Die jüngsten Erkenntnisse aus dem Liquiditätsbarometer der TeamBank zeigen eine beunruhigende Realität: Jeder zweite Deutsche verfügt nicht über Rücklagen von 2000 Euro oder mehr. Bei einem Viertel der Bevölkerung liegt die Liquiditätsreserve sogar unter 500 Euro, und ein Achtel besitzt gar keine Rücklagen. In der Praxis führt dies regelmäßig zu kurzfristigen Finanzierungen – von Rechnungskäufen bis hin zu Ratenkrediten. Die Zahlen legen nahe: Ohne tragfähige Liquiditätsbasis wird langfristige Finanz- und Nachfolgeplanung zum Risiko.
1. Das Phänomen strukturell verstehen
Ursachen hierfür sind vielfältig: stagnierende Einkommen, steigende Lebenshaltungskosten, verzögerte Rücklagenbildung und ein Vertrauensverlust in Sparformen – insbesondere in der Nullzinsphase. Der Trend zugunsten kurzfristiger Finanzierungsformen wie Rechnungskauf oder Dispokredit ist alarmierend, da diese oft teurer und riskanter sind als strukturierte Liquiditätsplanung.
Über die private Liquiditätsrechnung nach DIN-Normen lässt sich ein praktikables Ausgabenmanagement etablieren. Beispiel: Mietbelastungsquote sollte 30 Prozent des Nettoeinkommens nicht übersteigen, Schuldendienstquote maximal 40 Prozent. Diese Kennzahlen helfen, finanzielle Verwundbarkeiten zu kalkulieren und gezielt Liquiditätsreserven zu schaffen – gerade für Notfälle.
2. Praxisbeispiele: Liquidität als Rettungsanker
Beispiel 1: Nach dem plötzlichen Tod des Inhabers zeigte sich in einer Familiennachfolge die Brisanz mangelnder Liquidität. Das Unternehmen war operativ erfolgreich, doch die fehlenden flüssigen Mittel führten zu teuren Avancekrediten, die die Unternehmensbilanz belasteten.
Beispiel 2: Ein Familienbetrieb in der dritten Generation musste aufgrund eines Maschinenschadens kurzfristig auf teure Finanzierungslösungen zurückgreifen. Ein zuvor aufgebautes Liquiditätspolster hingegen hätte die direkte Wiederaufnahme der Produktion ermöglicht – ohne Zinslast.
Beispiel 3: In einem Erbfall wurde das geerbte Unternehmen liquiditätsmäßig abgesichert – durch temporäre Rücklagenbildung. So konnte die Schenkung ohne Finanzierungskosten abgewickelt und der steuerliche Überblick gewahrt werden.
3. Handlungsempfehlungen für die Praxis
Führen Sie bei jedem Mandat eine private Liquiditätsrechnung durch und nutzen Sie Szenariotechnik, etwa zur Abbildung unerwarteter Ausgaben oder Inflationsfolgen. Ziel ist ein stabiler Notgroschen in Höhe von zwei bis drei Nettomonatsgehältern. Die Strukturierung erfolgt über liquide Instrumente – etwa Tagesgeld oder Geldmarktfonds.
Geldmarktfonds bieten aktuell attraktive Renditen knapp unter zwei Prozent bei gleichzeitig hoher Flexibilität. Tagesgeld bleibt aufgrund sofortiger Verfügbarkeit ebenfalls ein geeignetes Baustein-Element. Der Notgroschen sollte dabei nicht als Anlage betrachtet werden, sondern als strategische Sicherheitsreserve.
In Übergangsphasen – etwa zwischen Unternehmensverkauf und Wiederanlage, bei Nachlassabwicklung oder bei familiären Notlagen – kann eine vorausschauende Liquiditätsplanung entscheidend sein. Sie sichert Handlungsfähigkeit, minimiert Fremdfinanzierungskosten und reduziert emotionale Belastung.
4. Compliance, Melde- und Dokumentationspflichten
Die Beratung zu Liquiditätsfragen unterliegt denselben Anforderungen wie Produktberatung. Es gilt: Alle Vorschläge sind zu dokumentieren, die Empfehlungen zu begründen und vom Mandanten zu bestätigen.
Bei grenzüberschreitenden Gestaltungen sind die Meldepflichten nach den Vorschriften der Abgabenordnung (Paragrafen 138d ff AO, DAC6) zu beachten. Insbesondere Berater in Intermediärfunktion tragen Verantwortung für die rechtzeitige und vollständige Anzeige von meldepflichtigen Strukturen.
5. Aktuelle Daten zur Marktrelevanz
Laut Finanztip ist das Vermögen deutscher Geldmarktfonds von rund drei Milliarden Euro im Jahr 2022 auf nahezu sechs Milliarden Euro Anfang 2025 gestiegen. Diese Entwicklung zeigt den Trend zur professionellen Liquiditätssicherung in einem Umfeld gestiegener Zinsen.
Auch vor dem Hintergrund der Zinspolitik von EZB und Federal Reserve bleibt das Thema Liquiditätssteuerung ein zentrales Feld in der strategischen Beratung. Für Finanz- und Nachfolgeplaner ergeben sich daraus konkrete Aufgaben – insbesondere in der Integration von Notfallreserven in bestehende Vermögenspläne.
Fazit
Für professionelle Finanz- und Nachfolgeplaner ist Liquidität keine Nebensache. Sie ist die Grundlage für Planbarkeit, Sicherheit und Handlungsfähigkeit. Der Notgroschen schützt nicht nur vor kleinen Schocks – er ist das Fundament nachhaltiger Finanzplanung. Mandanten, die ihre Liquidität verstehen und strukturieren, gewinnen mehr als nur Reserven: Sie gewinnen Autonomie.
Anhang A: Handlungsschritte
- Private Liquiditätsrechnung erstellen
- Zielwert für Notgroschen (zwei bis drei Nettomonatsgehälter) festlegen
- Geeignete Liquiditätsinstrumente identifizieren (z. B. Tagesgeld, Geldmarktfonds)
- Integration der Liquiditätsplanung in Nachfolge- und Vermögensstruktur
- Dokumentation der Beratung nach Compliance-Vorgaben
- Prüfung auf Meldepflichten (z. B. DAC6)
- Regelmäßige Überprüfung und Anpassung der Liquiditätsstrategie
- Mandanten zum Liquiditätswert als Element der Gesamtplanung sensibilisieren
- Übergangsszenarien aktiv durchplanen (z. B. Erbfall, Trennung, Unternehmensverkauf)
- Rücklagenbildung strategisch und kommunikativ in die Beratung einbinden
Anhang B: Rechtliche Quellen
- Private Liquiditätsrechnung: DIN 77230, Fachliteratur zu Haushaltskennzahlen
- Geldmarktfonds: Finanztip (Stand 2024/2025), Marktanalysen
- Tagesgeld und Zinslandschaft: EZB, Bundesbank, Anlagestrategien 2025
- Dokumentationspflicht: Gewerbeordnung § 34d, VVG §§ 6, 61–63
- Meldepflichten: AO §§ 138d ff (DAC6), BMF-Schreiben zu grenzüberschreitenden Steuergestaltungen
Anhang C: Praxisimplikationen
- Ein Notgroschen ist mehr als ein Sicherheitsgefühl – er ist Teil des professionellen Finanzkonzepts
- Fehlende Rücklagen führen zu teuren Fremdfinanzierungen und emotionalem Stress
- Strategische Liquidität schafft Handlungsspielraum und erhöht die Qualität der Finanzplanung
- Berater müssen Liquidität als integralen Bestandteil in Nachfolgekonzepte einbauen
- Compliance- und Meldepflichten gelten auch bei vermeintlich „einfachen“ Rücklagenlösungen