Einordnung: Warum die Erbschaftsteuer 2025 unter Reformdruck steht
Die Debatte um die Erbschaftsteuer hat sich zugespitzt. Laut Sachverständigenrat ist das bestehende System weder gerecht noch effizient. Die mehrfachen persönlichen Freibeträge ermöglichen es, große Vermögen über Jahre nahezu steuerfrei zu übertragen – ein Effekt, der zunehmend kritisch gesehen wird.
Parallel wächst die gesellschaftliche Sensibilität für Vermögensungleichheit: Ein steigender Anteil des privaten Vermögens stammt aus Erbschaften und Schenkungen. Politisch steigt der Druck auf eine Reform – insbesondere angesichts demografischer Veränderungen, wachsenden Finanzierungsbedarfs des Staates und wirtschaftlicher Unsicherheiten.
Die Wirtschaftsweisen setzen deshalb ein deutliches Signal: Weg vom historisch gewachsenen Flickwerk, hin zu einem transparenten, lebenszyklusorientierten System.
1. Das heutige System: Ein Flickenteppich aus Freibeträgen und Begünstigungen
Mehrfach nutzbare Freibeträge
Freibeträge können heute alle zehn Jahre erneut genutzt werden. Vermögen lässt sich so langfristig nahezu steuerfrei übertragen – vor allem bei strukturiertem oder beratungsaffinem Vermögen.
Ungleichbehandlung von Vermögensarten
Unternehmens- und Betriebsvermögen profitieren von weitreichenden Begünstigungen (z. B. nach §§ 13a/b ErbStG). Diese Ausnahmen sind ökonomisch nicht immer gerechtfertigt und verstärken strukturelle Ungleichheiten.
Zentrale Probleme laut Gutachten
- strukturelle Gerechtigkeitsdefizite
- liquiditäts- und standortpolitische Fehlanreize
- hohe Komplexität und Rechtsunsicherheit
- steigender Umfang steueroptimierter Gestaltungsmodelle
2. Der Reformvorschlag: Ein Lebensfreibetrag verändert alles
Der zentrale Vorschlag ist ein einmaliger lebenslanger Freibetrag. Für nahe Angehörige liegt der diskutierte Wert bei rund 1 Mio. Euro.
Was bedeutet das konkret?
- Erbschaften und Schenkungen werden künftig kumuliert betrachtet.
- Die 10-Jahres-Logik entfällt vollständig.
- Übertragungsstrategien müssen neu entwickelt werden.
Begünstigungen unter Druck
Für Unternehmensvermögen sollen Verschonungsabschläge reduziert und durch Stundungsmodelle ersetzt werden. Die Steuer fällt an – aber die Zahlung wird verschoben, um Unternehmensliquidität zu schützen.
Leistungsfähigkeitsprinzip als Leitlinie
Die Reform zielt darauf ab, alle Vermögensarten gleichmäßiger zu behandeln und die Steuer stärker an realer wirtschaftlicher Kapazität auszurichten.
3. Rechtlicher Kontext und politische Lage 2024/2025
Gesetzliche Grundlagen
- ErbStG §§ 1 ff.
- Begünstigungen für Betriebsvermögen (§§ 13a/b ErbStG)
- Gleichheitsgrundsatz in Art. 3 GG
Politische Positionen
- SPD: stärkere Belastung großer Vermögen
- CDU/CSU: gegen Steuererhöhungen
- Ampel: heterogene Positionen, aber grundsätzlich reformoffen
Bedeutung für die Praxis
Übergangsphasen bei großen Steuerreformen erzeugen Aufklärungsbedarf, Rechtsunsicherheit und Zeitdruck bei bestehenden Gestaltungen.
4. Was bedeutet die Reform für Vermögens- und Nachfolgeplanung?
Frühzeitige Szenarien dringend erforderlich
Zu prüfen sind insbesondere:
- bisherige Freibetragsnutzung
- kumuliertes Übertragungsvolumen
- betriebsvermögensbezogene Risiken
- Liquiditätsanforderungen im Reformfall
Drei konkrete Praxisbeispiele
Beispiel 1 – Privatvermögen Eine Familie hat über 20 Jahre mehrere Immobilien auf zwei Kinder übertragen. Beide haben rund 800.000 Euro steuerfrei erhalten. Unter einem Lebensfreibetrag wäre der Spielraum fast ausgeschöpft – jede weitere Übertragung wird steuerpflichtig.
Beispiel 2 – Unternehmensnachfolge Ein Familienunternehmen mit 20 Mio. Euro Vermögen steht vor der Übergabe. Heute profitieren solche Unternehmen von hohen Verschonungsabschlägen. Im Reformmodell stehen Stundungsregeln im Vordergrund. Liquide Mittel, Kreditlinien und Pensionszusagen müssen neu kalkuliert werden.
Beispiel 3 – Patchwork-Familie Mehrfach genutzte Freibeträge ermöglichten bislang komplexe Übertragungen an Stiefkinder. Ein Lebensfreibetrag führt zu einer vollständigen Neubewertung: Familiengesellschaften, Nießbrauchsmodelle und Güterstandsoptimierungen gewinnen an Bedeutung.
Wichtige Dokumentationspflichten
- Anzeige von Schenkungen nach § 30 ErbStG
- Bewertung betrieblicher Einheiten
- revisionssichere Ablage aller Übertragungsverträge
5. Chancen, Risiken und wirtschaftliche Wirkungen
Chancen
- gesteigerte Steuergerechtigkeit
- Abbau überholter Privilegierungen
- klarere, lebenslaufbasierte Steuerlogik
Risiken
- mögliche Mehrbelastungen im Mittelstand
- Übergangsunsicherheiten
- politische Verzögerungen und Kompromisse
Ökonomische Perspektive
Das Erbschaftsvolumen steigt seit Jahren. Ein Lebensfreibetrag könnte für fiskalische Stabilität sorgen – gleichzeitig aber Investitionsentscheidungen im Mittelstand dämpfen.
6. Ausblick: Ein Reformvorschlag mit Sprengkraft
Ob und wann die Reform umgesetzt wird, ist politisch offen. Sicher ist: Die nächste Legislaturperiode wird entscheidend. Für die Praxis bedeutet dies: Jetzt prüfen, planen und absichern – nicht erst bei Vorliegen eines vollständigen Gesetzesentwurfs.
Anhang A – Handlungsschritte
- Bestandsaufnahme aller bisherigen Übertragungen und Freibeträge
- Szenarioanalyse: Status quo vs. Lebensfreibetrag
- Bewertung von Betriebsvermögen (insbesondere §§ 13a/b ErbStG)
- Liquiditätsplanung für potenzielle Steuerbelastungen
- Analyse laufender Übertragungsmodelle auf Reformrisiken
- Sicherstellung revisionssicherer Dokumentation
- Beobachtung der politischen Reformdynamik
Anhang B – Rechtliche Quellen
- ErbStG §§ 1 ff.
- Begünstigungen für Betriebsvermögen §§ 13a/b ErbStG
- Art. 3 GG (Grundgesetz)
- Jahresgutachten des Sachverständigenrats 2025/2026
Anhang C – Wesentliche Praxisimplikationen
Dokumentationspflichten gewinnen weiter an Bedeutung.
Der Lebensfreibetrag verändert die langfristige Vermögensplanung grundlegend.
Begünstigungen für Betriebsvermögen werden neu definiert.
Frühzeitige Gestaltung sichert Handlungsspielräume und Liquidität.