Viele Mandanten gehen davon aus, dass der Wegfall einer Steuer im Ausland automatisch steuerliche Vorteile für sie bringt. Doch die Realität sieht oft anders aus. Ein aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24. Mai 2023 (Az. II R 27/20) zeigt, wie wichtig es ist, grenzüberschreitende Steuerfragen präzise zu prüfen. Für Finanz- und Nachfolgeplaner bietet das Urteil wertvolle Erkenntnisse zur Schenkungsteuer bei Doppelansässigkeit im Rahmen des Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) zwischen Deutschland und Schweden.
Das Problem: Doppelansässigkeit und Schenkungsteuer
Hintergrund: Wegfall der Schenkungsteuer in Schweden
Schweden hat die Schenkungsteuer bereits 2005 abgeschafft. Für Mandanten mit Bezug zu beiden Ländern klingt das zunächst wie eine steuerliche Erleichterung. Doch das DBA-Schweden aus dem Jahr 1992 sorgt in Fällen von Doppelansässigkeit dafür, dass das deutsche Schenkungsteuerrecht greift. Artikel 4 Abs. 1 Buchst. b des Abkommens legt fest, dass bei Schenkungen von Personen, die in Deutschland und Schweden ansässig sind, ausschließlich Deutschland das Besteuerungsrecht hat.
Was ist Doppelansässigkeit?
Doppelansässigkeit liegt vor, wenn eine Person nach den steuerlichen Kriterien beider Länder – etwa durch Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt – als steuerlich ansässig gilt. Für solche Konflikte stellt das DBA eine Regelung bereit. Im konkreten Fall entschied der BFH: Auch wenn Schweden keine Schenkungsteuer erhebt, bleibt die Schenkung in Deutschland steuerpflichtig.
Was bedeutet das in der Praxis?
Beispiel 1: Ferienhaus in Schweden
Ein Unternehmer, der sowohl in Deutschland als auch in Schweden steuerlich ansässig ist, möchte sein Ferienhaus in Schweden an seine Kinder verschenken. Obwohl Schweden keine Schenkungsteuer erhebt, fällt die Übertragung unter das deutsche Steuerrecht. Das bedeutet, dass Freibeträge wie 400.000 EUR pro Kind (Stand 2024) genutzt werden können, der darüber hinausgehende Betrag aber nach den deutschen Schenkungsteuersätzen besteuert wird.
Beispiel 2: Aktienportfolio mit internationalem Bezug
Ein Mandant mit doppelter Ansässigkeit möchte seinem Enkel ein Aktienportfolio übertragen, das sich teilweise in Schweden befindet. Auch in diesem Fall greift das deutsche Schenkungsteuerrecht. Der Freibetrag für Enkel beträgt aktuell 200.000 EUR. Liegt der Wert der Aktien darüber, wird die Differenz nach deutschen Steuersätzen besteuert.
Was sollten Finanzplaner beachten?
1. Frühzeitige Planung ist entscheidend
Internationale Vermögensübertragungen erfordern eine sorgfältige Planung. Mandanten sollten frühzeitig auf die steuerlichen Konsequenzen grenzüberschreitender Schenkungen hingewiesen werden, um unerwartete Steuerlasten zu vermeiden.
2. Nutzung von Freibeträgen
Die Nutzung der Freibeträge ist ein zentraler Punkt in der Schenkungsteuerplanung. Finanzplaner können Mandanten beispielsweise dazu raten, größere Vermögenswerte in mehreren Tranchen über mehrere Jahre zu übertragen, um die Freibeträge optimal auszuschöpfen.
3. Steuerliche Optimierung durch Güterstand oder Stiftungen
In bestimmten Fällen kann ein Wechsel des Güterstands oder die Einbindung einer Familienstiftung steuerliche Vorteile bringen. Diese Möglichkeiten sollten individuell geprüft werden.
4. Rechtliche Beratung einbinden
Mandanten mit doppeltem Steuerbezug benötigen oft Unterstützung von Experten in beiden Ländern. Die Zusammenarbeit mit erfahrenen Steuerberatern und Anwälten ist unverzichtbar, um eine umfassende Beratung zu gewährleisten.
5. Mandanten über die Bedeutung des DBA aufklären
Ein häufiger Irrglaube ist, dass der Wegfall einer Steuer im Ausland immer steuerliche Vorteile bringt. Finanzplaner sollten Mandanten darüber informieren, dass das DBA-Schweden für Klarheit sorgt, aber auch dazu führt, dass das deutsche Steuerrecht Vorrang hat.
Checkliste: Schenkungsteuer bei Doppelansässigkeit
Schritt | Beschreibung | Quelle/Referenz |
---|---|---|
1. Ansässigkeit prüfen | Klärung der steuerlichen Ansässigkeit in beiden Ländern gemäß Artikel 4 des DBA-Schweden | DBA-Schweden, Art. 4 |
2. Vermögenswerte erfassen | Erstellung eines detaillierten Inventars aller relevanten Vermögenswerte | Mandanteninterne Vermögensübersicht |
3. Freibeträge berechnen | Prüfung, welche deutschen Freibeträge angewendet werden können | §16 ErbStG |
4. Steuerliche Zuständigkeit klären | Analyse der Besteuerung nach deutschem Recht bei grenzüberschreitenden Schenkungen | BFH-Urteil II R 27/20 |
5. Steueroptimierung planen | Gestaltung von Schenkungen durch gestaffelte Übertragungen oder Nutzung von Stiftungen | Steuerberater und Fachanwälte |
6. Rechtliche Dokumentation sicherstellen | Notarielle Beurkundung von Schenkungen und Erstellung rechtlicher Unterlagen | Notar oder Rechtsanwalt für Erbrecht |
7. Mandanten langfristig betreuen | Integration der Schenkung in eine umfassende Nachfolge- und Vermögensplanung | Finanzplaner und Nachfolgeberater |
Fazit: Vorsicht bei internationalen Schenkungen
Das BFH-Urteil verdeutlicht, wie wichtig es ist, steuerliche Detailkenntnisse in der internationalen Nachfolgeplanung einzubringen. Für Finanz- und Nachfolgeplaner liegt der Schlüssel zum Erfolg in einer frühzeitigen, umfassenden Beratung, die rechtliche und steuerliche Aspekte berücksichtigt.
Nutzen Sie die Erkenntnisse aus dem Urteil, um Mandanten proaktiv auf die Besonderheiten bei Doppelansässigkeit hinzuweisen – und ihnen dadurch rechtliche und steuerliche Sicherheit zu bieten.