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  • Henning Krischke
  • 4. November 2025

Risiken gefälschter oder manipulierter Testamente in der Nachfolgeplanung – Lehren aus dem Fall Traunstein

  • 7 Min. Lesezeit
  • Beraterwissen,Erben & Vererben,Recht & Steuern
Testament im Tresor zur sicheren Aufbewahrung
Risiken gefälschter oder manipulierter Testamente in der Nachfolgeplanung – Lehren aus dem Fall Traunstein

Ein Fachbeitrag zur Erbrechtslage und Nachfolgeplanung 2025


Hintergrund und aktueller Anlass: Der Fall Traunstein als Mahnzeichen

Ein Urteil des Landgerichts Traunstein vom Oktober 2025 lenkte erneut den Blick auf ein oft unterschätztes Risiko im deutschen Erbrecht: die Fälschung oder Manipulation von Testamenten. Ein 66-jähriger Mann wurde zu zwei Jahren Bewährung verurteilt, weil er die Unterschrift seines verstorbenen Vermieters gefälscht hatte, um sich ein Millionenvermögen zuzuschreiben. Der Vermieter war im Juni 2023 ohne Testament gestorben – die gesetzliche Erbfolge sah die Tochter als Alleinerbin vor. Doch der Täter erstellte rückdatiert ein gefälschtes Testament, das ihn selbst zum Alleinerben erklärte.

Das Gericht sah den Fälschungsvorsatz als erwiesen an. Die Höhe des möglichen Schadens – ursprünglich auf 19,5 Millionen Euro geschätzt – reduzierte sich laut Urteil, da Pflichtteilsrechte und Erbschaftsteuer zu berücksichtigen waren. Dennoch handelte es sich um eine der größten Testamentfälschungen der vergangenen Jahre.

Der Fall zeigt, dass selbst in einem rechtssicheren Umfeld wie Bayern die Nachlassplanung erheblich gefährdet sein kann, wenn nicht rechtzeitig notarielle und digitale Schutzmechanismen greifen.


Strukturen des Erbrechts und typische Angriffspunkte für Manipulation

Testamente als privatrechtliche Urkunden

Ein Testament ist nach § 2247 BGB eine höchstpersönliche Verfügung von Todes wegen. Es kann eigenhändig oder notariell errichtet werden. Das eigenhändige Testament ist dabei der häufigste, aber zugleich unsicherste Weg. 2024 waren laut Bundesnotarkammer noch rund 68 Prozent aller letztwilligen Verfügungen eigenhändig verfasst, nur 32 Prozent notariell beurkundet.

Die hohe Quote privater Testamente schafft eine Einfallstür für Manipulationen. Häufige Schwachstellen sind:

  • fehlende oder unleserliche Unterschriften,
  • unklare Datierung,
  • Verwendung älterer Briefköpfe oder Kopien,
  • nachträgliche Einfügungen durch Dritte.

Juristische Angriffspunkte und Beweisschwächen

Fälschungen lassen sich vor allem an handschriftlichen Merkmalen, Tintenanalysen und Papieralterungen erkennen. In der Praxis ist jedoch entscheidend, wer das Original besitzt. Liegt es beim mutmaßlichen Erben, kann die Nachprüfung erschwert werden.

In etwa 12 Prozent der Erbstreitigkeiten, die 2023 vor deutschen Amtsgerichten verhandelt wurden, ging es um Fragen der Echtheit oder Gültigkeit eines Testaments (Quelle: Deutscher Anwaltverein, Fachstatistik Erbrecht 2024).


Praxisbeispiele: Von Traunstein bis München – reale Fälle als Lernanlass

Fall 1: Traunstein 2025 – Fälschung eines Vermieter-Testaments

Wie beschrieben, gelangte der Täter durch seine Wohnraumnähe in den Besitz von Dokumenten, Briefpapier und Unterschriftenproben seines Vermieters. Er nutzte dieses Wissen, um ein rückdatiertes Testament zu erstellen. Auffällig: Erst die Überprüfung beim Nachlassgericht Rosenheim deckte Unstimmigkeiten auf. Die Ermittler erkannten, dass das Schriftbild der angeblichen Unterschrift aus einem anderen Dokument kopiert war.

Lehre: Der Besitz eines Originals durch Dritte ist ein zentrales Risiko. Notare und Finanzplaner sollten Klienten raten, Testamente in amtlicher Verwahrung zu hinterlegen.

Fall 2: München 2022 – Nachträgliche Änderung im Familien-Testament

Ein 71-jähriger Erblasser hinterließ ein gemeinschaftliches Testament mit seiner Ehefrau. Nach deren Tod änderte ein Sohn per Scanner und Drucker einzelne Passagen, um seine Geschwister auszuschließen. Das Amtsgericht München stufte die Manipulation als „Urkundenfälschung mit Täuschungsabsicht“ (§ 267 StGB) ein.

Lehre: Auch digitale Fälschungen nehmen zu. Kopierfähige Schriftarten und Drucktechniken erhöhen das Risiko.

Fall 3: Hamburg 2023 – Digitaler Nachlass und ungesicherte Cloud-Testamente

Ein Unternehmer speicherte seinen letzten Willen als PDF-Datei mit digitaler Unterschrift auf einem privaten Cloud-Konto. Nach seinem Tod konnte der Zugang nicht mehr authentifiziert werden. Mehrere Versionen kursierten. Das Nachlassgericht erklärte alle Varianten für unwirksam, da kein eigenhändiges Original vorlag (§ 2247 Abs. 1 BGB).

Lehre: Elektronische Testamente ohne notarielle Zertifizierung sind rechtlich nicht wirksam.


Rechtliche Einordnung: Straf- und zivilrechtliche Folgen

Strafrechtliche Dimension

Die Fälschung eines Testaments erfüllt regelmäßig den Tatbestand der Urkundenfälschung nach § 267 StGB. Der Strafrahmen reicht bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Wird – wie im Fall Traunstein – zusätzlich ein Vermögensvorteil beabsichtigt, können auch Versuch und Betrugstatbestände (§ 263 StGB) hinzukommen.

Im konkreten Fall führte die Untersuchungshaft von fünf Monaten und das Geständnis des Täters zu einer Bewährungsstrafe. Das verdeutlicht die Tendenz der Justiz, bei älteren Ersttätern mildernde Umstände zu berücksichtigen – ein Aspekt, der im öffentlichen Bewusstsein jedoch zu Unverständnis führt.

Zivilrechtliche Folgen

Ein gefälschtes Testament ist nichtig (§ 125 BGB). Erbansprüche bleiben unberührt, und der Täter kann auch nachträglich enteignet werden, falls er Vermögenswerte erhalten hat. Die Pflicht zur Herausgabe ergibt sich aus § 812 BGB (ungerechtfertigte Bereicherung).

Darüber hinaus kann das Nachlassgericht Erbscheine widerrufen (§ 2361 BGB), sobald sich eine Fälschung bestätigt.


Schutzmechanismen und Prävention: Wie sich Manipulationen vermeiden lassen

Notarielle Testamente als Primärschutz

Die notarielle Beurkundung nach § 2232 BGB gilt als sicherster Weg, Manipulationen zu verhindern. Notare prüfen Identität, Geschäftsfähigkeit und Dokumentenechtheit. Seit 2024 werden notarielle Testamente zudem im Zentralen Testamentsregister der Bundesnotarkammer (ZTR) digital gesichert und automatisch mit Sterbedaten verknüpft.

Amtliche Verwahrung

Das Original verbleibt bei einem Amtsgericht (§ 34 Beurkundungsgesetz). Nur so ist gewährleistet, dass keine Dritte physischen Zugriff haben.

Digitale Sicherungssysteme

Moderne Kanzleien empfehlen hybride Verfahren:

  • eigenhändiges Testament mit digitaler Kopie (Scan + Hash-Wert-Archivierung),
  • optionale Blockchain-Zertifizierung zur Nachweisführung von Änderungszeitpunkten,
  • Speicherung im Dokumenten-Tresor einer Nachfolgekanzlei oder eines Testamentsvollstreckers.

Vertrauensdokumentation

Nachfolgeplaner sollten im Rahmen ihrer Mandatsarbeit eine Testamentschronik führen – eine tabellarische Übersicht über Entstehung, Zeugen, Ort und Version des Testaments. Dies erleichtert spätere Echtheitsprüfungen.


Der Wandel des Erbrechts im digitalen Zeitalter

Die rechtliche Diskussion um digitale Testamente gewinnt an Dynamik. Während in Estland und Dänemark bereits vollständig elektronische Testamente mit staatlicher Signatur möglich sind, bleibt Deutschland zurückhaltend. Eine Expertengruppe des Bundesjustizministeriums prüft seit 2024 die Einführung eines „elektronischen Testamentsregisters mit Authentifizierungspflicht“.

Künftige Entwicklungen bis 2030

  • Einführung sicherer Identifikationssysteme über den elektronischen Personalausweis.
  • Möglichkeit, Testamente mit qualifizierter elektronischer Signatur (qeS) zu hinterlegen.
  • Erweiterte Meldepflichten für Nachlassgerichte zur Plausibilitätsprüfung.

Für Nachfolgeplaner bedeutet das: digitale Kompetenz wird Teil der rechtlichen Sorgfaltspflicht.


Praxisimplikationen für Nachfolge- und Finanzplaner

Beratungs- und Dokumentationspflichten

Finanzplaner, Steuerberater und Nachfolgeanwälte tragen eine Mitverantwortung bei der ordnungsgemäßen Dokumentation von Nachlassstrukturen. Nach § 34 Abs. 1 StBerG und § 43a BRAO sind sie verpflichtet, auf erkennbare Risiken hinzuweisen.

In der Praxis sollten folgende Punkte fest im Beratungsprozess verankert sein:

  1. Prüfung, ob Testament notariell oder privat errichtet wurde.
  2. Empfehlung amtlicher Verwahrung.
  3. Protokollierung von Entstehungszeitpunkten und Versionen.
  4. Integration in Nachfolgekonzepte und Vermögensinventare.
  5. Vermerk über Aufbewahrungsort und bevollmächtigte Personen.

Meldepflichten

Bestehen Verdachtsmomente auf Fälschung, kann gemäß § 138 StGB (Nichtanzeige geplanter Straftaten) eine strafrechtliche Anzeigepflicht greifen – insbesondere, wenn Vermögensdelikte drohen.


Fazit: Prävention statt Aufdeckung

Der Fall Traunstein zeigt, wie schnell eine ungesicherte letztwillige Verfügung missbraucht werden kann. Eine professionelle Nachfolgeplanung endet nicht mit der steuerlichen Optimierung, sondern beginnt mit der rechtssicheren Testamentsgestaltung und -verwahrung.

Gerichte, Notare und Finanzplaner stehen gemeinsam in der Verantwortung, das Vertrauen in den letzten Willen zu schützen – mit klaren Verfahren, digitaler Nachweisführung und konsequenter Kontrolle.


Anhang A – Handlungsschritte zur sicheren Testamentsgestaltung

Nr.HandlungsschrittVerantwortlichZiel
1Testament notariell beurkunden lassenErblasser, NotarRechtssicherheit und Echtheitsnachweis
2Amtliche Verwahrung beim Amtsgericht beantragenNotar, ErblasserSchutz vor Verlust und Manipulation
3Testamentsregistereintrag prüfenNotarVerfügbarkeit sicherstellen
4Digitale Kopie mit Hash-Wert sichernNachfolgeplanerManipulationsnachweis
5Versionierung und Chronik anlegenBeraterNachvollziehbarkeit
6Pflichtteilsrechte transparent dokumentierenBerater, ErblasserStreitvermeidung
7Vollmachten regelmäßig prüfenMandantAktualität und Zugriffskontrolle
8Angehörige über Aufbewahrungsort informierenMandantTransparenz im Erbfall
9Verdachtsmomente auf Fälschung meldenBeraterCompliance und Haftungsschutz
10Nachlasskonzept jährlich überprüfenMandant, BeraterAnpassung an Lebenssituation

Anhang B – Rechtliche Quellen und Fundstellen

Gesetz / QuelleParagraph / AktenzeichenInhalt / Bezug
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)§§ 2231–2273Testamente und Erbverträge
BGB§ 2247Eigenhändiges Testament
BGB§ 2361Widerruf eines Erbscheins
Strafgesetzbuch (StGB)§ 267Urkundenfälschung
Strafgesetzbuch (StGB)§ 263Betrug
Beurkundungsgesetz (BeurkG)§ 34Amtliche Verwahrung
BundesnotarkammerZentrales Testamentsregister 2024Registrierung und digitale Sicherung
DAV Statistik Erbrecht 2024–Streitfälle zur Echtheit von Testamenten
BMJ Expertengruppe 2024Bericht „Digitales Testament 2030“Zukunft der elektronischen Nachlassplanung

Anhang C – Zentrale Praxisimplikationen

ThemaKonsequenz für die Praxis
Eigenhändige TestamenteNur mit klarer Datierung, Ort, Unterschrift und Zeugenvermerk
Notarielle BeurkundungEmpfohlen als Standardverfahren ab Vermögen > 250.000 €
Digitale SicherungNutzung von Blockchain-Hash oder Kanzleiserver zur Dokumentation
SchulungspflichtNachfolgeberater sollten Mandanten über Risiken aufklären
HaftungsrisikenUnterlassene Warnung kann zu Beraterhaftung führen
ComplianceFälschungsverdacht ist zu dokumentieren und ggf. zu melden
ZukunftstrendElektronische Testamente mit digitaler Authentifizierung bis 2030 wahrscheinlich

Leitsatz

„Der letzte Wille ist nur so sicher wie seine Verwahrung – wer auf notarielle und digitale Sicherung verzichtet, öffnet Manipulationen Tür und Tor.“

BetrugLandgerichtNachfolgeplanungTestament

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