Für Finanz- und Nachfolgeplaner ist das Thema der Nachfolgeplanung heute zwingend: Alternde Unternehmer-Generationen, steigende Vermögenswerte (vorwiegend bei Immobilien und Betriebsvermögen), volatile Märkte und sich wandelnde Steuerregeln machen frühes, strukturiertes Planen unabdingbar. Fehler oder Versäumnisse in der Übergabe können erhebliche Steuerbelastungen, Liquiditätsprobleme und im schlimmsten Fall den Verlust eines Lebenswerks bedeuten. Diesem Beitrag liegt die Prämisse zugrunde: Vertrauen braucht klare Strukturen, um Bestand zu haben. Auf dieser Grundlage sollen konkrete Praxisbeispiele, Marktdaten und rechtliche Rahmenbedingungen aufgezeigt werden, um Fachleute wirkungsvoll zu beraten.
- Aktuelle Rahmenbedingungen und Marktdaten (Stand 2024/2025)
1.1 Erbschafts- & Schenkungsteuer in Deutschland
Freibeträge: Ehegatten/Lebenspartner 500.000 €, Kinder/Stiefkinder 400.000 €.
Finanztip
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Verwandtschaftsgrade und Steuerklassen I-III bestimmen Steuersatz (zwischen ca. 7 % und 50 %) nach dem zu versteuernden Erbteil.
Finanztip
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10-Jahresregel bei Schenkungen: Freibeträge können alle zehn Jahre erneut genutzt werden – wichtig zur Steueroptimierung.
HAC VermögensManagement AG
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Bundesministerium der Finanzen
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1.2 Bewertung von Immobilien und Betriebsvermögen
Immobilienwerte steigen, was dazu führt, dass auch höhere Freibeträge nicht ausreichen, besonders bei geerbten Immobilien.
Vermögenszentrum
Gesetzliche Vorgaben zur Bewertung (Bewertungsgesetz, BMF-Schreiben) gerade für Sachwerte und lebenslängliche Nutzungen wurden überarbeitet und an Baupreisindizes angepasst.
Bundesministerium der Finanzen
1.3 Unternehmensnachfolge – Bedeutung und Herausforderungen
Viele Unternehmen (KMU, Familienbetriebe) sind stark abhängig von Einzelpersonen. Innovation, Digitalisierung und Anpassung an Marktveränderungen sind häufig unzureichend.
ihk-muenchen.de
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Bundeswirtschaftsministerium
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Für Unternehmensnachfolge empfiehlt die IHK, einen Vorlauf von mindestens fünf Jahren für die Vorbereitung, oft sind steuerliche oder strukturbedingte Maßnahmen sogar früher sinnvoll.
ihk-muenchen.de
- Praxisbeispiele
Beispiel A: Unternehmensnachfolge im Handwerk
Ein kleineres Handwerksunternehmen (Kälte- und Klimatechnik) mit etwa sieben Mitarbeitenden wurde über einen Beratungswettbewerb erfolgreich übergeben. Entscheidend war, dass nicht nur ein Käufer gefunden wurde, sondern der Unternehmenswert transparent ermittelt, betriebliche Prozesse modernisiert und die Übergabe rechtlich und finanziell so vorbereitet war, dass der Übernehmende keine Schattenkosten übernehmen musste.
bdu.de
Beispiel B: Best-Practice im Mittelstand (Kreis Coesfeld)
Das Modell im Kreis Coesfeld zeigt, wie unterschiedliche Unternehmerfamilien, Berater und Institutionen zusammenarbeiten, um Nachfolgeprozesse sichtbar zu machen: Podcasts, Video-Interviews, Netzwerke, gezielte Förderung und Beratung. Dadurch konnte Wissensverlust verhindert und Übergaben geordnet gestaltet werden.
wfc Wirtschaftsförderung Kreis Coesfeld
Beispiel C: Erbschaftsteuerliche Optimierung bei Immobilien
Bei geerbten Immobilien wird oft übersehen, dass durch geschickte Nutzung von Freibeträgen, Schenkungen zu Lebzeiten oder Nutzung von Bewertungsabschlägen Steuerbelastung gedrückt werden kann. Ein aktuelles Szenario zeigt, dass für Kinder oft 400.000 € Freibetrag gilt, aber durch Immobilienwertsteigerungen und fehlende Planung darüber hinaus erhebliche Steuerlast entsteht.
Finanztip
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- Rechtliche und steuerliche Pflichten
Erbschafts- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG): Freibeträge, Steuerklassen, Bewertungsvorschriften.
Bundesministerium der Finanzen
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BewG (Bewertungsgesetz) und BMF-Schreiben: Bewertung lebenslänglicher Nutzungen, Immobilienbewertung.
Bundesministerium der Finanzen
Meldepflichten bei Betriebsübergaben (z. B. Register, Handelsregister, ggf. auch steuerliche Anzeigen).
Dokumentationspflichten: Verträge, Vereinbarungen, Gutachten, Bewertung, ggf. notarielle Beglaubigungen.
- Handlungsempfehlungen
Phase Was zu tun ist Ziel / Wirkung
Vorbereitung (5-10 Jahre vorher) • Unternehmenswerte analysieren (z. B. Cashflows, Potenziale, Marktposition)
- Vision / Strategie für Übergabe entwickeln (intern oder extern)
- notwendige Modernisierung & Digitalisierung priorisieren
- rechtliche Struktur prüfen (Gesellschaftsformen, Nachfolgeregelungen) Frühzeitige Identifikation von Schwachstellen, klare Strategie und verhindert Last Minute-Stress
Steuerliche Gestaltung • Freibeträge kennen und nutzen - Schenkungen zu Lebzeiten einplanen unter Berücksichtigung der 10-Jahresregel
- Immobilien- bzw. Betriebsbewertung optimieren
- mögliche Steuerbefreiungen und Verschonungsregelungen prüfen Minimierung der Steuerlast, Erhalt von Vermögen und Liquidität
Recht & Dokumentation • Verträge und Regelungen schriftlich festhalten: Übergabeverträge, Testamente, Schenkungsverträge, Eheverträge, ggf. Erbverzicht etc. - notarielle Beurkundungen, Bewertungsgutachten, Dokumentation von Bewertungsgrundlagen
- klare Regelungen für Notfälle: Vormundschaft, Vertretungsrechte, Vollmachten Rechtssicherheit, Vermeidung von Streitigkeiten und Überraschungen
Kommunikation & Governance • Offener Dialog mit Familie und Nachfolger:innen über Erwartungen und Fähigkeiten - ggf. externe Moderation oder Coaching nutzen
- Governance-Strukturen etablieren (z. B. Beirat, Kontrollorgan etc.) Transparenz, Vermeidung von Konflikten, nachhaltiger Übergang
Implementierung & Übergabephase • Schritt-weise Übergabe von Verantwortung und Kontrolle - klare Regelung über Zahlung / Gegenleistungen (Kaufpreis, Raten etc.)
- Übergabezeitraum definieren und begleiten
- Monitoring nach Übergabe: Wie läuft Geschäft, wie ist Entwicklung? Sanfter Übergang, geringere Risiken für Betrieb & Nachfolger
- Innovationen, Trends & Risikofaktoren
Digitalisierung und Automatisierung sind zunehmend relevant, nicht nur in Geschäftsprozessen, sondern auch bei Bewertungen und Datenbereitstellungen.
Steigende Immobilienpreise und Marktvolatilität erhöhen das Risiko, dass Bewertungswerte stark schwanken, was steuerlich zum Problem werden kann.
Demografischer Wandel und Fachkräftemangel beeinflussen Unternehmenskulturen und die Fähigkeit, Nachfolger:innen intern aufzubauen.
Gesetzesänderungen in Sicht: Parteien diskutieren mögliche Erbschaftsteuer-Reformen, Anpassungen bei Steuerklassen, Steuerbefreiungen und Verschonungsregelungen.
capital.de
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Fazit
Für Finanz- und Nachfolgeplaner gilt: Vertrauen allein reicht nicht. Nur wenn es durch klare Strukturen, frühzeitige Planung, steuerliches Wissen und transparente Kommunikation getragen wird, gewinnt es Bestand.
Anhang A: Tabelle „Handlungsschritte“
Reihenfolge Schritt Verantwortlich Zeitpunkt
1 Bestandsaufnahme: Vermögenswerte, Immobilien, Unternehmenskennzahlen, Bewertungsgrundlagen Nachfolger/Übergeber mit externem Berater 5-10 Jahre vorher
2 Steuerliche Szenarien durchspielen (Erbschaft vs. Schenkung, Freibeträge) Steuerberater 5 Jahre vorher
3 Rechtliche Gestaltung (Verträge, Eheverträge, Testament etc.) Rechtsanwalt / Notar 5-3 Jahre vorher
4 Modernisierung, Digitalisierung, Prozesse auditieren Interne Führung + externer Berater 3-2 Jahre vorher
5 Auswahl und Vorbereitung der Nachfolger:innen Unternehmer und HR/Coaches 2-1 Jahr vorher
6 Finanzielle Regelung: Kaufpreis, Übergabemodelle, Zahlungsmodalitäten Unternehmer, Steuerberater Vor Übergabe
7 Implementierung: Übergabe, Entzug von Verantwortlichkeiten etc. Beide Seiten, begleitend Übergabephase
8 Nachbereitung & Monitoring Nachfolger, evtl. Berater 1-2 Jahre nach Übergabe
Anhang B: Tabelle „Rechtliche Quellen“
Rechtsquelle Relevante Vorschriften / Gesetze
Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) Freibeträge, Steuerklassen, Verschonungs- und Bewertungsregelungen
Bewertungsgesetz (BewG) Vorschriften zur Wertermittlung, insbesondere bei Immobilien und Sachwerten
BMF-Schreiben Hinweise zu Baupreisindizes, Bewertungsanforderungen, festgestellte Bewertungsverfahren
Handels- & Gesellschaftsrecht Regelungen zur Gesellschaftsform, Übertragung von Anteilen, Haftungen
Notarrecht / Beurkundungspflichten Formvorschriften bei Verfügungen und Verträgen
Anhang C: Zusammenfassung der wichtigsten Praxisimplikationen
Früh beginnen (5-10 Jahre) zahlt sich aus – Planung braucht Zeit.
Steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten (z. B. Schenkungen, Nutzung Freibeträge) aktiv nutzen.
Rechtliche Absicherung und Dokumentation sind entscheidend, um Streit oder steuerliche Nachteile zu vermeiden.
Klare Kommunikation und transparente Rollen helfen der Nachfolgeorganisation.
Monitoring nach Übergabe sichert, dass Ideen und Strukturen greifen und justiert werden können.