Die deutliche Ablehnung einer nationalen Erbschafts- und Schenkungssteuer für Vermögen über 50 Millionen Schweizer Franken stellt einen markanten politischen und steuerstrategischen Impuls dar. Die Eidgenossenschaft bestätigt damit ihre Position als einer der attraktivsten Standorte für vermögende Privatpersonen, internationale Unternehmerfamilien und Stiftungen. Für Finanz- und Nachfolgeplaner ergibt sich daraus eine erhöhte Planungssicherheit, jedoch auch ein indikatives Warnsignal: Die Debatte über Vermögensumverteilung, Klimafinanzierung und steuerliche Gerechtigkeit hat an Dynamik gewonnen und dürfte in den kommenden Jahren wiederkehren – möglicherweise in modifizierter Form.
Die folgende Analyse verknüpft die Ergebnisse der Volksabstimmung vom 30. November 2025 mit rechtssystematischen Grundlagen, internationalen Vergleichsdaten, empirischen Beispielen aus der Nachfolgeplanung sowie strategischen Handlungsempfehlungen für die Beratungspraxis.
Politischer Kontext und ökonomische Ausgangslage
Die Eckpunkte der verworfenen Initiative
Die von der Juso eingebrachte Initiative sah eine 50%-Erbschafts- und Schenkungssteuer für Vermögensteile über 50 Millionen CHF vor. Die Einnahmen sollten zweckgebunden in Klima- und Transformationsmaßnahmen fließen. Damit zielte die Vorlage auf weniger als 0,1 % aller Haushalte – primär auf sehr große Privatvermögen, Unternehmerdynastien und Familienholdings.
Ergebnis der Abstimmung
Mit 78,3 % Nein-Stimmen lehnten Bevölkerung und Stände die Initiative deutlich ab. Die breite Ablehnung erstreckte sich über nahezu alle Landesteile. Entscheidend waren:
- Befürchtung von Kapital- und Unternehmerabwanderung
- Sorge um die Stabilität von Familienunternehmen bei Nachfolgen
- Verteidigung föderaler Steuerautonomie
Damit bleibt das bisherige System bestehen: keine nationale Erbschaftssteuer, ausschließlich kantonale Steuerhoheit, häufig mit großzügigen Ausnahmen für direkte Nachkommen.
Internationale Steuerposition der Schweiz
Die Schweiz unterscheidet sich damit deutlich vom OECD-Trend. Mehr als 20 OECD-Staaten verfügen über nationale Erbschafts- oder Erbanfallsteuern; in Deutschland und Frankreich liegen die Durchschnittssätze in relevanten Vermögensklassen zwischen 15 % und 45 %.
Für internationale Vermögensinhaber bekräftigt das Schweizer Abstimmungsergebnis somit die steuerstrategische Attraktivität des Landes, insbesondere im Zusammenspiel mit:
- stabilen Vermögensstrukturen (Trusts, Stiftungen, Familiengesellschaften),
- territorialer Besteuerung vieler Kantone,
- klaren Regeln für pauschalbesteuerte Personen.
Relevante Entwicklungen für Finanz- und Nachfolgeplaner
Weiterhin hohe Planungssicherheit – aber nicht ohne politische Risiken
Obwohl die Abstimmung eindeutig ausging, zeigt die starke öffentliche Aufmerksamkeit, dass das Thema „Vermögensbesteuerung“ politisch an Relevanz gewinnt. Die nächsten Jahre werden geprägt sein von:
- Debatten um Klimafinanzierung und Umverteilung,
- EU-weiten Steuerharmonisierungsbestrebungen,
- zunehmendem internationalen Druck auf Vermögende.
Planer sollten daher mittelfristig mit erneuten Initiativen rechnen – allerdings wahrscheinlich moderaterer und wirtschaftsfreundlicher ausgestalteter Vorschläge.
Kantonale Besonderheiten gewinnen weiter an Bedeutung
Wesentliche Unterschiede bestehen weiterhin zwischen den Kantonen:
- Schwyz, Obwalden, Nidwalden, Zug: faktisch sehr geringe oder keine Erbschaftssteuer für direkte Nachkommen.
- Genf, Waadt: tendenziell strengere Regelungen, insbesondere für entfernte Verwandte und Nichtverwandte.
Für grenzüberschreitend operierende Unternehmerfamilien bleibt die Optimierung des steuerlichen Wohnsitzes und der Vermögensstruktur ein zentraler Planungsbestandteil.
Vermögensschutzstrukturen im Fokus
Mangels nationaler Erbschaftssteuer behalten etablierte Strukturen ihre Relevanz:
- Familienstiftungen in Liechtenstein oder der Schweiz
- Trust-Konstruktionen (je nach Domizil und Anerkennung)
- Familienpools und Holding-Strukturen
- Lebensversicherungsmodelle (Vermögenspolicen) mit steuerlicher Optimierung
Praxisbeispiele aus der Nachfolgeplanung
Beispiel 1: Unternehmerfamilie mit Holdingstruktur in Zug
Eine Unternehmerfamilie mit einem Beteiligungsvermögen von ca. 120 Mio. CHF stand vor der Frage, ob die Initiative eine Neuordnung der Beteiligungsrechte erfordern würde. Der 50%-Steuersatz ab 50 Mio. hätte eine faktische Zerschlagung bedeutet.
Nach dem Scheitern der Initiative bleibt die bestehende Struktur bestehen. Die Familie nutzt weiterhin:
- eine Zuger Holding,
- ein Pflichtteilsmanagement für drei Nachkommen,
- eine langfristige Ausschüttungsplanung über die Familienverfassung.
Beispiel 2: Internationale Familie mit Vermögen in drei Jurisdiktionen
Eine vermögende Familie mit Wohnsitzen in Zürich, London und Spanien hätte durch eine nationale Erbschaftssteuer erhebliche Doppelbesteuerungsrisiken gehabt. Da mehrere Länder Erbschaftsteuern erheben, wären zusätzliche Belastungen kaum vermeidbar gewesen.
Nach dem Abstimmungsausgang wurde die Strategie bestätigt:
- Immobilien in Spanien verbleiben in einer spanischen Gesellschaft,
- Schweizer Vermögen bleiben in einem Familienpool,
- weitere Allokationen erfolgen über Versicherungsstrukturen.
Beispiel 3: Nachfolge eines mittelständischen Industrieunternehmens
Die potenzielle Erbschaftssteuer drohte, Nachfolger unter Liquiditätsdruck zu setzen. Ein 50%-Anfall auf 50 Mio. Betriebsvermögen hätte zu Zwangsverkäufen führen können.
Die Familie hatte vorsorglich überlegt:
- Teilverkauf an Private Equity,
- Stiftungslösung für Abstimmungsrechte.
Nach dem Nein entfällt dieser Druck und die Nachfolge erfolgt nun wie geplant innerhalb der Familie.
Beispiel 4: Vermögensinhaber mit Wegzugoption
Ein Privatvermögender in Zürich, Nettovermögen 80 Mio. CHF, hatte konkrete Wegzugsüberlegungen nach Singapur und Dubai. Die Initiative wäre ein Trigger gewesen.
Nach dem Scheitern der Steuer entfällt der Wegzugsdruck:
- Verbleib in der Schweiz,
- Vermögenssplitting auf europäische Depots,
- Nutzung von Stiftungsstrukturen zur philanthropischen Nachlassgestaltung.
Beispiel 5: Holding- und Immobilienportfolio einer Unternehmerin in der Westschweiz
Die Unternehmerin plante eine Erbteilung unter drei Kindern. Eine nationale Erbschaftssteuer hätte die Immobiliengesellschaft mit erheblichen Liquiditätsabflüssen belastet. Nun bleibt die Strategie:
- sukzessive Übertragung zu Lebzeiten,
- kantonal begünstigte Tarife bleiben nutzbar,
- kein Verstoß gegen Verschonungsregelungen.
Rechtliche Einordnung und Steuerrahmen 2024/2025
Verfassungsrechtliche Dimension
Eine nationale Erbschaftssteuer hätte eine Verfassungsänderung erfordert. Das föderale Modell bleibt bestehen:
- Steuerhoheit bei den Kantonen,
- unterschiedliche Tarife,
- Ausnahmen für direkte Nachkommen weit verbreitet,
- Nichtverwandte und entferntere Verwandte teils stark belastet.
Steuerliche Meldepflichten
Auch ohne nationale Erbschaftssteuer bestehen umfassende Melde- und Dokumentationspflichten:
- Deklaration von Schenkungen in vielen Kantonen
- Transparenzpflichten bei Unternehmensübertragungen
- Meldepflichten im internationalen Kontext (DAC6, CRS, FATCA)
- Notwendigkeit sauberer Bewertungsverfahren für Immobilien, Beteiligungen, Trust-Strukturen
Für Nachfolgeplaner bleibt die korrekte und fristgerechte Dokumentation eine strategische Kernaufgabe, insbesondere bei grenzüberschreitenden Vermögenspositionen.
Strategische Implikationen für die Nachfolge- und Vermögensplanung
Optimierung durch frühzeitige Strukturbildung
Mangels nationaler Steuer bleibt die Steuerplanung weiterhin kantonsspezifisch. Optimale Gestaltung umfasst:
- frühzeitige Übertragung von Vermögen,
- Nutzung von Wohnsitzoptimierung,
- klare Familienverfassungen,
- Regelungen zu Stimmrechten und Liquiditätsmanagement.
Internationale Familien: Doppelbesteuerungsrisiken
Auch ohne nationale Steuer entstehen steuerliche Interdependenzen, etwa:
- deutsche Erbschaftsteuerpflicht bei 10-Jahres-Regel,
- Einbeziehung ausländischer Vermögenswerte in EU-Staaten,
- Wegzugsbesteuerung in mehreren Jurisdiktionen.
Unternehmensnachfolgen
Die Unternehmensbewertung bleibt Schlüsselpunkt. Um Streitigkeiten und steuerliche Risiken zu vermeiden, sind notwendig:
- reguläre Bewertungen,
- Dokumentationen gemäß Steuerwertverordnung,
- strategische Liquiditätsplanung,
- Einarbeitung von Vorsorgeinstrumenten wie Versicherungslösungen.
Stiftungen und Family Governance
Die Debatte um Vermögensgerechtigkeit stärkt das Interesse an:
- Philanthropiestiftungen,
- Doppelstiftungsmodellen,
- Generationenfonds,
- Nachhaltigkeitsorientierter Allokation (ESG).
Fazit
Die deutliche Ablehnung der Erbschaftssteuerinitiative stellt einen klaren Entscheid zugunsten steuerlicher Stabilität dar. Die Schweiz behauptet ihre Position als international attraktiver Standort für Vermögende und Unternehmerfamilien. Zugleich zeigt die gesellschaftliche Debatte, dass Vermögensbesteuerung künftig stärker im Fokus stehen wird. Für Finanz- und Nachfolgeplaner bedeutet dies: strategische Ruhe im Jetzt, gepaart mit vorausschauender Szenarioplanung für die Zukunft.
Anhang A: Handlungsschritte für die Beratungspraxis
| Nr. | Handlungsschritt |
|---|---|
| 1 | Überprüfung kantonaler Erbschafts- und Schenkungsregelungen für alle relevanten Wohnsitze |
| 2 | Aktualisierung von Vermögensstrukturen (Holdings, Stiftungen, Trusts) |
| 3 | Bewertung aller wesentlichen Vermögenswerte nach steuerlichen Vorgaben |
| 4 | Erstellung einer Liquiditätsplanung für Nachfolge- und Erbfälle |
| 5 | Dokumentation grenzüberschreitender Vermögenswerte gemäß CRS/FATCA |
| 6 | Optimierung des Wohnsitzes bei komplexen Familienstrukturen |
| 7 | Vorbereitung eines Pflichtteilsmanagements für direkte Nachkommen |
| 8 | Aufbau einer Familienverfassung zur Minimierung von Erbkonflikten |
| 9 | Prüfung philanthropischer Strukturen zur steueroptimierten Vermögensverwendung |
| 10 | Szenarioplanung für mögliche zukünftige Steuerreformen |
Anhang B: Rechtliche Quellen und Fundstellen
| Bereich | Quelle / Fundstelle |
|---|---|
| Verfassungsrecht | Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Art. 128 ff. Steuerkompetenzen |
| Kantonale Steuern | Kantonssteuerordnungen (z. B. Zug, Genf, Waadt, Schwyz) |
| Unternehmensbewertung | Schweizer Steuerwertverordnung |
| Internationales Steuerrecht | DBA Schweiz–Deutschland; OECD-Standard; CRS/FATCA |
| Nachfolgeplanung | Schweizer Zivilgesetzbuch, Erbrecht Art. 457–640 |
| Stiftungsrecht | Schweizer ZGB Art. 80–89 |
| Wegzugsregelungen | EU-Steuerrichtlinien, nationale Wegzugsteuern verschiedener Länder |
Anhang C: Zentrale Praxisimplikationen
| Thema | Kernaussage |
|---|---|
| Steuerplanung | Nationale Erbschaftssteuer bleibt unwahrscheinlich, aber politische Dynamik steigt |
| Vermögensschutz | Stiftungen, Holdings und Trusts bleiben zentrale Bausteine |
| Unternehmensnachfolge | Bewertung und Liquiditätsplanung sind weiterhin entscheidend |
| Internationale Familien | Doppelbesteuerungsrisiken nehmen zu, trotz Schweizer Steuerstabilität |
| Meldepflichten | Höhere Transparenzanforderungen erfordern präzise Dokumentation |
| Beratung | Proaktive Szenarioplanung wird strategisch zwingend |
Leitsatz
Die deutliche Ablehnung der Erbschaftssteuerinitiative stärkt die steuerliche Planungssicherheit in der Schweiz, erfordert jedoch vorausschauende Strukturierung angesichts wachsender internationaler und politischer Umverteilungsdebatten.