Konsequenzen für Stiftungsberatung, Vermögensstrukturierung und Nachfolgeplanung 2024/2025
Wenn Zahlen Vertrauen schaffen oder zerstören
Das Spendenvolumen in Deutschland ist seit Jahren Gegenstand regelmäßiger Erhebungen und dient Politik, Verbänden und Beratern als Referenzgröße für gesellschaftliches Engagement und steuerliche Anreizwirkungen. Umso größer war die Irritation, als zwei im Jahr 2025 veröffentlichte Untersuchungen zu diametral entgegengesetzten Ergebnissen kamen. Einer moderaten Wachstumsdiagnose steht ein deutlicher Rückgang gegenüber. Parallel dazu verzeichnet das deutsche Stiftungswesen einen anhaltenden Zuwachs, insbesondere bei privatnützigen Stiftungen.
Für Stiftungsberater ergibt sich daraus eine doppelte Herausforderung: Einerseits müssen Mandanten die scheinbar widersprüchlichen Zahlen sachlich eingeordnet werden, andererseits verändert sich das Spenden- und Stiftungsverhalten strukturell. Klassische Geldspenden verlieren relativ an Bedeutung, während langfristige, vermögensintegrierte Strukturen an Gewicht gewinnen.
Zwei Spendenstatistiken – zwei Realitäten
Die vom Deutschen Spendenrat veröffentlichte „Bilanz des Helfens“ beziffert das Spendenvolumen der privaten Haushalte für das Jahr 2024 auf rund 5,1 Milliarden Euro. Gegenüber dem Vorjahr entspricht dies einem nominalen Anstieg um etwa zwei Prozent. Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) kommt hingegen auf ein Gesamtspendenvolumen von 12,5 Milliarden Euro und diagnostiziert gleichzeitig einen Rückgang um rund 300 Millionen Euro.
Die Ursache der Diskrepanz liegt nicht in methodischen Fehlern, sondern in der bewussten Abgrenzung der jeweiligen Erhebungsmodelle. Während die „Bilanz des Helfens“ auf bevölkerungsrepräsentativen Umfragen basiert und Einzelspenden oberhalb von 2.500 Euro nicht erfasst, integriert das DZI Großspenden, Unternehmensspenden, Erbschaften, Vermächtnisse sowie institutionelle Zuwendungen.
Für die Beratungspraxis ist entscheidend: Die mediale Wahrnehmung orientiert sich überwiegend an der kleineren Zahl, während die wirtschaftlich relevante Förderrealität deutlich darüber liegt.
Praxisbeispiel:
Ein Mandant mit jährlichen Einzelspenden im sechsstelligen Bereich findet sich in der öffentlichen Spendenstatistik nicht wieder. Für die strategische Förderplanung ist jedoch ausschließlich die DZI-Systematik aussagekräftig.
Strukturwandel im Geben – Vom Impuls zur Governance
Unabhängig von der statistischen Einordnung zeigt sich seit mehreren Jahren ein grundlegender Wandel im Spendenverhalten vermögender Haushalte. Klassische Einzelspenden verlieren zugunsten strukturierter Engagementformen an Bedeutung. Gründe hierfür sind unter anderem steigende Anforderungen an Transparenz, die zunehmende Komplexität steuerlicher Regelungen sowie der Wunsch nach langfristiger Wirkungssicherung.
Vermögende Spender erwarten heute:
- planbare Mittelverwendung,
- Einfluss auf Förderstrategie und Zweckverwirklichung,
- Integration in Nachfolge- und Vermögensstruktur,
- rechtliche Stabilität über Generationen.
Damit verschiebt sich das philanthropische Engagement von der reinen Geldzuwendung hin zu institutionellen Lösungen.
Praxisbeispiel:
Ein Unternehmer ersetzt jährliche Großspenden an wechselnde Organisationen durch die Errichtung einer unselbstständigen Stiftung mit klar definiertem Förderzweck und professioneller Mittelvergabe. Das Spendenvolumen sinkt statistisch, die Förderwirkung steigt nachhaltig.
Wachstum der privatnützigen Stiftung – Zahlen mit Signalwirkung
Die Entwicklung im Stiftungssektor unterstreicht diesen Trend. Im Jahr 2024 wurden bundesweit 711 rechtsfähige Stiftungen neu errichtet. Fast jede zweite davon war privatnützig. Der Anteil nicht gemeinnütziger Stiftungen steigt damit kontinuierlich. Ende 2024 bestanden in Deutschland 26.349 rechtsfähige Stiftungen, von denen rund 89 Prozent weiterhin gemeinnützig sind. Die Dynamik liegt jedoch eindeutig im privatnützigen Segment.
Die Motive für diese Entwicklung sind klar erkennbar:
- Vermögensschutz und -bündelung,
- steuerlich planbare Vermögensübertragung,
- langfristige Sicherung unternehmerischer Beteiligungen,
- Vermeidung erbrechtlicher Zersplitterung.
Praxisbeispiel:
Eine Unternehmerfamilie überträgt ihre Unternehmensanteile auf eine Familienstiftung, um Stimmrechte und strategische Kontrolle unabhängig von Erbquoten zu sichern. Philanthropische Aktivitäten werden optional über eine separate gemeinnützige Stiftung ergänzt.
Steuer- und zivilrechtliche Herausforderungen
Mit dem wachsenden Anteil privatnütziger Stiftungen verschieben sich auch die Beratungsschwerpunkte. Während bei gemeinnützigen Stiftungen die steuerliche Abzugsfähigkeit im Fokus steht, dominieren bei privatnützigen Konstruktionen andere Fragestellungen.
Zentral sind insbesondere:
- die ertragsteuerliche Behandlung von Stiftungserträgen,
- die schenkung- und erbschaftsteuerliche Bewertung bei Errichtung,
- die klare Abgrenzung zulässiger Destinatärsleistungen,
- Dokumentations- und Berichtspflichten gegenüber Finanzverwaltung und Stiftungsaufsicht.
Fehler in der Satzung oder unklare Leistungsregelungen führen regelmäßig zu steuerlichen Risiken.
Praxisbeispiel:
Eine Familienstiftung gerät in eine Betriebsprüfung, da wiederkehrende Zahlungen an Familienmitglieder nicht eindeutig als satzungsgemäße Destinatärsleistungen definiert sind. Die Folge sind Nachversteuerungen und Anpassungen der Stiftungssatzung.
Konsequenzen für die Beratungspraxis
Die divergierenden Spendenzahlen und der gleichzeitige Stiftungsboom machen deutlich: Das philanthropische Engagement vermögender Mandanten ist nicht rückläufig, sondern strukturell im Wandel. Für Stiftungsberater bedeutet dies, den Fokus stärker auf langfristige, integrierte Lösungen zu legen.
Gefragt sind ganzheitliche Konzepte, die Spenden, Stiftungen, Nachfolgeplanung und Vermögensstrukturierung miteinander verzahnen. Reine Steuerargumente greifen dabei zu kurz. Entscheidend ist die Fähigkeit, rechtliche Stabilität, wirtschaftliche Effizienz und ideelle Zielsetzungen in Einklang zu bringen.
Anhang A: Handlungsschritte für Stiftungsberater
| Schritt | Maßnahme |
|---|---|
| 1 | Analyse des bisherigen Spenden- und Engagementverhaltens |
| 2 | Abgrenzung zwischen gemeinnützigem und privatnützigem Ziel |
| 3 | Prüfung stiftungsrechtlicher Alternativen |
| 4 | Steuerliche Vorabstrukturierung |
| 5 | Satzungsgestaltung mit klaren Destinatärsregelungen |
| 6 | Einbindung in Nachfolge- und Erbkonzept |
| 7 | Abstimmung mit Stiftungsaufsicht |
| 8 | Einrichtung von Controlling- und Berichtssystemen |
Anhang B: Relevante rechtliche Grundlagen
| Rechtsquelle | Fundstelle |
|---|---|
| Bürgerliches Gesetzbuch | §§ 80–88 BGB |
| Abgabenordnung | §§ 51–68 AO |
| Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz | §§ 7, 13, 13a ErbStG |
| Landesstiftungsgesetze | jeweilige Landesnormen |
| Anwendungserlasse zur AO | AEAO |
Anhang C: Zentrale Praxisimplikationen
- Spendenstatistiken sind kontextabhängig und nicht widersprüchlich.
- Vermögende Mandanten verlagern Engagement in institutionelle Strukturen.
- Privatnützige Stiftungen gewinnen als Vermögens- und Nachfolgeinstrument an Bedeutung.
- Beratung erfordert interdisziplinäre Kompetenz aus Steuer-, Stiftungs- und Erbrecht.
- Fehler in Satzung und Dokumentation führen zu erheblichen steuerlichen Risiken.