
Die Inflationsrate in Deutschland lag im Juni 2025 bei +2,0 % zum Vorjahresmonat – dem niedrigsten Wert seit Oktober 2024. Doch ein genauer Blick offenbart: Die scheinbare Entspannung täuscht. Denn während Energiepreise sinken und die Nahrungsmittelpreise stagnieren, bleibt der Preisdruck bei Dienstleistungen hoch. Für Finanz- und Nachfolgeplaner ergeben sich daraus differenzierte Herausforderungen: Kaufkraftverluste in langfristigen Planungen, Zielkonflikte bei Kapitalanlagen und Anpassungsbedarf bei Rechtsverhältnissen.
1. Inflationsentwicklung im Überblick
1.1 Gesamtinflation – Beruhigung auf niedrigem Niveau
Im Juni 2025 lag die allgemeine Inflationsrate bei +2,0 %. Damit hat sich der seit Herbst 2024 bestehende Trend der moderaten Abschwächung fortgesetzt. Besonders relevant für die Bewertung: Die Verbraucherpreise blieben gegenüber dem Vormonat Mai unverändert (+0,0 %).
1.2 Energiepreise weiter rückläufig
Energieprodukte verbilligten sich im Vergleich zum Vorjahr um durchschnittlich 3,5 %. Vor allem Kraftstoffe (-4,6 %) und Heizöl (-5,6 %) trugen zur Entlastung bei. Dies reduziert zwar die unmittelbare Ausgabenseite privater Haushalte, senkt aber gleichzeitig die nominalen Rentabilitäten klassischer Energieinvestments.
1.3 Nahrungsmittel: Ausgleich zwischen Anstieg und Rückgang
Die Teuerung bei Nahrungsmitteln lag bei +2,0 % – ein Rückgang gegenüber Mai (+2,8 %). Während Schokolade (+17,4 %) und Honigprodukte deutlich teurer wurden, fielen die Preise für Gemüse (-3,0 %) und insbesondere Kartoffeln (-11,2 %). Die Volatilität in dieser Warengruppe bleibt hoch – ein Faktor für Lebenshaltungskostenprognosen.
1.4 Dienstleistungen als Kerninflationstreiber
Die Preise für Dienstleistungen stiegen im Jahresvergleich um 3,3 % – nach +3,4 % im Mai. Besonders betroffen: kombinierte Personenbeförderung (+11,4 %), soziale Dienstleistungen (+8,5 %) und Versicherungen (+8,1 %). Die Entwicklung in diesem Sektor ist bedeutend für Planung von Ausgaben für Pflege, Betreuung und Mobilität.
1.5 Kerninflation bei +2,7 %
Die Teuerungsrate ohne Energie und Nahrungsmittel liegt mit +2,7 % über dem Gesamtdurchschnitt – ein klares Indiz für strukturellen Inflationsdruck. Für langfristige Finanz- und Versorgungsmodelle stellt diese Größe den realistischeren Orientierungswert dar.
2. Auswirkungen auf Finanz- und Nachfolgeplanung
2.1 Kaufkraftverluste in Kapitalplanung und Vorsorge
Inflation reduziert die reale Kaufkraft zukünftiger Erträge. Kapitalbedarfsrechnungen, insbesondere bei Versorgungsleistungen, Rentenmodellen oder Immobilienentnahmen, müssen regelmäßig auf Indexierung geprüft werden. Ein Planungshorizont ohne Anpassung an die Kerninflation von derzeit 2,7 % kann zu erheblichen Deckungslücken führen.
Praxisbeispiel 1:
Eine private Rentenzahlung von 3.000 € pro Monat, festgelegt für die nächsten 20 Jahre, verliert bei einer durchschnittlichen Inflation von 2,7 % jährlich rund ein Drittel an Kaufkraft – nominal gleich, real gefährlich.
2.2 Nachlassregelungen mit Indexklauseln
In Eheverträgen, Erbverträgen oder Pflichtteilsverzichten können Indexklauseln vereinbart werden, die sich an der Verbraucherpreisentwicklung orientieren. Diese schaffen Gerechtigkeit zwischen den Generationen und verhindern unerwartete finanzielle Nachteile für Empfänger.
Praxisbeispiel 2:
Ein Pflichtteilsverzicht gegen Abfindung von 500.000 € kann mit einer Wertsicherungsklausel an den Verbraucherpreisindex gekoppelt werden. So bleibt der realwirtschaftliche Wert auch bei späterer Auszahlung erhalten.
2.3 Ertragssicherung durch inflationsresistente Anlagen
Anlegerstrategien erfordern angesichts struktureller Teuerung gezielte Streuung. Realwerte wie Immobilien, Sachwerte, inflationsindexierte Anleihen oder Beteiligungen an Versorgungsinfrastrukturen bieten Schutz.
Praxisbeispiel 3:
Ein vermögender Mandant strukturiert sein Depot um und ersetzt nominale Bundesanleihen durch inflationsgeschützte Anleihen der EU. Bei aktueller Realverzinsung von +0,4 % bei einer Kerninflation von 2,7 % verbessert sich die reale Wertentwicklung deutlich.
2.4 Auswirkungen auf Unterhaltsvereinbarungen und Versorgungsausgleich
Sowohl nachehelicher Unterhalt als auch wiederkehrende Leistungen im Versorgungsausgleich unterliegen konzeptionell der Kaufkraftlogik. Ohne Indexierung entsteht ein rechtlich problematischer Verfall des Leistungswerts.
Praxisbeispiel 4:
Ein Versorgungsausgleich in Form eines Rentenanteils von 1.200 € pro Monat muss inflationsbereinigt neu bewertet werden, um dem Grundsatz der Halbteilung nach § 1587 BGB gerecht zu werden.
3. Steuerliche und rechtliche Schnittstellen
3.1 Steuerliche Bewertung inflationsgeschützter Erträge
Nach § 3 Nr. 40 EStG sind reale Inflationsgewinne bei Kapitalanlagen grundsätzlich steuerpflichtig – eine Diskussion, die besonders bei strukturierten Produkten mit Indexbindung praxisrelevant ist. Der steuerliche Transparenzanspruch verlangt klare Kommunikation in der Beratung.
3.2 Mietverträge mit Indexbindung
Indexmieten nach § 558 BGB orientieren sich an der Preisentwicklung. Für Immobilienbesitzer bieten sie Schutz vor Erosionsverlusten – gleichzeitig steigt die Verantwortung, Mieter über rechtliche und wirtschaftliche Folgen aufzuklären.
3.3 Informationspflicht in Beratungsgesprächen
Finanz- und Nachfolgeplaner unterliegen – analog zu § 5 Abs. 2 GG – einer gesteigerten Informationspflicht bei existenziellen Fragen der Vermögens- und Altersabsicherung. Inflation und Kaufkraftentwicklung sind dabei nicht optional, sondern zwingende Beratungsthemen.
4. Beratungsansätze und Gestaltungsstrategien
4.1 Szenarioanalysen und Simulationen
Die modellbasierte Simulation unterschiedlicher Inflationsverläufe (z. B. 1,5 %, 2,7 %, 4,0 %) innerhalb der Finanzplanung fördert das Verständnis beim Mandanten und ermöglicht transparente Entscheidungen über Anlageklassen, Cashflow und Sicherungsinstrumente.
4.2 Integration von Sachwertstrategien
Neben Immobilien können auch Direktinvestitionen in Infrastruktur, Wald, Kunst oder Rohstoffe als strategischer Baustein fungieren – allerdings unter Berücksichtigung von Illiquiditätsrisiken und steuerlichen Komplikationen.
4.3 Kommunikation mit den nachfolgenden Generationen
Junge Erben, Bevollmächtigte oder künftige Testamentsvollstrecker müssen über Kaufkraftkonzepte informiert werden. Hier ist Bildungsarbeit gefragt, um Fehlentscheidungen durch nominale Betrachtungen zu vermeiden.
5. Fazit
Zusammenfassung der zentralen Erkenntnisse
Die Juni-Zahlen zur Inflation vermitteln vordergründig Entspannung – tatsächlich jedoch besteht eine strukturelle Teuerung in vielen Güterklassen, insbesondere bei Dienstleistungen. Für die professionelle Finanz- und Nachfolgeplanung ergeben sich daraus komplexe Aufgaben: Reallagen bewerten, Instrumente inflationsresilient gestalten, Mandanten umfassend aufklären.
Eine inflationstaugliche Planung bedeutet nicht nur Werterhalt, sondern Sicherheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit über Generationen hinweg. Finanz- und Nachfolgeplaner sind in der Verantwortung, diese Aufgabe aktiv zu gestalten.