Die Vermögensverteilung in Deutschland befindet sich in einem Wandel: Frauen werden in den kommenden Jahren deutlich reicher. Dies liegt nicht nur an steigenden Erbschaftsvolumina, sondern auch an gesellschaftlichen Veränderungen und verbesserten Karriereaussichten. Finanz- und Nachfolgeplaner stehen damit vor der Aufgabe, ihre Beratung speziell auf die Bedürfnisse dieser wachsenden Zielgruppe auszurichten. Doch wie sieht der Status quo aus? Welche Herausforderungen bestehen, und welche Strategien können Berater anwenden, um weiblichen Klienten den bestmöglichen Vermögenserhalt und -aufbau zu ermöglichen?
Der demografische Faktor: Warum Frauen mehr erben
Statistiken zeigen, dass Frauen in Deutschland eine höhere Lebenserwartung haben als Männer – im Durchschnitt leben sie etwa fünf Jahre länger. Da Vermögenswerte häufig vom Ehepartner vererbt werden, bedeutet dies, dass viele Frauen in Zukunft signifikante Vermögen übernehmen werden. Dieser Effekt verstärkt sich dadurch, dass die Babyboomer-Generation in den nächsten Jahrzehnten große Vermögenswerte vererben wird. Schätzungen zufolge wird das jährliche Erbschafts- und Schenkungsvolumen in Deutschland bis 2027 auf über 400 Milliarden Euro steigen.
Praxisbeispiel:
Eine 72-jährige Witwe erbt von ihrem verstorbenen Ehemann ein Vermögen von 2,5 Millionen Euro, bestehend aus Immobilien, Wertpapieren und Unternehmensanteilen. Während ihr Ehemann zeitlebens die Finanzentscheidungen traf, muss sie sich nun kurzfristig mit Themen wie Kapitalertragssteuer, Erbschaftssteuer und der strategischen Vermögensverwaltung auseinandersetzen. Ohne gezielte Beratung besteht das Risiko suboptimaler Entscheidungen, etwa durch den überhasteten Verkauf von Vermögenswerten oder durch Unwissenheit über steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten.
Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Vermögensverwaltung
Trotz des steigenden Wohlstands von Frauen zeigen Untersuchungen, dass sie in Finanzfragen oft zurückhaltender agieren als Männer. Sie investieren tendenziell risikoaverser und setzen stärker auf klassische Sparprodukte wie Tagesgeld oder Festgeldkonten, anstatt in renditestärkere Anlageklassen wie Aktien oder ETFs zu investieren. Zudem erhalten Frauen im Schnitt 37 % weniger Schenkungen und 13 % weniger Erbschaften als Männer, da Betriebsvermögen häufig an männliche Nachkommen weitergegeben wird.
Herausforderungen für Finanz- und Nachfolgeplaner:
- Geringere Finanzbildung: Frauen wurden historisch seltener in Finanzentscheidungen eingebunden. Die Vermittlung von Finanzwissen ist daher essenziell.
- Konservative Anlagestrategien: Risikoaverse Anlageentscheidungen können langfristig zu einer geringeren Vermögensvermehrung führen.
- Steuerliche Benachteiligung: Frauen profitieren seltener von steuerlichen Privilegien, die mit Betriebsvermögen verbunden sind.
Lösungsansätze: Wie Finanz- und Nachfolgeplaner Frauen gezielt unterstützen können
1. Finanzbildung fördern
Viele Frauen übernehmen Vermögensverantwortung erst spät – oft erst nach dem Tod des Partners oder nach einer Erbschaft. Eine proaktive Finanzbildung ist daher entscheidend. Berater sollten regelmäßige Finanzgespräche anbieten, Webinare und Workshops durchführen und spezifische Inhalte für Frauen entwickeln.
Best Practice: Einige Banken und Family Offices bieten spezielle Finanzseminare für Frauen an, in denen sie über Anlageklassen, Erbschaftssteuer und Vermögenssicherung informiert werden.
2. Vermögensstrukturen optimieren
Da Frauen tendenziell risikoaverser agieren, sollten Berater Anlagestrategien empfehlen, die Stabilität mit Wachstum verbinden. Dazu gehören:
- Diversifizierte Investmentportfolios mit einem ausgewogenen Mix aus Aktien, Immobilien und festverzinslichen Wertpapieren
- Steueroptimierte Vermögensübertragungen, um die Erbschaftssteuerlast zu reduzieren
- Frühzeitige Planung von Schenkungen, um Freibeträge optimal zu nutzen
Praxisbeispiel: Eine 58-jährige Unternehmerin plant, ihr Vermögen schrittweise an ihre Tochter zu übertragen. Durch gezielte Schenkungen alle zehn Jahre kann sie die steuerlichen Freibeträge optimal ausschöpfen und gleichzeitig sicherstellen, dass die Nachfolge reibungslos verläuft.
3. Steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten nutzen
Frauen zahlen aufgrund der ungleichen Verteilung von Betriebsvermögen tendenziell mehr Erbschaftssteuer als Männer. Finanz- und Nachfolgeplaner können gezielt dabei helfen, steuerliche Gestaltungsspielräume zu nutzen, etwa durch:
- Gründung einer vermögensverwaltenden GmbH zur Optimierung von Kapitalerträgen
- Nutzung von Nießbrauch-Modellen zur Steuerreduzierung
- Berücksichtigung von Pflichtteilsverzichtsmodellen zur strategischen Nachfolgeplanung
4. Nachfolgeplanung geschlechtssensibel gestalten
Viele Unternehmerfamilien bevorzugen männliche Nachfolger, was oft nicht auf objektiven Kriterien, sondern auf Traditionen basiert. Berater sollten darauf hinwirken, dass alle Familienmitglieder unabhängig vom Geschlecht gleiche Chancen erhalten.
Erfolgsmodell: In skandinavischen Ländern wird die Nachfolgeplanung in Familienunternehmen geschlechterneutral gestaltet. Frauen übernehmen dort häufiger Führungspositionen und tragen aktiv zur Unternehmensstrategie bei.
Fazit
Die bevorstehenden Vermögenstransfers bieten Frauen enorme finanzielle Chancen. Gleichzeitig bestehen Herausforderungen, insbesondere in der Anlage- und Nachfolgeplanung. Finanz- und Nachfolgeplaner haben die Möglichkeit, gezielt auf die Bedürfnisse weiblicher Klientinnen einzugehen, Finanzwissen zu vermitteln und langfristige Strategien zu entwickeln. Die Anpassung der Beratung an geschlechterspezifische Unterschiede kann nicht nur dazu beitragen, finanzielle Ungleichheiten zu reduzieren, sondern auch den langfristigen Erfolg ihrer Klientinnen sichern.
Indem Berater frühzeitig ansetzen und individuelle Lösungen erarbeiten, können sie Frauen dabei unterstützen, ihr Vermögen nachhaltig zu verwalten und strategisch für kommende Generationen zu sichern.