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  • Henning Krischke
  • 9. Dezember 2025

Steuerpflicht deutscher Rentner im Ausland: Wie das BFH-Urteil vom 03.09.2025 die Ruhestandsmigration in Europa neu ordnet

  • 5 Min. Lesezeit
  • Absichern & Vorsorgen,Recht & Steuern
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Steuerpflicht deutscher Rentner im Ausland: Wie das BFH-Urteil vom 03.09.2025 die Ruhestandsmigration in Europa neu ordnet

Ein Urteil als Wendepunkt der internationalen Ruhestandsplanung

Das Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 3. September 2025 (Az. X R 1/24) markiert einen Wendepunkt für die steuerliche Behandlung deutscher Rentner mit Wohnsitz im Ausland. In dem Verfahren bestätigte der BFH eine Steuernachforderung von 77.456 Euro gegen einen in Portugal ansässigen Ruheständler, obwohl dieser dort aufgrund des steuerlichen Sonderstatus „Residente Não Habitual“ (RNH) vollständig steuerfrei geblieben wäre. Kern der Entscheidung ist die konsequente Anwendung der sogenannten Rückfallklausel (subject-to-tax rule) im Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland–Portugal.

Die Bedeutung des Urteils reicht weit über den Einzelfall hinaus. Betroffen sind sämtliche Rentner, die ihre Alterseinkünfte in Staaten beziehen, die Renten steuerlich privilegieren oder formal ganz steuerfrei stellen. Für Finanz- und Nachfolgeplaner bedeutet dies: Die internationale Ruhestandsmigration wird komplexer, risikobehafteter und beratungsintensiver. Fehlannahmen über vermeintliche Steuerfreiheit im Ausland führen schneller zu erheblichen Nachzahlungen – nicht selten im fünfstelligen Bereich.

Das Urteil zeigt exemplarisch die Dynamik einer globalisierten Ruhestandsplanung, bei der steuerliche Anreize, DBA-Regelungen, Binnenmarkt-Freizügigkeit und nationale Sonderregime zunehmend kollidieren. Finanzplaner müssen künftig stärker juristisch denken, steuerliche Risikoszenarien quantifizieren und Mandanten frühzeitig vor Fehlannahmen schützen.


Rechtsrahmen 2024/2025 – Warum Rückfallklauseln zur Steuerfalle werden

Mechanismus der Rückfallklausel

In vielen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) enthält der Methodenartikel eine Rückfallklausel. Diese besagt vereinfacht:

„Besteuert der Ansässigkeitsstaat (Wohnsitzstaat) bestimmte Einkünfte nicht, obwohl ihm das Besteuerungsrecht zugewiesen ist, fällt das Besteuerungsrecht an den Quellenstaat (Deutschland) zurück.“

Dies betrifft häufig:

  • gesetzliche Renten
  • Leistungen aus Versorgungswerken
  • private Rentenversicherungen
  • Kapitalabfindungen aus Altersvorsorgeprodukten
  • mehrjährige Nachzahlungen

Damit ist klar: Nicht die Steuerfreiheit entscheidet – sondern ob der Wohnsitzstaat tatsächlich besteuert.

Staaten mit Sonderregimen: warum sie problematisch sind

Mehrere europäische Staaten bieten steuerliche Sonderregime. Beispiele:

StaatRegimeWirkung
PortugalRNHhäufig steuerfrei
Italien7-%-Regimepauschale Niedrigbesteuerung
ZypernFlat Tax 5 %leichte Belastung
MaltaResidents ProgrammeMinimalbesteuerung
Spanienteils hohe Freibeträgereduzierte Belastung

In sämtlichen Fällen kann die Rückfallklausel greifen, wenn der Staat keine Besteuerung der konkreten Rentenart vornimmt.

Rechtsstand 2024/2025: Verschärfung durch BFH und Verwaltung

Seit 2020 verstärken sowohl Finanzverwaltung als auch Gerichte ihre Kontrolle:

  • tatsächliche Besteuerung wird streng geprüft
  • Sonderregime gelten nicht als Schutz
  • Nichtbesteuerung → automatischer Rückfall
  • beschränkte Steuerpflicht ohne Freibeträge und Abzugsmöglichkeiten

Das Urteil X R 1/24 gilt als klarster Hinweis auf diese Linie.


Europäische Ruhestandsmigration – Wie sich das Urteil auf beliebte Auswanderungsziele auswirkt

Portugal – Das Ende der steuerfreien Rente

Das BFH-Urteil zeigt: Die portugiesische Steuerfreiheit schützt nicht vor deutscher Besteuerung. Für Planer relevant sind:

  • fehlende Freibeträge in Deutschland
  • hohe Nachzahlungen bei Kapitalleistungen
  • Meldepflicht beim Finanzamt Nürnberg
  • Risiko rückwirkender Besteuerung

Spanien – Benigne, aber nicht risikofrei

Spanien besteuert Renten, aber:

  • Kapitalabfindungen werden oft nur teilweise besteuert
  • Ertragsanteilsmodelle führen zu DBA-Abgrenzungsproblemen
  • ggf. Rückfall nach Deutschland bei Hybridprodukten

Zypern – Flat Tax mit Nebenwirkungen

Die 5-%-Flat-Tax ist attraktiv, aber:

  • unklar, ob sie als „tatsächliche Besteuerung“ gilt
  • Rückfall möglich bei fondsgebundenen oder gemischten Produkten

Italien – Pauschalbesteuerung und ihre Grenzen

Das 7-%-Regime wirkt stabil, doch:

  • Kapitalleistungen fallen nicht immer darunter
  • ungeklärte DBA-Zuordnung führt zu Rückfallrisiken

Malta – komplexe remittance-based Taxation

Keine Besteuerung ohne Zufluss nach Malta → Rückfallklausel kann Deutschland aktivieren.


Praxisfälle – Typische Risikoszenarien für die Finanzplanung

Fall 1: Die steuerfreie Rente in Portugal (BFH-Typus)

Ein Ingenieur erhält 150.000 € Nachzahlung aus einem Versorgungswerk und private Rentenleistungen. Portugal besteuert nicht. Deutschland besteuert zu 100 % aufgrund der Rückfallklausel.

Steuerlast-Beispiel:
150.000 € × 38 % = 57.000 € + SolZ.

Fall 2: Kapitalabfindung in Spanien

Kapitalabfindung 200.000 €, Spanien besteuert nur den Ertragsanteil. Deutschland kann prüfen, ob der DBA-Artikel erfüllt wurde. Rückfall möglich.

Fall 3: Zypern – 5 % sind nicht immer ausreichend

Fondsgestützte Renten könnten als „nicht tatsächlich besteuert“ gelten.

Fall 4: Italien – Pauschalregime und Rürup-Kollision

7-%-Regime schützt nicht, wenn Kapitalleistungen außerhalb des Regimes liegen.

Fall 5: Malta – keine remittance, keine Steuer

Wird die Leistung nicht nach Malta überwiesen, erfolgt keine Besteuerung → Rückfallklausel greift.


Steuerliche, finanzielle und organisatorische Auswirkungen für Finanzplaner

Notwendigkeit eines neuen Beratungsstandards

Finanzplaner müssen künftig prüfen:

  • Einkunftsart der Alterseinkünfte
  • DBA-Zuordnung
  • tatsächliche Besteuerung im Wohnsitzstaat
  • Auswirkungen von Sonderregimen
  • Nachzahlungsrisiken

Dokumentations- und Meldepflichten

  • Auslandsrentner-Finanzamt Nürnberg
  • CRS- und DAC-7-Datenmeldungen
  • steuerliche Identifikationsnummern beider Staaten
  • Meldepflichten bei Kapitalleistungen

Cashflow-Planung

Beispiel:
300.000 € Kapitalleistung × 34 % Durchschnittssteuersatz = 102.000 € Steuerlast.

Liquiditätsreserven sind zwingend.

Gestaltungsmöglichkeiten

  • Auszahlungszeitpunkt steuern
  • Splittung von Kapitalleistungen
  • mehrere Kalenderjahre nutzen
  • Wohnsitzstaat nach tatsächlicher Rentenbesteuerung wählen

Haftungsrisiken

Unterlassene Hinweise auf Rückfallklauseln können als Beratungsfehler gelten.


Schlussbetrachtung – Die neue Realität der europäischen Ruhestandsmigration

Das Urteil verdeutlicht: Sonderregime im Ausland erzeugen keine Sicherheit. Entscheidend ist allein die tatsächliche Besteuerung. Für Finanzplaner entsteht eine neue Verantwortung, Mandanten vor Fehleinschätzungen zu schützen und internationale Steuerfolgen systematisch zu prüfen.


ANHANG A – Handlungsschritte für Finanz- und Nachfolgeplaner

Nr.HandlungsschrittZweck
1Erfassung aller Renten- und VorsorgeverträgeDBA-Zuordnung
2Analyse der tatsächlichen Besteuerung im ZielstaatRückfall vermeiden
3Prüfung von SonderregimenRisikoanalyse
4Simulation deutscher SteuerlastLiquidität sichern
5Bewertung von Nachzahlungen und KapitalabfindungenBelastungskontrolle
6Cashflow-PlanungSteuerzahlungen absichern
7Abstimmung mit Beratern beider StaatenRechtssicherheit
8Prüfung auf MeldetatbeständeCompliance
9DokumentationHaftungsschutz
10jährliches UpdateRisikoprävention

ANHANG B – Wichtige rechtliche Quellen 2024/2025

RechtsquelleRelevanz
BFH X R 1/24Rückfallklausel
DBA Deutschland–PortugalRentenbesteuerung
EStG § 49, § 1 Abs. 4beschränkte Steuerpflicht
OECD-MA Art. 18, 21Musterregelungen
DAC-7 / CRSInformationsaustausch
Steuerrechte PT, ES, IT, CY, MTtatsächliche Besteuerung

ANHANG C – Zentrale Praxisimplikationen

ThemaKonsequenz
RückfallklauselDeutschland besteuert bei Nichtbesteuerung
Kapitalleistungenhäufige Fehlerquelle
Nachzahlungenhohe Einmalbelastungen
Liquiditätzentrale Planungsgröße
Dokumentationhaftungsrelevant
WohnsitzwahlStaaten mit tatsächlicher Besteuerung bevorzugt
Beratungsstandardshöherer Anspruch an DBA-Kenntnisse

Leitsatz

Renten bleiben nicht deshalb steuerfrei, weil der Wohnsitzstaat nicht besteuert – das BFH-Urteil von 2025 zeigt, dass die Rückfallklausel deutsche Auswanderer in die volle Steuerpflicht zurückholt und damit die gesamte Ruhestandsmigration steuerlich neu ordnet.

AuslandRentnerRuhestandSteuerpflicht

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