Der digitale Nachlass gewinnt in der Finanz- und Nachfolgeplanung immer mehr an Bedeutung. In einer zunehmend digitalisierten Welt ist es unverzichtbar, dass Finanz- und Nachfolgeplaner neben klassischen Vermögenswerten auch digitale Daten und Vermögenswerte ihrer Mandanten berücksichtigen. Diese umfassen unter anderem Konten bei sozialen Netzwerken, Cloud-Dienste, Kryptowährungen, Online-Verträge und E-Mails. Die unkontrollierte Hinterlassenschaft dieser Daten kann zu rechtlichen und praktischen Problemen führen, die es frühzeitig zu vermeiden gilt.
Rechtliche Grundlagen des digitalen Nachlasses
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Jahr 2018 ein wichtiges Urteil zum digitalen Nachlass gefällt. Es besagt, dass digitale Daten, ähnlich wie physische Gegenstände, vererbbar sind und den Erben zustehen. Dies schließt sowohl Inhalte sozialer Netzwerke als auch andere digitale Vermögenswerte wie Cloud-Daten oder Konten bei Zahlungsdienstleistern ein. Besonders relevant ist dies bei Fällen wie dem bekannten „Facebook-Urteil“, bei dem Eltern eines verstorbenen Mädchens den Zugang zu deren Facebook-Konto erlangen wollten. Der BGH entschied zugunsten der Eltern und stellte klar, dass die Nutzungsrechte solcher Konten Teil des Erbes sind, sofern keine anderweitigen Regelungen getroffen wurden.
Wichtige Überlegungen in der Praxis
Finanz- und Nachfolgeplaner stehen vor der Herausforderung, den digitalen Nachlass ihrer Mandanten systematisch zu erfassen und sicherzustellen, dass dieser geordnet vererbt werden kann. Hierbei sind vorwiegend folgende Punkte entscheidend:
- Dokumentation aller digitalen Assets: Es ist unerlässlich, dass Mandanten alle ihre digitalen Konten, Vermögenswerte und Datenbestände erfassen und für die Nachfolgeplanung dokumentieren. Hierzu gehören nicht nur soziale Netzwerke, sondern auch Online-Banking-Konten, Kryptogeldbörsen und digitale Kaufverträge (z.B. bei Amazon oder PayPal).
- Regelung im Testament: Mandanten sollten im Testament klar festlegen, wer nach ihrem Tod Zugriff auf ihre digitalen Daten und Konten erhalten soll. Zudem ist es sinnvoll, konkrete Anweisungen zu hinterlassen, wie mit den verschiedenen Daten umzugehen ist – beispielsweise ob bestimmte Konten gelöscht oder archiviert werden sollen.
- Vorsorgevollmacht für digitale Vermögenswerte: Da der Zugriff auf digitale Konten oft von Passwörtern oder spezifischen Nutzungsvereinbarungen abhängt, ist es ratsam, eine separate Vorsorgevollmacht für digitale Vermögenswerte zu erstellen. Diese erlaubt es einer bevollmächtigten Person, im Ernstfall auf alle relevanten Daten zuzugreifen und sie zu verwalten.
- Kryptowährungen: Bei Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum stellt sich eine besondere Herausforderung. Diese sind ohne die entsprechenden Zugangsschlüssel unwiederbringlich verloren. Daher müssen Mandanten sicherstellen, dass die Zugangsdaten sicher verwahrt werden und für Erben zugänglich sind. Die Verschlüsselung solcher Daten sowie der Zugang über spezielle Wallets muss in der Nachfolgeplanung berücksichtigt werden.
- Cloud-Daten und Abonnements: Viele Mandanten speichern große Mengen an Daten in Clouds oder haben Abonnements für Dienste wie Netflix oder Spotify. Diese Daten können nach dem Tod ebenfalls vererbt werden, sofern der Erblasser entsprechende Anweisungen hinterlässt. Es empfiehlt sich, auch diese Daten explizit in der Nachlassplanung zu berücksichtigen und zu dokumentieren, welche Zugänge die Erben erhalten sollen.
Internationale Herausforderungen und rechtliche Unterschiede
Die Nutzung internationaler Dienste, wie Google oder Apple, führt zu weiteren Herausforderungen in der Nachfolgeplanung. Diese Anbieter haben oft spezifische Regeln, die sich von nationalen Rechtsprechungen unterscheiden. So kann es schwierig sein, auf Konten zuzugreifen, die außerhalb der EU gespeichert werden, oder von globalen Konzernen betrieben werden. Es ist daher unerlässlich, dass Nachfolgeplaner sich über internationale Regelungen informieren und frühzeitig Lösungen für solche Fälle erarbeiten.
Fallbeispiele aus der Praxis
Ein Mandant hinterließ nach seinem Tod beträchtliche Kryptowährungswerte in Bitcoin, jedoch ohne seine Zugangsschlüssel zu hinterlegen. Trotz eines klaren Erbanspruchs blieben die Werte für die Erben unerreichbar, da die notwendigen Schlüssel fehlten. Dies zeigt die Bedeutung der Dokumentation und der Zugangsregelung für solche digitalen Vermögenswerte.
In einem anderen Fall hinterließ ein Unternehmer umfassende Cloud-Daten, die für den Betrieb seines Unternehmens essenziell waren. Die Erben konnten erst nach umfangreicher rechtlicher Klärung auf diese Daten zugreifen, was zu erheblichen Verzögerungen im Erbfall führte.
Fazit: Notwendigkeit der frühzeitigen Planung
Die digitale Nachfolgeplanung ist ein komplexes Feld, das sowohl juristische als auch praktische Aspekte berücksichtigt. Finanz- und Nachfolgeplaner sollten sicherstellen, dass ihre Mandanten frühzeitig Maßnahmen ergreifen, um den digitalen Nachlass zu regeln. Dies umfasst die systematische Erfassung aller digitalen Vermögenswerte, die klare Festlegung von Erben und Bevollmächtigten sowie die Beachtung internationaler rechtlicher Rahmenbedingungen.
Praktische Checkliste für Finanz- und Nachfolgeplaner
Schritt | Maßnahme | Rechtliche Quelle |
---|---|---|
1. Bestandsaufnahme | Erstellen Sie eine Liste aller digitalen Konten und Assets | § 1922 BGB (Erbschaft) |
2. Testamentarische Regelung | Legen Sie fest, wer nach dem Tod Zugriff auf die Daten hat | Testament/Vorsorgevollmacht |
3. Zugriff sicherstellen | Sicherstellung der Zugangsdaten für Erben | BGH-Urteil, Az. III ZR 183/17 |
4. Kryptoschlüssel sichern | Verwahren Sie Kryptowährungs-Schlüssel sicher | Spezialvollmacht |
5. Internationale Anbieter | Berücksichtigen Sie internationale Anbieter | EU-Datenschutzrichtlinien, BGH-Urteil |
6. Cloud- und Abodaten | Reglementieren Sie Abos und Cloud-Daten im Nachlass | Anbieter-Nutzungsbedingungen beachten |
Durch diese Checkliste und eine umfassende Nachlassplanung sichern Finanz- und Nachfolgeplaner nicht nur das physische Erbe, sondern auch den digitalen Nachlass ihrer Mandanten effektiv ab.