Das Erbscheinverfahren ist ein gerichtliches Verfahren, das zur Feststellung der Erbberechtigung dient. Es wird beim zuständigen Nachlassgericht eingeleitet und endet mit der Ausstellung eines Erbscheins, der den oder die Erben als rechtmäßige Rechtsnachfolger des Verstorbenen ausweist. Der Erbschein ist ein amtliches Dokument, das gegenüber Banken, Behörden und anderen Institutionen als Nachweis der Erbberechtigung dient. Ohne einen solchen Nachweis kann es für Erben schwierig sein, auf Nachlassvermögen zuzugreifen oder Verfügungen über das Erbe zu treffen.
Rechtlich geregelt ist das Erbscheinverfahren in den §§ 2353 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Ein Erbschein kann von jedem Erben beantragt werden, sei es als Alleinerbe oder Miterbe. Um ihn zu erhalten, muss der Antragsteller seine Erbenstellung glaubhaft machen. Dazu gehören in der Regel Sterbeurkunden, Testamente oder Erbverträge. In Fällen, in denen kein Testament vorliegt, wird die gesetzliche Erbfolge herangezogen. Das Nachlassgericht prüft die vorgelegten Dokumente auf ihre Gültigkeit und kann weitere Ermittlungen durchführen, falls Unklarheiten bestehen.
Das Erbscheinverfahren ist besonders relevant für Finanz- und Nachfolgeplaner, da es in vielen Erbfällen eine grundlegende Voraussetzung für die Abwicklung des Nachlasses ist. Ohne einen Erbschein kann es für Erben schwierig sein, Nachlasskonten zu übernehmen, Immobilien zu übertragen oder Anteile an Unternehmen zu verwerten. Gerade in komplexen Nachfolgesituationen, etwa bei Erbengemeinschaften oder Unternehmensnachfolgen, spielt der Erbschein eine zentrale Rolle.
Ein typisches Problem im Erbscheinverfahren ist die Anfechtung durch Dritte, insbesondere wenn konkurrierende Testamente existieren oder Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers bestehen. In solchen Fällen kann sich das Verfahren erheblich verzögern, was zu wirtschaftlichen Nachteilen für die Erben führen kann. Finanzplaner sollten daher frühzeitig prüfen, ob testamentarische Regelungen klar genug formuliert sind und ob gegebenenfalls alternative Nachweise zur Verfügung stehen, um eine reibungslose Nachlassabwicklung sicherzustellen.
Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Unternehmer verstirbt, ohne einen eindeutigen Nachweis über seine Erben zu hinterlassen. Seine Kinder beantragen einen Erbschein, doch eine entfernte Verwandte erhebt Einspruch und legt ein altes Testament vor, das ihre Begünstigung vorsieht. Das Nachlassgericht muss nun klären, welches Dokument gültig ist. In der Zwischenzeit bleibt das Unternehmen handlungsunfähig, da keine rechtskräftigen Erben über die Anteile verfügen. Eine vorausschauende Nachlassplanung mit eindeutigen Regelungen hätte hier Klarheit schaffen können.