
Das zum 1. Juli 2023 reformierte Stiftungsrecht bringt zahlreiche Neuerungen mit sich, insbesondere in Bezug auf das Stiftungsvermögen. Neben dem Grundstockvermögen wurde das sonstige Vermögen erstmalig im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankert. Dieser Blogbeitrag beleuchtet die wesentlichen Eckpunkte des sonstigen Vermögens und zeigt praxisnahe Gestaltungsmöglichkeiten auf, die für Finanz- und Nachfolgeplaner relevant sind.
Definition und Abgrenzung: Was ist sonstiges Vermögen?
Gemäß § 83b Abs. 1 BGB gehört zum sonstigen Vermögen alles, was nicht explizit dem Grundstockvermögen zugeordnet ist. Dazu zählen unter anderem:
- Vermögen von Verbrauchsstiftungen,
- Zuwendungen, die keine Zustiftungen sind,
- Umschichtungsrücklagen,
- Vermögenserträge.
Während das Grundstockvermögen dem Erhaltungsgebot unterliegt, ist das sonstige Vermögen flexibler einsetzbar und primär für die Stiftungszwecke zu verwenden. Dabei unterscheidet man zwischen zeitnah zu verwendendem Vermögen (z. B. Vermögenserträge) und Vermögen, das langfristig verzehrt werden kann (z. B. Verbrauchsvermögen).
Praxisbeispiel: Eine Stiftung besitzt ein Grundstockvermögen von zwei Millionen EUR sowie ein weiteres, zum Verbrauch bestimmtes sonstiges Vermögen in Höhe von zwei Millionen EUR. Der Vorstand nutzt 750.000 EUR aus dem sonstigen Vermögen, um ein neues Forschungsprojekt im Bereich der Krebsforschung anzuschieben. Dies verdeutlicht, wie das sonstige Vermögen genutzt werden kann, um zeitnah Projekte umzusetzen, ohne das Grundstockvermögen anzugreifen.
Zusatzinformation: Spender, die Zuwendungen in das sonstige Vermögen leisten, profitieren nicht von steuerlichen Vorteilen wie dem Sonderausgabenabzug nach § 10b Abs. 1a EStG. Diese Vorteile gelten ausschließlich für Zustiftungen ins Grundstockvermögen. Zustiftungen ins Grundstockvermögen können beispielsweise genutzt werden, um langfristige Projekte wie den Bau eines neuen Forschungszentrums abzusichern.
Hybridstiftungen: Gestaltungsräume effektiv nutzen
Mit der gesetzlichen Anerkennung von Hybridstiftungen (§ 83b Abs. 2 BGB) ergeben sich für Stifter zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten. Diese Stiftungsform kombiniert Grundstockvermögen mit einem zum Verbrauch bestimmten Vermögen, wodurch finanzielle Flexibilität geschaffen wird. Dies ist insbesondere in Zeiten schwankender Finanzmärkte von Vorteil, da niedrige Erträge durch verbrauchbares Vermögen ausgeglichen werden können.
Praxisbeispiel: Ein Stifter legt fest, dass aus dem verbrauchbaren Vermögen jährlich fehlende Mittel kompensiert werden, wenn die Erträge aus dem Grundstockvermögen sowie Spenden nicht ausreichen, um 150.000 EUR jährlich für die Stiftungszwecke bereitzustellen. Solche Regelungen helfen, finanzielle Engpässe flexibel zu überbrücken.
Ergänzung: Hybridstiftungen ermöglichen darüber hinaus, spezifische Projekte gezielt zu finanzieren. Beispielsweise können innovative Vorhaben wie der Aufbau eines digitalen Stiftungsportals oder die Unterstützung junger Wissenschaftler schnell und effektiv realisiert werden. Auch könnten Stiftungen ihre sozialen Ziele wie die Errichtung eines Stipendienprogramms langfristig absichern.
Verbrauchsstiftungen: Flexibilität und klare Regeln
Bei Verbrauchsstiftungen besteht das gesamte Vermögen aus sonstigem Vermögen. Die Laufzeit ist begrenzt, und die Stiftungssatzung muss sicherstellen, dass der Stiftungszweck während der gesamten Laufzeit nachhaltig erfüllt wird. Diese Form eignet sich für Projekte mit klar definiertem Zeithorizont.
Praxisbeispiel: Eine Verbrauchsstiftung mit einer Laufzeit von 20 Jahren regelt in der Satzung, dass jährlich bis zu fünf Prozent des Vermögens für Stiftungszwecke verwendet werden dürfen. Nicht ausgeschöpfte Beträge können in den Folgejahren genutzt werden. Solche Regelungen bieten Planungssicherheit und stellen sicher, dass die Mittel optimal genutzt werden.
Praktische Anwendung: Besonders geeignet ist diese Stiftungsform für Projekte wie den Aufbau regionaler Bildungsprogramme oder die zeitlich begrenzte Unterstützung von Kunst- und Kulturinitiativen. Eine klare Planung ermöglicht es, die Mittel zielgerichtet einzusetzen. Verbrauchsstiftungen können zudem gezielt auf aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen reagieren, wie die Unterstützung von Flüchtlingsprogrammen oder Umweltprojekten.
Umschichtungen: Neue Möglichkeiten für Stiftungen
Die Verwendung von Umschichtungsgewinnen aus dem Grundstockvermögen für die Stiftungszwecke ist nun bundeseinheitlich geregelt (§ 83c Abs. 1 S. 3 BGB). Voraussetzung ist, dass die Satzung dies erlaubt und die Erhaltung des Grundstockvermögens gewährleistet bleibt. Zur Sicherstellung der Vermögenserhaltung wird die Bildung einer Umschichtungsrücklage empfohlen.
Praxis-Tipp: Durch eine klare Satzungsregelung können Umschichtungsgewinne gezielt für Projekte eingesetzt werden, ohne das Grundstockvermögen zu gefährden. So könnte eine Stiftung die Umschichtungsgewinne nutzen, um unvorhergesehene Ausgaben wie die Sanierung von Immobilien oder die Digitalisierung interner Prozesse zu finanzieren.
Ergänzung: Um die langfristige Erhaltung des Vermögens zu sichern, sollten Stiftungen eng mit Finanzplanern und Steuerberatern zusammenarbeiten. Regelmäßige Überprüfungen der Anlagestrategie tragen dazu bei, dass Umschichtungsgewinne nachhaltig genutzt werden. Ein Beispiel wäre die Investition in nachhaltige Finanzprodukte, die sowohl Ertrag als auch gesellschaftlichen Nutzen bringen.
Checkliste für die Beratung von Stiftungen
Schritt | Beschreibung | Rechtliche Grundlage |
---|---|---|
1. Grundstock- und sonstiges Vermögen definieren | Identifizieren und abgrenzen, welche Vermögensteile zum Grundstock- und welche zum sonstigen Vermögen gehören. | § 83b Abs. 1 BGB |
2. Satzungsgestaltung prüfen | Prüfen, ob klare Regelungen zur Verwendung des sonstigen Vermögens bestehen (z. B. Verbrauchspläne, Umschichtungsrücklagen). | § 81 Abs. 2 Nr. 2 BGB |
3. Hybridmodelle nutzen | Hybridstiftungen einsetzen, um finanzielle Flexibilität zu erhöhen und auf Marktschwankungen zu reagieren. | § 83b Abs. 2 BGB |
4. Umschichtungsgewinne einplanen | Umschichtungsrücklagen einrichten und in der Satzung festlegen, wie Gewinne genutzt werden dürfen. | § 83c Abs. 1 S. 3 BGB |
5. Verbrauchsstiftungen beraten | Klären, ob die Gründung einer Verbrauchsstiftung sinnvoll ist und wie der Stiftungszweck nachhaltig erfüllt werden kann. | § 80 Abs. 1 S. 2 BGB |
6. Steuerliche Aspekte berücksichtigen | Prüfen, welche steuerlichen Vorteile für Zustiftungen ins Grundstockvermögen gelten und wie sich Zuwendungen ins sonstige Vermögen auswirken. | § 10b Abs. 1a EStG |
Das neue Stiftungsrecht bietet umfangreiche Gestaltungsmöglichkeiten, um das Stiftungsvermögen zielgerichtet und flexibel einzusetzen. Finanz- und Nachfolgeplaner spielen hierbei eine zentrale Rolle, indem sie ihre Mandanten kompetent zu den neuen Regelungen beraten und praktische Lösungen entwickeln. Zukünftig könnte die Weiterentwicklung digitaler Tools und Plattformen, die die Verwaltung und Planung von Stiftungsvermögen erleichtern, eine noch wichtigere Rolle spielen.