
Das deutsche Erbrecht bietet eine Vielzahl von Regelungen, die den Übergang von Vermögenswerten im Todesfall strukturieren sollen. Eine dieser Regelungen ist der sogenannte Voraus, der dem überlebenden Ehepartner unter bestimmten Bedingungen zusteht. Für Finanz- und Nachfolgeplaner ist es wichtig, diesen Anspruch zu verstehen, um Mandanten optimal beraten und Konflikte vermeiden zu können. In diesem Beitrag erfahren Sie, was der Voraus ist, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen und wie diese Regelung in der Praxis umgesetzt werden kann.
Was ist der Voraus?
Der Voraus ist ein gesetzliches Vermächtnis, das im § 1932 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geregelt ist. Es gibt dem überlebenden Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner das Recht, bestimmte Gegenstände aus dem Nachlass des Verstorbenen zu beanspruchen.
Gegenstände des Voraus:
- Haushaltsgegenstände:
Möbel, Haushaltsgeräte, Dekorationsartikel und andere für die Haushaltsführung erforderliche Dinge. - Hochzeitsgeschenke:
Persönliche Geschenke, die anlässlich der Eheschließung gemacht wurden (z. B. Schmuck, Kunstwerke).
👉 Wichtig: Der Voraus steht nur Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern zu, die gesetzliche Erben sind. Sind sie testamentarisch ausgeschlossen, entfällt dieser Anspruch.
Warum ist der Voraus wichtig?
Der Voraus dient der sozialen Absicherung des überlebenden Partners und sorgt dafür, dass dieser nach dem Verlust nicht ohne grundlegende Haushaltsgegenstände dasteht. Er verhindert zudem Konflikte mit Miterben, insbesondere wenn Kinder oder entferntere Verwandte Ansprüche stellen.
Beispiel:
Frau Müller verstirbt und hinterlässt ihren Ehemann sowie zwei Kinder. Der Ehemann kann durch den Voraus die Möbel und Haushaltsgegenstände behalten, ohne dass diese Teil des Erbes werden und unter den Kindern aufgeteilt werden müssen.
Einschränkungen und Besonderheiten
Die Reichweite des Voraus hängt von der Erbenkonstellation ab.
1. Erben erster Ordnung (Kinder, Enkel):
Ist der Ehegatte neben Kindern oder Enkeln erbberechtigt, umfasst der Voraus nur die Gegenstände, die für die Haushaltsführung notwendig sind.
Praxisbeispiel:
Herr Meier hinterlässt seine Ehefrau und zwei Kinder. Die Ehefrau kann Gegenstände wie Kühlschrank und Bett beanspruchen, aber nicht die antike Kommode oder Kunstwerke, da diese nicht zur notwendigen Haushaltsführung zählen.
2. Erben zweiter Ordnung (Eltern, Geschwister):
Sind keine Nachkommen vorhanden, kann der Ehegatte sämtliche Haushaltsgegenstände ohne Einschränkungen beanspruchen.
Praxisbeispiel:
Frau Schmidt stirbt kinderlos. Neben ihrem Mann erben nur entfernte Verwandte wie Geschwister. Der Ehemann hat Anspruch auf den gesamten Haushalt, unabhängig vom Wert der Gegenstände.
Der Voraus und der Erbteil
Ein wesentlicher Punkt ist, dass der Voraus zusätzlich zum gesetzlichen Erbteil gewährt wird.
Beispiel zur Erbverteilung:
Herr Müller stirbt und hinterlässt:
- Seine Frau
- Zwei Kinder
- Einen Nachlass von 120.000 €
- Die Ehefrau erhält 1⁄2 (60.000 €).
- Die Kinder teilen sich den Rest (je 30.000 €).
Zusätzlich kann die Frau die notwendigen Haushaltsgegenstände wie Möbel und Elektrogeräte behalten. Diese werden nicht vom Erbteil abgezogen.
Ausschluss durch Testament
Der Voraus kann durch ein Testament ausgeschlossen oder eingeschränkt werden. Allerdings muss dies klar und rechtssicher formuliert sein, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.
Praxisbeispiel:
Herr Schulze verfügt in seinem Testament, dass seine antike Uhrensammlung an seinen Sohn gehen soll. Diese fällt damit nicht unter den Voraus und bleibt vom Ehegatten unberührt.
Checkliste: Umsetzung des Voraus in der Beratung
Schritt | Beschreibung | Rechtliche Quelle |
---|---|---|
1. Erbenkonstellation analysieren | Prüfen, ob der Ehegatte gesetzlicher Erbe ist und ob Erben erster oder zweiter Ordnung vorhanden sind. | §§ 1932, 1924, 1925 BGB |
2. Haushaltsgegenstände ermitteln | Auflisten der Gegenstände, die für die Haushaltsführung notwendig sind (bei Erben erster Ordnung). | § 1932 Abs. 1 BGB |
3. Testament prüfen | Sicherstellen, dass keine entgegenstehenden testamentarischen Verfügungen existieren. | § 1932 Abs. 3 BGB |
4. Verteilung vorbereiten | Abstimmung zwischen Ehegatten und Miterben, um den Voraus korrekt umzusetzen und Streit zu vermeiden. | §§ 2042, 2057 BGB |
5. Konfliktlösung einplanen | Geeignete Mediationsansätze oder gerichtliche Verfahren im Konfliktfall vorbereiten. | BGB, Familienrecht |
Fazit: Schutz und Gestaltungsmöglichkeiten
Der Voraus ist ein zentrales Instrument, um den überlebenden Ehegatten in der Erbfolge abzusichern. Für Finanz- und Nachfolgeplaner bietet er Ansatzpunkte, um Mandanten optimal zu beraten und rechtliche Konflikte frühzeitig zu vermeiden. Eine umfassende Bestandsaufnahme der Vermögenswerte und eine klare Testamentsgestaltung sind essenziell, um Streit zu verhindern und die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen.