
Neue Wege zum Mandat – aber mit Haltung
Die Kundenakquise im Private Banking verändert sich – nicht schlagartig, aber grundlegend. Klassische Empfehlungswege und persönliche Netzwerke bleiben wichtig, doch sie allein genügen nicht mehr, um mit anspruchsvollen Mandanten in Kontakt zu treten. Die neue Realität: Mandanten klicken, bevor sie sprechen. Die Kunst liegt darin, den Übergang zwischen digitalem Erstkontakt und persönlicher Beratung so zu gestalten, dass Vertrauen entsteht – ohne den Anspruch an Exklusivität, Effizienz und regulatorische Sicherheit aufzugeben.
1. Vom Marketing-Mythos zur Realität: Mandanten klicken zuerst
In der Praxis erleben viele Wealth Manager, dass der klassische „Türöffner“ nicht mehr ausreicht. Selbst bei Empfehlungen recherchieren Mandanten zuerst online. Sie vergleichen, prüfen Inhalte, folgen diskret dem digitalen Auftritt eines Anbieters – lange bevor es zu einem Gespräch kommt.
Die Conversion-Zahlen sprechen eine klare Sprache:
- Von 1.000 Personen, die eine Anzeige sehen, klicken etwa 100.
- Davon registrieren sich rund 30 für ein weiterführendes Angebot (z. B. Whitepaper, Webinar).
- Etwa 15 führen schließlich ein Gespräch.
- Nur 3–4 dieser Kontakte münden in ein neues Mandat.
Diese Daten verdeutlichen: Sichtbarkeit allein bringt keine Mandanten. Entscheidend ist, ob die folgenden Schritte im Akquisefunnel professionell, strukturiert und vertrauensbildend verlaufen.
2. Zwischen Algorithmus und Anstand: Was hybride Akquise leisten muss
Viele Banken zögern bei der systematischen Digitalisierung der Akquise – oft aus Sorge vor Beliebigkeit, Lead-Kauf oder unpersönlicher Standardkommunikation. Doch moderne Hybridmodelle zeigen: Es geht nicht um Ersatz der persönlichen Beratung, sondern um gezielte Vorbereitung. Die digitale Phase schafft Vertrauen – wenn sie klug orchestriert ist.
Ein bewährtes Modell ist der 4-Wochen-Nurturing-Zyklus:
Woche | Inhaltlicher Fokus | Zielsetzung |
---|---|---|
Woche 1 | Makroökonomische Analysen, Kapitalmarktausblick | Positionierung als kompetenter Beobachter |
Woche 2 | Fallstudien aus ähnlichen Mandaten | Aufbau von Nähe und Relevanz |
Woche 3 | Finanzplanungsthemen mit Aktualitätsbezug | Demonstration individueller Beratungstiefe |
Woche 4 | Einladung zum persönlichen Austausch | Übergang zur qualifizierten, persönlichen Interaktion |
Diese Systematik zeigt: Vertrauen wächst, wenn Struktur dem Klick folgt.
3. Zwischen Skalierung und Sorgfalt: Kosten und Rendite des digitalen Funnels
Akquisition verursacht Kosten – im klassischen wie im digitalen Modell. Der Unterschied liegt in der Messbarkeit:
- Impressionen kosten 5–10 € pro 1.000 Sichtkontakte.
- Ein qualifizierter Lead liegt bei 500–1.000 €.
- Die Conversion Rate für ein Mandat liegt im Durchschnitt bei 3–5 %.
Bei einem durchschnittlichen Lifetime Value eines Mandats von 50.000 bis 250.000 € sind diese Kosten betriebswirtschaftlich mehr als gerechtfertigt – vorausgesetzt, die Prozesse sind integriert, compliance-konform und professionell begleitet.
4. Compliance als Strukturgeber – nicht als Hemmschuh
Die Integration digitaler Akquisemodelle scheitert nicht an der Technik, sondern häufig an den regulatorischen Anforderungen. Datenschutz, Werbeeinwilligungen, Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten müssen von Beginn an mitgedacht werden. Erfolgreiche Anbieter binden daher ihre Compliance-Abteilung bereits in der Konzeptionsphase ein. So entstehen Akquisestrecken, die skalieren – aber nicht ins Risiko führen.
5. Praxisbeispiel: Wie eine Privatbank Leads in Beziehungen verwandelt
Ein etabliertes deutsches Wealth Management-Institut hat 2024 ein hybrides Akquiseprogramm pilotiert. Ergebnis nach sechs Monaten:
- 4.000 qualifizierte Kontakte durch digitale Awareness-Kampagnen
- 230 persönliche Gespräche nach dem 4-Wochen-Zyklus
- 57 neue Mandate mit Assets > 1 Mio. €
- Akquisitionskosten pro Mandat: rund 1.700 €
- Geplanter Lifetime Value: 140.000 €
Die Erfolgsfaktoren laut Projektleitung:
- Klarer Redaktionsplan mit wöchentlicher Progression
- Content-Marketing in Verbindung mit persönlichem Follow-up
- Vollständige CRM- und Compliance-Integration
- Internes Coaching der Relationship Manager zum Übergang von digital zu persönlich
6. Handlungsempfehlungen für Finanz- und Nachfolgeplaner
Handlungsschritt | Zielgruppe | Umsetzungshinweis |
---|---|---|
Analyse bestehender Akquisestrategien | Berater, Marketingverantwortliche | Schwachstellen im Funnel identifizieren |
Redaktionsplanung für digitalen Nurturing-Zyklus | Marketing, Redaktion | Themen pro Woche definieren, Fachlichkeit sicherstellen |
Auswahl geeigneter Marketing Automation Tools | IT, Marketing | Systeme mit CRM-Anbindung und DSGVO-Konformität wählen |
Integration der Compliance von Beginn an | Geschäftsleitung, Legal | Verbindliche Prozesse definieren, Vorlagen abstimmen |
Schulung der Berater im digitalen Übergang | Vertrieb, HR | Kommunikationssicherheit stärken – vom Klick zum Gespräch |
Fazit: Digital sichtbar. Persönlich relevant. Erfolgreich beratend.
Die Zukunft der Akquise im Wealth Management ist hybrid. Nicht, weil sie modisch wäre, sondern weil sie den Mandanten dort abholt, wo er heute entscheidet: im digitalen Raum. Doch Vertrauen entsteht nicht durch Klicks – sondern durch Struktur, Haltung und verlässliche Beratung. Wer das Zusammenspiel aus Sichtbarkeit, Personalisierung und professioneller Beziehungspflege beherrscht, gewinnt nicht nur Mandate – sondern langfristige Verbindungen.
Anhang: Relevante Quellen und rechtliche Grundlagen
Quelle | Inhaltlicher Fokus |
---|---|
DSGVO (Art. 6, 7) | Rechtmäßigkeit und Einwilligung in Werbung |
WpHG § 63 | Informationspflichten bei Anlageberatung |
MaComp (AT 7.2) | Anforderungen an Beratungsdokumentation |
EBA Guidelines on ICT and Security Risk Management | IT-Sicherheitsanforderungen im digitalen Vertrieb |
Studien von BAI, BCG und Capgemini (2023–2025) | Daten zur digitalen Transformation im Wealth Management |