Die Reform der Höfeordnung bringt tiefgreifende Veränderungen für die Nachfolge landwirtschaftlicher Betriebe mit sich. Als Finanz- und Nachfolgeplaner ist es wichtig, die neuen Regelungen genau zu verstehen und auf die individuellen Bedürfnisse der Mandanten einzugehen. Dieser Beitrag beleuchtet die zentralen Neuerungen, stellt die unterschiedlichen Regelungen in den verschiedenen Bundesländern dar und gibt praxisnahe Beispiele für die Beratung von Landwirten und Erben.
Warum die Reform notwendig ist
Die bisherige Höfeordnung, die in den Bundesländern Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein gilt, verfolgt das Ziel, landwirtschaftliche Betriebe als wirtschaftliche Einheit zu erhalten. In der Praxis bedeutet das, dass ein Hofnachfolger den Betrieb in seiner Gesamtheit übernimmt und die weichenden Erben mit einer Abfindung abgefunden werden. Diese Abfindung wurde bisher auf Basis des sogenannten Einheitswertes berechnet – einem veralteten Modell, das von stark abweichenden Marktwerten ausgeht.
Im Jahr 2018 erklärte das Bundesverfassungsgericht den Einheitswert für verfassungswidrig, da er die wirtschaftliche Realität nicht mehr widerspiegelt und zu einer ungerechten Verteilung führt. Der Gesetzgeber ist daher gefordert, die Bewertungsgrundlage bis 2025 anzupassen. Die neue Höfeordnung führt den Grundsteuerwert A als Basis ein, der genauer an den aktuellen Marktwert angelehnt ist. Dieser Wert wird mit einem Reduktionsfaktor von 0,6 multipliziert, um sicherzustellen, dass die Belastung des Hoferben durch die Abfindung für weichende Erben tragbar bleibt.
Was sich durch die Reform ändert
Die neuen Regelungen betreffen insbesondere drei Bereiche:
- Neubewertung der Höfe: Der Grundsteuerwert A wird künftig die Basis für die Berechnung des Hofwerts bilden. Dieser Wert, der nach § 239 Bewertungsgesetz berechnet wird, liegt in der Regel höher als der bisherige Einheitswert. Dies führt dazu, dass sich die Abfindungen für weichende Erben teilweise deutlich erhöhen werden. Diese Anpassung stellt sicher, dass auch nicht erbende Familienmitglieder gerechter beteiligt werden.
- Schwellenwerte für die Hofeigenschaft: Damit ein Betrieb weiterhin als „Hof“ im Sinne der Höfeordnung gilt, muss der Grundsteuerwert A mindestens 54.000 Euro betragen. Für kleinere Betriebe, deren Grundsteuerwert zwischen 27.000 Euro und 54.000 Euro liegt, kann eine sogenannte „Hoferklärung“ abgegeben werden, um die Anwendung der Höfeordnung sicherzustellen.
- Anpassung der Abfindungen: Die Abfindungen für weichende Erben werden voraussichtlich um das Zwei- bis Dreifache steigen. Während dies für die weichenden Erben eine Verbesserung darstellt, müssen Hoferben ihre Liquidität langfristig sichern, um die Zahlungen leisten zu können. In vielen Fällen wird daher eine Finanzplanung erforderlich sein, die Ratenzahlungen oder alternative Regelungen vorsieht.
Besondere Regelungen in den verschiedenen Bundesländern
Die Höfeordnung gilt nicht in allen Bundesländern. Je nach Region bestehen unterschiedliche rechtliche Rahmenbedingungen, die Nachfolgeplaner bei der Beratung berücksichtigen müssen.
Die nordwestdeutsche Höfeordnung
Die klassischen Bundesländer, in denen die Höfeordnung seit Jahrzehnten angewendet wird, sind Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Hier greift die Reform mit der Einführung des Grundsteuerwerts A als Basis. Der neue Wert soll die wirtschaftliche Situation der Betriebe realistischer abbilden und gleichzeitig verhindern, dass der Fortbestand des Betriebs gefährdet wird. Der Reduktionsfaktor von 0,6 sorgt dafür, dass die Abfindungen weiterhin auf einem moderaten Niveau bleiben. Der neue Schwellenwert von 54.000 Euro für die Hofeigenschaft stellt sicher, dass nur wirklich wirtschaftlich relevante Betriebe unter die Höfeordnung fallen.
Brandenburg: Ein Sonderweg in Ostdeutschland
Brandenburg hat im Jahr 2019 als erstes ostdeutsches Bundesland eine eigene Höfeordnung verabschiedet. Diese Regelung weicht in wesentlichen Punkten von der nordwestdeutschen Höfeordnung ab. Hier wird der Hofeswert ab 2025 auf das 0,5-Fache des Grundsteuerwertes festgelegt, was im Vergleich zur nordwestdeutschen Höfeordnung einen geringeren Wert darstellt. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass das Wohnhaus in Brandenburg nicht in die Berechnung des Hofwertes einbezogen wird, was die Belastung für den Hoferben reduziert. Diese Regelung ist auf die spezifischen agrarstrukturellen Bedingungen in Brandenburg zugeschnitten, wo häufig nur der landwirtschaftliche Betrieb ohne das Wohnhaus vererbt wird.
Regelungen in anderen Bundesländern
In den anderen ostdeutschen Bundesländern wie Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern gibt es bislang keine spezielle Höfeordnung. Hier richtet sich die Hofvererbung nach dem allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Dies führt in der Praxis häufig zu Erbengemeinschaften, die den gesamten Hof teilen oder verkaufen müssen, was die Gefahr einer Zerschlagung des Betriebs mit sich bringt. Die Einführung einer spezifischen Höfeordnung nach dem Vorbild Brandenburgs wird hier ebenfalls diskutiert.
Praxisbeispiel: Familie Schulze aus Brandenburg
Die Familie Schulze betreibt seit Generationen einen landwirtschaftlichen Betrieb in Brandenburg. Herr Schulze plant, den Betrieb an seinen Sohn Paul zu übergeben. Seine Tochter Maria soll eine Abfindung erhalten. Bisher hätte sich diese Abfindung am Verkehrswert des Wohngebäudes und am Ersatzwirtschaftswert des Betriebes orientiert. Mit der neuen Brandenburgischen Höfeordnung ergibt sich jedoch folgendes Szenario:
- Der Grundsteuerwert A des Betriebes beträgt 200.000 Euro.
- Der neue Hofeswert liegt bei 100.000 Euro (200.000 € x 0,5).
- Die Abfindung für Maria fällt dadurch moderat aus und bleibt für Paul finanzierbar.
Dank der neuen Regelung ist der Fortbestand des Betriebes gesichert, und die Interessen aller Familienmitglieder sind angemessen berücksichtigt.
Empfehlungen für Nachfolgeplaner
Finanz- und Nachfolgeplaner sollten bei der Planung von Hofübergaben folgende Aspekte beachten:
- Prüfung der Hofeigenschaft: Überprüfen Sie, ob der Betrieb die neuen Schwellenwerte erreicht, um als Hof im Sinne der Höfeordnung zu gelten.
- Neubewertung bestehender Testamente und Verträge: Bestehende Regelungen müssen an die neuen Wertansätze angepasst werden, um zukünftige Rechtsunsicherheiten zu vermeiden.
- Finanz- und Liquiditätsplanung: Stellen Sie sicher, dass der Hoferbe in der Lage ist, die neuen Abfindungssummen ohne wirtschaftliche Schwierigkeiten zu leisten.
- Offene Kommunikation innerhalb der Familie: Sprechen Sie frühzeitig mit allen Familienmitgliedern über die geplante Nachfolgeregelung, um Konflikte zu vermeiden.
Anhang: Checkliste zur Umsetzung der Höfeordnungsreform
Schritt | Beschreibung | Rechtliche Quelle |
---|---|---|
1. Ermittlung des Grundsteuerwerts A | Aktuelle Grundsteuerbescheide anfordern und prüfen | § 239 Bewertungsgesetz |
2. Prüfung der Hofeigenschaft | Vergleich mit den neuen Schwellenwerten (54.000 € / 27.000 €) | § 1 Höfeordnung (Entwurf) |
3. Berechnung des neuen Hofeswerts | Multiplikation des Grundsteuerwerts A mit Faktor 0,6 | § 12 Höfeordnung (Entwurf) |
4. Ermittlung der Mindestabfindung | Berechnung auf Basis des neuen Hofeswerts | § 12 Höfeordnung (Entwurf) |
5. Analyse der Verbindlichkeiten | Prüfung des erhöhten Schuldenabzugs (bis zu 80%) | § 12 Abs. 5 Höfeordnung (Entwurf) |
6. Familienkonferenz | Besprechung der Auswirkungen und Optionen mit allen Beteiligten | – |
7. Erstellung eines Übergabeplans | Zeitliche und finanzielle Planung der Hofübergabe | – |
8. Prüfung steuerlicher Konsequenzen | Analyse der Auswirkungen auf Erbschaft- und Schenkungsteuer | ErbStG, § 13a, § 13b |
9. Vertragliche Gestaltung | Ausarbeitung eines Hofübergabevertrags unter Berücksichtigung der neuen Regelungen | BGB, Höfeordnung |
10. Behördliche Genehmigungen | Einholung notwendiger Genehmigungen (z.B. Grundstücksverkehrsgenehmigung) | GrdstVG |
Quellen
- Bundesverfassungsgericht: Entscheidung zur Verfassungswidrigkeit des Einheitswerts, 2018
- Deutscher Bundestag: Gesetzentwurf zur Reform der Höfeordnung
- Brandenburgische Höfeordnung: Anpassungen für ostdeutsche Strukturen