Der Verkauf von Immobilien kann steuerliche Fallen mit sich bringen, insbesondere wenn die Immobilie innerhalb der zehnjährigen Veräußerungsfrist des § 23 EStG veräußert wird. Um unliebsame steuerliche Überraschungen zu vermeiden, ist es entscheidend, die genaue Definition und die rechtlichen Anforderungen des Begriffs „eigene Wohnzwecke“ zu kennen. In diesem Beitrag beleuchten wir die wichtigsten Aspekte und aktuellen Gerichtsurteile, die diesen Begriff präzisieren.
1. Begriff „eigene Wohnzwecke“
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat den Begriff der eigenen Wohnzwecke im Zusammenhang mit § 23 EStG in verschiedenen Urteilen definiert und abgegrenzt. Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken setzt voraus, dass die Immobilie vom Steuerpflichtigen bewohnt wird und zum Bewohnen geeignet ist.
1.1 Zum Bewohnen geeignet
Eine Immobilie muss zum dauerhaften Aufenthalt und zur Unterkunft geeignet sein, um als „eigene Wohnzwecke“ zu gelten. Selbst eine baurechtswidrige dauerhafte Nutzung eines Gartenhauses kann als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken angesehen werden, wenn das Gartenhaus Menschen dauerhaft Unterkunft gewährt (BFH 26.10.21, IX R 5/21).
1.2 Selbstnutzung durch den Steuerpflichtigen
Der Steuerpflichtige muss die Immobilie selbst nutzen, wobei auch eine gemeinsame Nutzung mit Familienangehörigen oder unentgeltliche Überlassung an ein Kind, für das Kindergeldanspruch besteht, zulässig ist (BFH 3.9.19, IX R 8/18). Wird die Immobilie einem anderen Angehörigen überlassen, wie z.B. der Schwiegermutter, greift die Steuerbefreiung nicht (BFH 14.11.23, IX R 13/23).
2. Nutzung zu eigenen Wohnzwecken während des gesamten Besitzzeitraums
Gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG sind Immobilien von der Besteuerung ausgenommen, wenn sie vom Zeitpunkt der Anschaffung bis zur Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden. Ein vorübergehender Leerstand, der im Zusammenhang mit der beabsichtigten Nutzung zu eigenen Wohnzwecken steht, ist dabei unschädlich (BMF 5.10.00).
3. Nutzung im Jahr der Veräußerung und den zwei vorangegangenen Jahren
Eine Steuerbefreiung ist auch möglich, wenn die Immobilie im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde. Dabei reicht es aus, wenn die Nutzung an jeweils einem Tag im ersten und dritten Jahr und durchgehend im zweiten Jahr erfolgt (BFH 3.9.19, IX R 10/19).
Praxisbeispiel: Nutzung einer Immobilie im Jahr der Veräußerung und den zwei vorangegangenen Jahren
Um die Regelung zur Nutzung einer Immobilie im Jahr der Veräußerung und in den zwei vorangegangenen Jahren verständlicher zu machen, betrachten wir folgendes Praxisbeispiel:
Ausgangssituation:
Herr Müller hat im Jahr 2019 eine Eigentumswohnung erworben. Im Jahr 2024 plant er, diese Wohnung zu verkaufen. Die Regelung besagt, dass die Wohnung von der Besteuerung ausgenommen ist, wenn sie im Jahr der Veräußerung und in den zwei vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde. Wie könnte das konkret aussehen?
Chronologischer Ablauf:
- 2019: Herr Müller kauft die Eigentumswohnung und zieht im selben Jahr ein.
- 2020: Herr Müller wohnt durchgehend in der Wohnung.
- 2021: Herr Müller wohnt weiterhin durchgehend in der Wohnung.
- 2022: Herr Müller wohnt das ganze Jahr in der Wohnung.
- 2023: Herr Müller wohnt weiterhin das ganze Jahr in der Wohnung.
- 2024: Herr Müller beschließt, die Wohnung zu verkaufen. Er wohnt im Jahr 2024 mindestens am 1. Januar in der Wohnung und führt den Verkauf im Laufe des Jahres durch.
Steuerliche Bewertung:
Die Immobilie fällt unter die Steuerbefreiung, da die Voraussetzungen der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Jahr der Veräußerung und in den zwei vorangegangenen Jahren erfüllt sind.
- 2022: Herr Müller nutzte die Wohnung durchgehend zu eigenen Wohnzwecken.
- 2023: Herr Müller nutzte die Wohnung ebenfalls durchgehend zu eigenen Wohnzwecken.
- 2024: Herr Müller nutzte die Wohnung zumindest an einem Tag (z.B. am 1. Januar) zu eigenen Wohnzwecken.
Beispiel für eine kurzzeitige Vermietung:
Angenommen, Herr Müller vermietet die Wohnung im März 2024 für einen Monat. Da er die Wohnung im Jahr 2024 an mindestens einem Tag zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat, greift die Steuerbefreiung dennoch, wenn die restlichen Bedingungen erfüllt sind. Eine kurzzeitige Vermietung im Veräußerungsjahr kann unschädlich sein, wenn die Immobilie weiterhin überwiegend zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde.
4. Häusliches Arbeitszimmer
Ein häusliches Arbeitszimmer, das sich in einer ansonsten zu eigenen Wohnzwecken genutzten Immobilie befindet, wird ebenfalls als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken angesehen und ist somit von der Besteuerung des Veräußerungsgewinns ausgenommen (BFH 1.3.21, IX R 27/19).
Fazit
Die Definition und Anwendung des Begriffs „eigene Wohnzwecke“ sind entscheidend für die steuerliche Behandlung von Immobilienverkäufen. Durch die präzisen Vorgaben und Urteile des BFH wird eine klare Abgrenzung geschaffen, die Steuerpflichtigen helfen kann, unliebsame Überraschungen zu vermeiden. Es ist ratsam, sich bei geplanten Veräußerungen rechtzeitig steuerlich beraten zu lassen, um von den bestehenden Befreiungsregelungen optimal zu profitieren.
Für weiterführende Informationen und aktuelle Entwicklungen empfiehlt es sich, die einschlägigen Urteile und Veröffentlichungen regelmäßig zu prüfen und bei Bedarf professionellen Rat einzuholen.