
Die Übergabe eines Unternehmens ist mehr als eine steuerliche Optimierungsaufgabe oder die Gestaltung eines Kaufvertrags. Sie ist ein Balanceakt zwischen Emotionen, Macht, Verantwortung und Zukunftsplanung. Immer noch scheitern laut Studien fast 50 % aller Nachfolgeprozesse in Deutschland nicht an steuerlichen Hürden, sondern an menschlichen Faktoren: Misstrauen, fehlende Kommunikation, unklare Rollen.
Wer Unternehmensnachfolge professionell begleitet, muss deshalb mehr leisten als Zahlen präsentieren. Gefragt ist die Fähigkeit, Geschichten zu erzählen, die Vertrauen schaffen und den Unternehmern und ihren Familien Orientierung geben.
Emotionen als Schlüssel in der Nachfolgeplanung
Zahlen reichen nicht aus
Bilanzen, Ertragsprognosen und Steuerberechnungen sind unverzichtbar – doch sie überzeugen meist nur den Kopf, nicht das Herz. Ein Unternehmer, der sein Lebenswerk in andere Hände legt, fragt sich nicht zuerst: Wie viel Erbschaftsteuer fällt an? Er fragt sich: Wird mein Unternehmen weiterleben? Wird meine Familie den Frieden bewahren?
Fehlt diese emotionale Dimension, werden Beratungsprozesse oft blockiert. Typisch ist die Situation, in der ein Mandant nach einer 90-minütigen Präsentation mit Folien voller Steuerdiagramme lediglich sagt: „Das muss ich mir noch überlegen.“ Hier fehlen nicht Fakten – hier fehlt das Gefühl, verstanden zu sein.
Geschichten schaffen Verbindung
Geschichten sind Brücken. Ein Beispiel:
Ein Berater erzählte einem Unternehmer nicht in Zahlen, wie hoch die Steuerbelastung ohne Planung wäre, sondern in Bildern: „Wenn wir nichts regeln, wird Ihre Tochter im schlimmsten Fall gezwungen sein, Anteile zu verkaufen – an Menschen, die Ihr Lebenswerk nicht kennen.“ Dieses Bild löste Betroffenheit aus – und den Entschluss, sofort zu handeln.
Neurowissenschaftlich ist belegt: Während Fakten nur das Sprachzentrum im Gehirn aktivieren, lösen Geschichten emotionale Reaktionen aus – Erinnerungen, Empathie, sogar körperliche Reaktionen. Genau diese Resonanz ist nötig, um Unternehmer in Bewegung zu bringen.
Der Aufbau einer guten Nachfolge-Geschichte
Der Held: der Unternehmer
Jede gute Nachfolge-Geschichte hat einen klaren Protagonisten – den Unternehmer selbst. Er ist derjenige, der über Jahrzehnte Risiken getragen, Märkte erobert und Krisen gemeistert hat. Jetzt steht er vor der vielleicht schwierigsten Aufgabe: loszulassen.
Eine erfolgreiche Geschichte beginnt damit, seine Sorgen und Hoffnungen sichtbar zu machen. Nicht abstrakt, sondern konkret: „Ich habe Angst, dass meine Kinder sich zerstreiten.“ „Ich weiß nicht, ob mein Sohn die Verantwortung tragen will.“ „Ich möchte nicht, dass mein Lebenswerk zerschlagen wird.“
Die Herausforderung: Loslassen und Vertrauen
Das Loslassen ist oft schwerer als jede Vertragsgestaltung. Viele Unternehmer definieren ihre Identität über ihr Unternehmen. Ohne aktive Rolle droht ein Vakuum. Deshalb muss die Nachfolgegeschichte auch den Weg ins neue Leben erzählen – wie der Unternehmer nach der Übergabe weiterhin Sinn und Anerkennung findet.
Hier können Berater Brücken bauen: Ehrenämter, Beiratsfunktionen, Familienprojekte. Ein Unternehmer, der weiß, dass er nicht ins „Nichts“ fällt, ist eher bereit, Verantwortung abzugeben.
Der Berater als Guide
Im Storytelling ist der Held nie allein – er braucht einen Guide. In der Nachfolge ist das der Finanz- und Nachfolgeplaner. Seine Rolle: Orientierung geben, Risiken aufzeigen, Optionen strukturieren. Aber auch: zuhören, Unsicherheiten ernst nehmen und Lösungen in einer verständlichen Sprache präsentieren.
Der Berater darf nicht als Verkäufer auftreten, sondern als Wegbegleiter. Wer sagt: „Ich habe schon viele Familien durch diesen Prozess geführt, und jedes Mal war es ein schwerer Schritt – aber am Ende ein befreiender,“ gibt dem Unternehmer Halt.
Die Lösung: Struktur und Herz
Die „Auflösung“ der Geschichte ist die konkrete Nachfolgeregelung. Hier kommen Fachinstrumente ins Spiel: Gesellschaftsrecht, Erbrecht, Steueroptimierung, Finanzierungslösungen. Doch entscheidend ist, dass diese Instrumente eingebettet werden – nicht als abstrakte Modelle, sondern als Antworten auf die zuvor benannten Ängste.
Beispiel: „Damit Ihre Tochter nicht verkaufen muss, nutzen wir eine Familiengesellschaft. So sichern wir den Fortbestand und geben Ihnen zugleich die Möglichkeit, schrittweise loszulassen.“
Zahlen, die bewegen – nicht erschlagen
Weniger ist mehr
Eine Flut von Zahlen überfordert. Was wirkt, sind wenige, aber sprechende Kennzahlen. Etwa:
- „Ohne Regelung droht eine Steuerlast von 3,2 Mio. Euro.“
- „Mit der geplanten Struktur sparen Sie nicht nur Steuern, sondern sichern 45 Arbeitsplätze.“
Bilder im Kopf erzeugen
Starke Zahlen erzeugen Bilder. „Arbeiten bis 80“ oder „45 Arbeitsplätze in Gefahr“ sind mehr als Rechenwerte – sie sind Geschichten in sich. Diese Bilder bleiben haften und führen zu Handlungen.
Praxis: So gelingt die Umsetzung
Zuhören statt präsentieren
Der erste Schritt jeder Nachfolgeberatung: Fragen stellen. „Was ist Ihnen wirklich wichtig?“ „Welche Rolle soll Ihre Familie nach der Übergabe spielen?“ Solche Fragen öffnen Gespräche, die tiefer gehen als jede Excel-Tabelle.
Fallbeispiele nutzen
Ein Unternehmer, der frühzeitig eine Familien-KG gründete, sparte nicht nur Millionen an Erbschaftsteuer, sondern verhinderte auch Streit unter seinen Kindern. Dieses Beispiel erzählt mehr als zehn Folien.
Übung macht den Meister
Berater sollten ihre Geschichten trainieren – mit Kollegen, Familie oder Mentoren. Die Reaktion der Zuhörer ist der beste Indikator, ob eine Geschichte wirkt.
Handlungstabelle für Finanz- und Nachfolgeplaner
Handlungsschritt | Ziel | Praxisimplikation |
---|---|---|
Gespräch eröffnen mit offenen Fragen | Vertrauen aufbauen | Unternehmer fühlt sich verstanden |
Sorgen in konkrete Bilder übersetzen | Emotionale Resonanz | Unternehmer erkennt die Dringlichkeit |
Fallgeschichten einsetzen | Orientierung geben | Unternehmer sieht Lösungen aus der Praxis |
Juristische und steuerliche Modelle einbetten | Fachliche Klarheit schaffen | Unternehmer erlebt Sicherheit und Struktur |
Unternehmerrolle nach Übergabe gestalten | Loslassen erleichtern | Unternehmer findet neuen Lebenssinn |
Fazit: Nachfolge braucht Kopf und Herz
Die Unternehmensnachfolge ist einer der sensibelsten Prozesse in der Finanz- und Vermögensplanung. Sie verlangt steuerliche Expertise, rechtliche Präzision und betriebswirtschaftliches Denken. Aber vor allem verlangt sie Empathie, Kommunikation und Storytelling.
Denn nur, wenn Beratung Herz und Struktur vereint, wird aus einem komplexen Prozess eine erfolgreiche Geschichte – für Unternehmer, Familie und Unternehmen gleichermaßen.
Leitsatz: Nachfolge gelingt, wenn Beratung Herz und Struktur vereint.