Warum Wohnen teurer bleibt – und wo jetzt Chancen entstehen
Der deutsche Immobilienmarkt hat fünf krisenhafte Jahre hinter sich – und steht trotzdem nicht vor dem Absturz. Nach Pandemie, Baukostenexplosion und Zinswende stabilisieren sich Preise und Stimmungen, doch der strukturelle Wohnungsmangel und die stockende Energiewende bleiben. In einem Web-Seminar des Netzwerks IFFUN zeichnete der Wohnimmobilienexperte Dr. Pekka Sagner ein realistisches, aber keineswegs pessimistisches Bild des Marktes.
Vom Zins-Schock zur „Höherzins-Realität“
Die 2010er-Jahre waren Boomjahre: starkes Wachstum, steigende Einkommen, anhaltend niedrige Zinsen. Mit Corona brach diese Welt weg. Lieferketten rissen, Baustoffe wie Holz, Stahl und Glas verteuerten sich binnen Monaten um zweistellige Prozentsätze. Der Krieg in der Ukraine verschärfte die Lage, Energiepreise schossen in die Höhe – und die Europäische Zentralbank reagierte mit einer abrupten Zinswende.
Binnen eines halben Jahres vervierfachten sich typische Baufinanzierungszinsen für zehnjährige Zinsbindungen. Das heutige Niveau zwischen 3,5 und 4 Prozent sei historisch „normal“, so Sagner – die Geschwindigkeit des Anstiegs habe den Markt erschüttert, nicht die Höhe. Projektentwickler litten besonders: Grundstücke wurden teuer eingekauft, während der Exit in einem völlig veränderten Finanzierungsumfeld stattfinden musste.
Wohnraummangel statt Preisblase
Von einer klassischen Immobilienblase könne dennoch keine Rede sein. Fast alle fundamentalen Faktoren – starke Nachfrage, Zuwanderung, Binnenwanderung in die Städte, Einkommensentwicklung – blieben intakt. Entscheidend sei: In den großen Städten wurden über Jahre nur rund 60 Prozent des rechnerischen Wohnbedarfs gebaut. Zu wenig Neubau treffe nun auf hohe Zuwanderung und begrenzte Flächenreserven.
Die Folge: Rents and purchase prices haben nach einem Rückgang ab 2022 wieder angezogen. Bereits 2025 dürften Eigentumspreise bundesweit im Schnitt wieder um mehr als drei Prozent im Jahr zulegen – und damit stärker als die Inflation. Gleichzeitig verschlechtert sich die Erschwinglichkeit: In teuren Landkreisen müssten Haushalte teils bis zu 70 Prozent ihres Nettoeinkommens aufbringen, um eine standardisierte Immobilie zu erwerben.
Energieeffizienz als Investmentthema
Ein weiterer Trend: die Energiewende im Gebäudebestand. Im Neubau dominieren Wärmepumpen mit rund 70 Prozent der Genehmigungen, Gasheizungen spielen kaum noch eine Rolle. Im Bestand dagegen werden drei Viertel der Wohnungen weiterhin mit Gas oder Öl beheizt, nur etwa vier Prozent nutzen eine Wärmepumpe.
Um die Klimaziele bis 2045 zu erreichen, müssten jährlich rund zwei Prozent des Bestandes energetisch saniert werden – aktuell liegt die Quote bei unter 0,7 Prozent. Sanierungsbedarf trifft auf hohe Kosten, vor allem im ländlichen Raum, wo Sanierungsaufwendungen schnell 50 bis 100 Prozent des Kaufpreises erreichen können.
Was die Politik leisten kann – und was nicht
Politische Instrumente wie eine Halbierung der Grunderwerbsteuer und zinsvergünstigte Nachrangdarlehen könnten die monatliche Belastung für Käufer laut Simulationen auf etwa das Vor-Zinswende-Niveau von 2021 zurückführen. Gleichzeitig würde eine niedrigere Grunderwerbsteuer den Neubau anregen – deutlich kostengünstiger, als wenn der Staat selbst als Bauherr auftritt.
Sagner warnt jedoch vor überzogenen Erwartungen: Förderung könne dämpfen, aber nicht die strukturelle Knappheit aufheben. Ohne mehr Baugenehmigungen, schnellere Verfahren und klare Investitionssignale blieben Miet- und Kaufmärkte angespannt.
Ausblick: Chancen im Bestandsmarkt
Trotz aller Unsicherheiten überwiegt in der Branche wieder die Zuversicht. Die Erwartungen der Unternehmen liegen erstmals seit der Zinswende wieder leicht über der aktuellen Lageeinschätzung. Für Beraterinnen und Berater eröffnen sich neue Aufgaben: Finanzierung neu denken, energetische Sanierungsstrategien entwickeln, zwischen energieeffizientem Neubau und sanierungsbedürftigem Bestand abwägen.
„Der Markt ist nicht in der Krise, er sortiert sich neu“, resümiert Sagner – und macht deutlich: Die entscheidenden Weichen werden jetzt gestellt.
Infokasten: Zentrale Befunde des Immobilien-Trendkompass 2025
- Zinsen: Rückkehr zu „normalen“ 3,5–4 %, aber mit hohem Anpassungsschock.
- Neubau: Bundesweit deutlich unter Bedarf, besonders in Großstädten.
- Mietmarkt: Starke Anspannung, Neuvertragsmieten steigen weiterhin deutlich.
- Energie: 75 % der Wohnungen fossil beheizt, Sanierungsrate zu niedrig.
- Politik: Steuerliche Entlastung und Förderdarlehen helfen, ersetzen aber keinen zusätzlichen Wohnungsbau.