 AStG
2. Doppelbesteuerungsabkommen prüfenRelevante Abkommen für den Zielstaat des Wegzugs prüfen und anwendenDBA Deutschland – Zielland
3. Nachfolgeplanung vornehmenRechtzeitige Vermögensübertragung auf Nachfolger, Schenkungen oder Gründung von FamilienstiftungenBGB, Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz
4. Steuervorbescheid einholenFrühzeitiger Antrag auf einen Steuervorbescheid zur Sicherheit§ 89 AO (Abgabenordnung)
5. Steuerberater und Fachanwälte einbeziehenKonsultation von Experten, insbesondere bei komplexen internationalen VerflechtungenIndividuelle Beratung

Diese Checkliste bietet einen Überblick über die wichtigsten Schritte, die Finanz- und Nachfolgeplaner berücksichtigen sollten, um die Wegzugsbesteuerung im Rahmen einer umfassenden Vermögensplanung optimal zu gestalten.


Mit dem Fall Helmut Horten und der heutigen Relevanz der Wegzugsbesteuerung haben Finanz- und Nachfolgeplaner ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie gezielte Planung und rechtliche Rahmenbedingungen in der Praxis umgesetzt werden können. Eine sorgfältige Auseinandersetzung mit den steuerlichen Konsequenzen eines Wegzugs hilft, Vermögen langfristig zu sichern und unnötige Steuerbelastungen zu vermeiden.

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