Kundenbildung – Wie man mit der Informationsflut umgeht

In der Finanzwelt ist Bildung unerlässlich, doch im Zeitalter des Internets birgt der Zugang zu Informationen oft Gefahren. Für Finanz- und Nachfolgeplaner stellt sich die Frage: Wie kann man Kunden helfen, sich besser zu bilden, ohne in Fehlinformationen zu tappen? In diesem Beitrag gehen wir auf typische Herausforderungen ein und bieten praxisnahe Lösungen, um die Kundenbildung zu optimieren. Dabei greifen wir auf ein Gespräch zwischen den Experten Michael Kitces und Carl Richards zurück, die aufzeigen, wie man mit Kunden umgeht, die sich online „weiterbilden“ und dabei oft mehr Verwirrung stiften.

Die Herausforderung der Online-Bildung

Michael Kitces beschreibt, wie viele Kunden im Internet nach Informationen suchen und dabei häufig auf ungenaue oder unvollständige Informationen stoßen. Er nennt dies „finanzielle Pornografie“ – viele Informationen sind reißerisch oder vereinfachend, und obwohl sie gut gemeint sind, führen sie oft zu Verwirrung, weil sie nicht individuell auf den Kunden zugeschnitten sind.

Hierin liegt die Herausforderung für Berater: Kunden wollen informiert sein, aber sie verstehen oft nicht, dass allgemeine Ratschläge in speziellen Fällen nicht immer anwendbar sind. Eine typische Aussage von Kunden lautet: „Ich habe online gelesen, dass…“, was für Berater oft der Auftakt zu einem mühsamen Prozess ist, die Missverständnisse wieder zu korrigieren.

Über- vs. Unterkompetenz: Das Dunning-Kruger-Phänomen

Kitces und Richards weisen auf ein weiteres Problem hin: Überkompetenz. Kunden, die in ihrem Fachgebiet Experten sind – etwa Ärzte oder Ingenieure – neigen dazu, ihr Wissen auf Finanzthemen zu übertragen. Dies führt zu einer gefährlichen Selbstüberschätzung, bei der sie glauben, komplexe finanzielle Zusammenhänge vollständig zu verstehen, obwohl sie oft nur an der Oberfläche kratzen. Richards beschreibt diesen Zustand als „Überkonfidenz-Lücke“, die entsteht, wenn die Kompetenz einer Person in einem Bereich hinter ihrem Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten zurückbleibt.

Finanzplaner müssen hier feinfühlig reagieren. Ein Kunde, der sich in einem bestimmten Bereich übermäßig sicher fühlt, sollte nicht direkt konfrontiert werden, da dies das Vertrauensverhältnis gefährden könnte. Stattdessen bietet es sich an, durch gezielte Fragen ein tieferes Verständnis zu fördern. Ein möglicher Ansatz: „Das klingt nach einer gründlichen Recherche, aber ich würde gerne mehr darüber erfahren, welche konkreten Fragen Sie damit klären wollten.“ Auf diese Weise kann der Berater die Informationen des Kunden in den richtigen Kontext setzen, ohne ihn direkt zu korrigieren.

Empathie als Schlüssel

Richards betont, wie wichtig Empathie im Umgang mit solchen Kunden ist. Anstatt sofort auf Fehler oder Missverständnisse hinzuweisen, sollten Berater die Bemühungen ihrer Kunden anerkennen. Diese haben oft Stunden damit verbracht, sich über Finanzthemen zu informieren, und wollen ernst genommen werden. Ein Ansatz, der sich bewährt hat, ist, den Kunden zunächst für sein Engagement zu loben und dann sanft zu lenken: „Sie haben sich wirklich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt. Lassen Sie uns gemeinsam schauen, wie wir diese Informationen auf Ihre spezifische Situation anwenden können.“

Proaktive Bildung als Lösung

Anstatt nur reaktiv auf falsche Informationen zu reagieren, schlagen Kitces und Richards vor, als Berater proaktiv vorzugehen. Das bedeutet, den Kunden gezielte Bildungsangebote zu machen, die ihren Bedürfnissen entsprechen. Ein Beispiel aus der Praxis: Regelmäßige Webinare, Newsletter oder Blogbeiträge zu Themen wie Altersvorsorge, Nachfolgeplanung oder Steueroptimierung können den Kunden helfen, sich auf verlässliche Quellen zu stützen.

Kitces beschreibt, wie er in seiner eigenen Praxis häufig dieselben Fragen von Kunden gestellt bekam. Um Zeit zu sparen und gleichzeitig die Qualität der Beratung zu erhöhen, erstellte er Artikel und Videos zu diesen wiederkehrenden Themen. Diese Inhalte wurden dann nicht nur an Kunden weitergeleitet, sondern auch öffentlich zugänglich gemacht, was zusätzliches Vertrauen und neue Kunden anzieht.

Praxisbeispiel: Die „Finanzielle Pornografie-Detox-Kur“

Richards schlägt sogar vor, eine Art „Finanzpornografie-Detox-Kur“ zu entwickeln. Hierbei handelt es sich um eine strukturierte Schulung, die Kunden hilft, zwischen wertvollen Informationen und irreführenden Inhalten zu unterscheiden. Indem Berater ihren Kunden verlässliche Quellen zur Verfügung stellen, können sie die Kundenbindung stärken und gleichzeitig ihre eigene Arbeitslast verringern. Regelmäßige Kundenveranstaltungen – sei es vor Ort oder online – bieten eine Möglichkeit, wichtige Themen zu besprechen und Fragen zu klären, bevor sie zu Missverständnissen führen.

Der langfristige Nutzen von Kundenbildung

Die proaktive Kundenbildung hat nicht nur kurzfristige Vorteile, sondern kann langfristig die Effizienz der Beratung steigern. Wenn Kunden besser informiert sind, stellen sie weniger Fragen zu grundsätzlichen Themen, was dem Berater Zeit spart. Weiterhin stärkt es das Vertrauen in die Beziehung, wenn Kunden das Gefühl haben, dass ihr Berater sie unterstützt, anstatt sie nur zu korrigieren.

Kitces beschreibt, wie er in seiner eigenen Praxis regelmäßige Kundenveranstaltungen organisiert hat, bei denen das Investmentteam den Kunden die Anlagestrategie erklärte und auf Fragen einging. Dies führte nicht nur dazu, dass die Kunden sich besser informiert fühlten, sondern auch zu einer Reduzierung der Beratungszeit pro Kunde. Durch diese Skalierung konnte das Unternehmen effizienter arbeiten und gleichzeitig das Kundenvertrauen stärken.

Fazit: Erziehen statt korrigieren

Finanz- und Nachfolgeplaner stehen vor der Herausforderung, dass ihre Kunden zunehmend selbst Informationen suchen und diese oft missverstehen. Anstatt diese Tendenz zu bekämpfen, sollten Berater sie als Chance sehen, ihre Kunden proaktiv zu bilden. Mit einer Kombination aus Empathie, gezielter Kundenbildung und der Bereitstellung von verlässlichen Ressourcen können Berater nicht nur die Qualität ihrer Beratung verbessern, sondern auch das Vertrauen ihrer Kunden nachhaltig stärken.


Checkliste: Effektive Kundenbildung in der Finanzplanung

SchrittBeschreibungRechtliche Grundlage
Analyse der InformationsquellenFragen Sie den Kunden nach den Quellen seiner Informationen.MiFID II – Transparenzanforderungen
Empathischer EinstiegAnerkennen Sie die Bemühungen des Kunden und loben Sie seine Eigeninitiative.Ethikkodex des Berufsstandes der Finanzberater
Kontextualisierung der InformationenErklären Sie, warum bestimmte Informationen in seiner Situation unpassend sind.Beratungsvertrag und Aufklärungspflicht nach VVG
Bereitstellung eigener RessourcenBieten Sie eigene Artikel, Webinare oder Blogs an, um Missverständnisse zu vermeiden.Bafin-Richtlinien zu Finanzberatung
Regelmäßige Fortbildungen anbietenOrganisieren Sie regelmäßige Veranstaltungen oder Schulungen zu relevanten Themen.Gewerbeordnung für Finanzdienstleister

Mit dieser Checkliste erhalten Berater eine praxisorientierte Anleitung, um ihre Kunden effizient und nachhaltig zu schulen.

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