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  • Henning Krischke
  • 11. Dezember 2025

Doppelrolle von Nießbrauch und Testamentsvollstreckung — neue Rechtssicherheit durch Entscheidung des Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Beschluss 27.11.2025, Az. 21 W 93/25)

  • 8 Min. Lesezeit
  • Allgemein
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Doppelrolle von Nießbrauch und Testamentsvollstreckung — neue Rechtssicherheit durch Entscheidung des Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Beschluss 27.11.2025, Az. 21 W 93/25)

Einordnung des Urteils: Hintergrund, Entscheidung und Bedeutung

Ausgangslage und Entscheidungsinhalt

In dem vom OLG Frankfurt entschiedenen Fall hatten Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament ihre Kinder als Erben eingesetzt, dem länger lebenden Ehegatten jedoch einen Nießbrauch am gesamten Nachlass eingeräumt und ihn gleichzeitig zum Testamentsvollstrecker bestimmt. Nach dem Tod eines Ehepartners beantragte die überlebende Partnerin ein Testamentsvollstreckerzeugnis, während ein Kind ihre Entlassung beantragte und Pflichtverletzungen bei der Verwaltung von Immobilien geltend machte. Die erste gerichtliche Instanz (Nachlassgericht) entließ die Ehefrau als Testamentsvollstreckerin — das OLG Frankfurt hob diese Entscheidung auf. Begründung: Es lägen weder grobe Pflichtverletzungen noch Unfähigkeit vor. Die Kombination Nießbrauch + Testamentsvollstreckung sei ausdrücklich vom Erblasser gewollt und zulässig. Recht und Politik+2RSW+2

Das Urteil macht klar, dass eine Doppelrolle nicht per se gerichtlich beanstandet werden darf — entscheidend sind tatsächliche Pflichtverletzungen und nicht bloß mögliche Interessenkonflikte. RSW+1

Juristische und praktische Bedeutung

  • Testierfreiheit gestärkt: Der Erblasser darf frei entscheiden, ob der überlebende Ehegatte wirtschaftlich abgesichert und gleichzeitig mit der Nachlassverwaltung betraut werden soll — das Gericht respektiert diese Gestaltung, solange sie klar und gewollt ist. Haufe.de News und Fachwissen+1
  • Klare Abgrenzung zwischen Rollen und Pflichten: Das Urteil unterstreicht, dass Pflichten als Testamentsvollstrecker und Rechte als Nießbrauchnehmer strikt getrennt zu beurteilen sind. Die Verwaltung des Nachlasses unterliegt der Testamentsvollstreckung, der Nießbrauch betrifft lediglich die Nutzung bzw. Erträge für den Ehegatten. Recht und Politik+1
  • Hohes Verwaltungsermessen bei Immobilienvermögen: Bei Immobilien reicht ein breiter Entscheidungsspielraum — eine Pflicht zur dauerhaft Substanzerhaltung besteht nur, wenn andernfalls erhebliche Nachteile drohen. Ordentliche Gerichtsbarkeit Hessen+1
  • Schwierigkeit der Entlassung aus dem Amt: Ein bloßer Interessenkonflikt oder mangelnde Ertragserzielung rechtfertigt nach dem Urteil keine Entlassung — es bedarf einer konkreten, gravierenden Pflichtverletzung. Recht und Politik+1

Für die erbrechtliche Praxis bedeutet dies erhöhte Planungs- und Rechts­sicherheit — insbesondere bei Vermögenswerten mit Immobilienanteilen oder langjährigen Nutzungsrechten.


Grundlagen: Nießbrauch, Testamentsvollstreckung und ihre Kombination

Begriff und Funktion des Nießbrauchs

Ein Nießbrauch erlaubt einer Person, fremde Sachen, Rechte oder Vermögen zu nutzen und Erträge daraus zu ziehen, ohne Eigentümer zu sein. Geregelt sind Nießbrauchrechte in den §§ 1030 ff. BGB (bzw. § 1089 BGB für Erbnießbrauch). Erbrechtsinfo.com+1
Der Nießbrauch ist weder übertragbar noch vererblich und endet regelmäßig mit dem Tod des Nießbrauchers. Erbrechtsinfo.com+1

In der Nachfolgeplanung wird der Nießbrauch häufig eingesetzt, um den überlebenden Ehegatten wirtschaftlich abzusichern — insbesondere bei Immobilien oder Kapitalvermögen. Erbrecht Ratgeber+1

Funktion und Zweck der Testamentsvollstreckung

Die Bestellung eines Testamentsvollstreckers dient der sicheren und ordnungsgemäßen Umsetzung eines letzten Willens — insbesondere bei komplexen Vermögensverhältnissen, mehreren Erben oder Schutzbedürftigen (z. B. Minderjährige). Wikipedia+1
Der Testamentsvollstrecker übernimmt die Verwaltung des Nachlasses, kann Verbindlichkeiten eingehen, Vermögenswerte sichern und Nachlassgegenstände verwalten. Wikipedia+1
Die Testamentsvollstreckung schützt den Nachlass zudem vor Zugriff durch Gläubiger des Erben und erleichtert die geregelte Auseinandersetzung. raklinger.de+1

Kombination von Nießbrauch und Testamentsvollstreckung: Warum und wie

Durch die gleichzeitige Anordnung eines Nießbrauchs und die Bestellung des Nießbrauchberechtigten als Testamentsvollstrecker entsteht eine mächtige Konstruktion: Der überlebende Ehegatte erhält sowohl wirtschaftliche Nutzung (Nießbrauch) als auch Kontrolle über Verwaltung und Verteilung des Nachlasses. Erbrecht Ratgeber+2Haufe.de News und Fachwissen+2
Diese Kombination bietet sich insbesondere dann an, wenn der Erblasser:

  • den überlebenden Ehegatten absichern möchte (Wohnrecht, Kapitalerträge),
  • zugleich aber möchte, dass das Vermögen langfristig — etwa nach dem Tod des letzten Ehegatten — auf die Kinder übergeht, und
  • sicherstellen will, dass der Wille korrekt umgesetzt wird, ohne dass der Ehegatte als Erbe mit Pflichtteilen belastet wird. Kanzlei Herfurtner+1

Historisch ist diese Gestaltung aus der Praxis – z. B. im Rahmen sogenannter „Württembergischer Testamente“ – bekannt. RSW+1


Praxisempfehlungen für Nachfolgeplanung und Testamentsgestaltung

Auf Basis der Entscheidung des OLG Frankfurt und der erbrechtlichen Grundlagen lassen sich aus Sicht der Nachfolgeplanung konkrete Empfehlungen ableiten:

1. Bewusste und dokumentierte Entscheidung über Doppelrolle

Wenn eine Kombination aus Nießbrauch und Testamentsvollstreckung gewünscht ist, sollte der Wille klar, deutlich und möglichst notariell verfasst sein — sowohl hinsichtlich des Nießbrauchs (Umfang, Rechte, Dauer) als auch der Testamentsvollstreckung (Aufgaben, Rechte, Pflichten, Vergütung).

2. Präzise Regelung im Testament oder Erbvertrag

  • Nießbrauch klar definieren (§, Gegenstände, Umfang, Ende). Erbrecht Ratgeber+1
  • Testamentsvollstreckung ausdrücklich anordnen — als Abwicklungs- oder Verwaltungsvollstreckung (z. B. Dauervollstreckung), mit klaren Hinweisen auf Rechte und Pflichten. Wikipedia+1
  • Vermeidung von Widersprüchen: Nießbrauch, Vermächtnisse und Teilungsanordnungen sollten so koordiniert sein, dass sie sich nicht gegenseitig ausschließen und spätere Konflikte — insbesondere mit Pflichtteilsberechtigten — vermieden werden.

3. Transparenz und Dokumentation der Nachlassverwaltung

Sinnvoll ist eine strukturierte Nachlassverwaltung mit klarer Buchführung, insbesondere bei Immobilien oder Kapitalvermögen. Einnahmen, Ausgaben, Werterhalt (oder notwendige Maßnahmen) sollten dokumentiert werden — um bei späteren Prüfungen oder etwaigen Streitigkeiten gegenüber Erben oder Pflichtteilsberechtigten Nachweise zu haben.

4. Risikoanalyse bei Immobilien und Unternehmensbeteiligungen

Bei großen Vermögenswerten wie Immobilien oder Unternehmensanteilen sollten mögliche Risiken (Wertminderung, Leerstand, laufende Kosten, Instandhaltungsbedarf) bereits frühzeitig bedacht und geregelt werden — etwa durch Vorgaben für den Erhalt der Substanz oder klar definierte Entscheidungsprozesse.

5. Frühzeitige Rechts- bzw. Notarberatung

Gerade bei komplexen Vermögensverhältnissen, mehreren Erben oder Pflichtteilsberechtigten empfiehlt sich die frühzeitige Einbindung eines auf Erbrecht spezialisierten Notars oder Rechtsanwalts — um rechtssichere, klare und konfliktresistente Regelungen zu schaffen.


Mögliche Risiken und Konfliktfelder — und wie man ihnen begegnet

Auch wenn das Urteil des OLG Frankfurt mehr Sicherheit schafft, verbleiben Risiken und Konfliktpotenziale:

  • Substanzgefährdung bei Immobilien: Wird der Testamentsvollstrecker zu nachlässig, kann der Wert des Nachlasses durch fehlende Instandhaltung erheblich sinken — zulässige Durchführungspflicht zur Substanzerhaltung besteht nur bei drohenden Nachteilen. Ordentliche Gerichtsbarkeit Hessen+1
  • Interessenkonflikte zwischen Nießbrauchnehmer und Erben bzw. Pflichtteilsberechtigten: Gerade bei lukrativen Mietobjekten, Unternehmensbeteiligungen oder Kapitalanlagen kann es zu Interessenkollisionen kommen — insbesondere bei Verwertung, Verkauf oder Umstrukturierung.
  • Fehlende Transparenz und Dokumentation: Ohne ordentliche Buchführung, Nachlassverzeichnisse oder klare Kommunikation drohen Misstrauen und Streit — insbesondere, wenn Erben keine Einsicht erhalten oder sich benachteiligt fühlen.
  • Haftung des Testamentsvollstreckers: Pflichtverletzungen können – ggf. Jahre später — erhebliche Haftungsrisiken nach sich ziehen.

Um solche Risiken zu minimieren, ist eine frühzeitige, umfassende und klar dokumentierte Planung unabdingbar — im Idealfall begleitet durch Experten.


Schlussbetrachtung

Die Entscheidung des OLG Frankfurt am Main (Beschluss 27.11.2025, Az. 21 W 93/25) stärkt das Vertrauen in bewährte erbrechtliche Gestaltungen: Die Kombination aus Nießbrauch und Testamentsvollstreckung durch den überlebenden Ehegatten bleibt grundsätzlich zulässig — eine Entlassung aus dem Amt erfordert eine konkrete grobe Pflichtverletzung. Für die Praxis bedeutet das: Erblasser genießen größere Freiheit bei der Nachlassgestaltung, Ehepartner und Erben erhalten mehr Rechtssicherheit, Pflichtteilsberechtigte sollten ihre Ansprüche aber sorgfältig prüfen.

Für eine rechts- und konfliktarme Nachfolgeplanung empfiehlt sich — besonders bei Immobilien oder größerem Vermögen — eine frühzeitige notarielle bzw. anwaltliche Beratung sowie eine klare, transparente Dokumentation der nachlassrechtlichen Konstruktion.

Wenn gewünscht, kann eine praxisorientierte Checkliste mit konkreten Handlungsschritten zur Gestaltung eines solchen Nießbrauch-/Testamentsvollstrecker-Modells erstellt werden.


Anhang A – Handlungsschritte

SchrittAktion
1Gemeinsames Testament oder Erbvertrag aufsetzen mit ausdrücklich gewollter Kombination von Nießbrauch + Testamentsvollstreckung.
2Nießbrauch klar definieren (Umfang, Gegenstände, Dauer, Rechte).
3Testamentsvollstreckung bestimmen — mit klarer Definition der Aufgaben, Rechte und Pflicht zur Verwaltung.
4Dokumentationspflicht sicherstellen: Nachlassverzeichnis, Buchführung, regelmäßige Übersicht über Vermögenswerte und Erträge.
5Im Falle von Immobilien oder Unternehmen: konservative Werterhaltung bzw. klare Erhaltungs- bzw. Verwertungsregeln aufnehmen.
6Bei Einbindung von Pflichtteilsberechtigten: Vermächtnisse, Pflichtteilsregelungen und Freigaben eindeutig regeln.
7Frühzeitig rechtliche Beratung einholen — Notar oder auf Erbrecht spezialisierter Anwalt.
8Kommunikation mit potenziellen Erben und Pflichtteilsberechtigten: Transparenz schaffen, Erwartungshaltungen klären.
9Nachlassverwaltung überwachen, regelmäßige Kontrolle der Verwaltung durch ggf. Beteiligte oder unabhängige Personen.
10Nachlassabwicklung und Auseinandersetzung unter Mitwirkung aller Beteiligten — rechtlich und dokumentarisch sauber.

Anhang B – Rechtliche Quellen & Fundstellen

Norm / Rechtliche GrundlageBedeutung
§§ 1922 ff., 1937 BGBUniversalsukzession, Erbeinsetzung, Testierfreiheit. Wikipedia+1
§§ 1030 ff. BGB (bzw. § 1089 BGB)Nießbrauchsrecht: Regelung dinglicher/ schuldrechtlicher Nießbrauch. Erbrechtsinfo.com+1
§§ 2205 ff., § 2214 ff., § 2227 BGBTestamentsvollstreckung, Rechte und Pflichten des Testamentsvollstreckers, Entlassung bei Pflichtverletzung. Wikipedia+2raklinger.de+2
Beschluss des OLG Frankfurt am Main, Az. 21 W 93/25 (27.11.2025)Unanfechtbare Entscheidung: Kombination Nießbrauch + Testamentsvollstreckung zulässig — Entlassung nur bei grober Pflichtverletzung. Recht und Politik+1

Anhang C – Wichtigste Praxisimplikationen

  • Die Entscheidung schafft mehr Rechtssicherheit für häufig praktizierte Nachlassgestaltungen (Nießbrauch + Testamentsvollstreckung).
  • Erblasser sollten bei dieser Gestaltung ausdrücklich Willen und Zweck dokumentieren — klare Formulierungen sind entscheidend.
  • Testamentsvollstreckung erfordert sorgfältige Dokumentation und Verwaltung — insbesondere bei Immobilien oder komplexem Vermögen.
  • Pflichtteilsberechtigte müssen verstehen, dass Einsprüche gegen die Person des Testamentsvollstreckers ohne konkrete Pflichtverletzung kaum Aussicht auf Erfolg haben.
  • Frühzeitige professionelle Beratung minimiert Risiken und sichert Interessen von Erblasser, Nießbrauchnehmer und Erben gleichermaßen.

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