Wenn persönliche Nähe zur Haftungsfalle wird: Lehren aus dem Fall Eike Immel
Der Fall Eike Immel hat für Schlagzeilen gesorgt – nicht wegen sportlicher Leistungen, sondern aufgrund strafrechtlich relevanter Finanzpraktiken. Über Jahre hinweg nahm der ehemalige Nationaltorwart hohe Summen von Freunden, Bekannten und Unterstützern entgegen, ohne diese in der zugesagten Weise zurückzuzahlen. Die Justiz erkannte in dem Verhalten systematischen Betrug – das Urteil: mehr als zwei Jahre Haft ohne Bewährung.
Doch abseits der medialen Empörung wirft der Fall grundsätzliche Fragen auf, die für Finanz- und Nachfolgeplaner von zentraler Bedeutung sind:
Wie kann es zu solchem Vertrauensmissbrauch kommen? Welche Rolle spielt die emotionale Nähe? Und wie lassen sich derartige Risiken frühzeitig erkennen und professionell begleiten?
1. Der Fall Immel: Nähe statt Kontrolle
Die Anklagepunkte gegen Eike Immel umfassten 107 Fälle gewerbsmäßigen Betrugs. Die Summe: mehrere Hunderttausend Euro. Das Muster: persönliche Ansprache, oft unter Berufung auf frühere Bekanntschaft, gegenseitiges Vertrauen oder wirtschaftliche Notlagen.
Entscheidend ist: Viele der Geschädigten verzichteten auf Verträge, dokumentierten keine Zahlungsflüsse und glaubten an die persönliche Integrität der Person – unabhängig von objektiven Hinweisen auf finanzielle Überforderung oder vorherige Zahlungsprobleme.
Solche Konstellationen sind in der Finanz- und Nachfolgeplanung nicht selten. Sie treten insbesondere auf, wenn:
- prominente Personen mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert sind,
- familiäre oder freundschaftliche Beziehungen mit wirtschaftlichen Interessen verwoben werden,
- keine klare Trennung zwischen Privatem und Geschäftlichem stattfindet.
2. Typische Risikokonstellationen in der Beratungspraxis
Professionelle Planer beobachten ähnliche Muster in verschiedensten Kontexten:
a) Darlehen unter Bekannten
Ein vermögender Mandant leiht einem langjährigen Freund Geld zur Rettung eines Unternehmens – ohne schriftliche Vereinbarung, oft mit dem Satz: „Wir kennen uns doch.“
b) Beteiligungen ohne Due Diligence
Ein Schwager „steigt mit ein“ in ein Immobilienprojekt. Es gibt keine Geschäftsordnung, keine Bewertung, keine Absicherung – nur Vertrauen und das Versprechen auf spätere Gewinnbeteiligung.
c) Testamentsverfügungen ohne Rücksprache
Ein Erblasser setzt einen alten Freund als Erben ein, weil „er sich immer gekümmert hat“ – und übergeht damit systematisch familiäre Rechte oder Pflichtteilsansprüche. Konflikte vorprogrammiert.
d) Unklare Vollmachten im Alter
Ein ehemaliger Manager erteilt seiner Pflegerin eine Generalvollmacht über seine Konten. Angehörige reagieren oft erst spät – wenn Vermögen bereits abgeflossen ist.
e) Liquidität aus “alten Zeiten”
Prominente, Unternehmer oder Erben werden häufig um Hilfe gebeten, weil sie als liquide und erfolgreich gelten – ungeachtet aktueller Verbindlichkeiten oder Verpflichtungen.
3. Professionelle Beratung als Strukturgeber in Vertrauensfragen
Gerade wenn Vertrauen im Spiel ist, ist Struktur der beste Schutz – für beide Seiten. Finanz- und Nachfolgeplaner übernehmen dabei eine doppelte Funktion:
- Sensibilisierung für mögliche Fallstricke emotional geprägter Entscheidungen.
- Strukturierung von Vermögensflüssen, Vollmachten, Verträgen und Beteiligungen.
Im Zentrum steht die Dokumentation – nicht als Misstrauen, sondern als Instrument nachhaltiger Klarheit. Ein gut strukturierter Darlehensvertrag etwa schützt nicht nur den Darlehensgeber, sondern auch den Darlehensnehmer vor unrealistischen Erwartungen.
Berater mit Erfahrung in familiär-emotionalen Kontexten nutzen dabei gezielt Instrumente wie:
- Vertrauensschutzklauseln,
- Güterstandsschaukeln und Nießbrauchregelungen,
- Treuhandmodelle und Kontrollmechanismen,
- Schuldanerkenntnisse mit Rückzahlungsmodalitäten.
4. Compliance und Meldepflichten im Auge behalten
In vielen Fällen wird übersehen, dass persönliche Geldflüsse auch steuerliche und aufsichtsrechtliche Relevanz haben können:
- Meldung nach § 138 AO (unentgeltliche Übertragungen ab 50.000 €),
- Schenkungssteuerpflicht bei unklarer Gegenleistung,
- Zivilrechtliche Rückforderungsansprüche bei Irrtum oder Täuschung,
- Geldwäscheprävention, wenn Mittel aus intransparenten Quellen stammen.
Berater tragen hier eine hohe Mitverantwortung – auch im Hinblick auf eigene Dokumentationspflichten und Hinweisobliegenheiten.
5. Haltung zeigen: Klarheit ist Fürsorge
Eine professionelle Finanz- und Nachfolgeplanung zeigt Haltung. Sie sucht nicht nach der schnellsten Lösung, sondern nach der nachhaltigsten – und das bedeutet oft: unbequeme Fragen zu stellen. Wer als Berater nicht nur Produkte, sondern Verantwortung vermittelt, schützt Mandanten vor sich selbst – und vor destruktivem Umfeld.
Oder wie eine geschädigte Bekannte im Fall Immel es ausdrückte:
👉 „Ich habe ihm geglaubt – nicht wegen Zahlen, sondern weil er früher für uns gehalten hat.“
🗣️ Aussage aus dem Prozessumfeld
Fazit
Der Fall Eike Immel ist kein Einzelfall, sondern ein Symbol für ein verbreitetes Phänomen: Wenn persönliche Nähe wirtschaftliche Strukturen ersetzt, entstehen Risiken, die existenziell sein können. Finanz- und Nachfolgeplaner sind in der Pflicht, diese Risiken frühzeitig zu erkennen – und Klarheit zu schaffen, wo Vertrauen nicht ausreicht.
🔑 Vertrauen ist keine Garantie – sondern ein Auftrag zur Klarheit.