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Der Erlassvertrag im Kontext der Finanz- und Nachfolgeplanung

Erlassverträge spielen im deutschen Recht eine bedeutende Rolle, insbesondere im Rahmen der Finanzplanung und Nachfolgegestaltung. Speziell in erbrechtlichen Fragen bieten sie eine Möglichkeit, finanzielle Verpflichtungen zu regeln oder aufzuheben. Ein aktueller Fall des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg verdeutlicht, wie diese Verträge im Erbrecht wirken und welche Fallstricke zu beachten sind.

Was ist ein Erlassvertrag?

Ein Erlassvertrag ist eine Vereinbarung zwischen einem Gläubiger und einem Schuldner, durch die eine Forderung erlassen wird. Das Schuldverhältnis wird damit beendet (§ 397 Abs. 1 BGB). Ein solcher Vertrag kann sowohl mündlich als auch schriftlich abgeschlossen werden, ist jedoch in der Regel in schriftlicher Form rechtswirksamer und besser nachweisbar.

In der Finanz- und Nachfolgeplanung gewinnt der Erlassvertrag an Bedeutung, wenn es darum geht, Nachlassverbindlichkeiten zu regeln oder die wirtschaftliche Lage innerhalb der Familie zu gestalten. Besonders in Erbangelegenheiten oder Vermögensübertragungen zwischen Familienmitgliedern können Erlassverträge für Klarheit und Stabilität sorgen.

Praxisbeispiel: Der Fall des OLG Oldenburg

Der Beschluss des OLG Oldenburg (Az. 3 U 14/24) vom 10.07.2024 verdeutlicht, wie Erlassverträge in der Praxis funktionieren, insbesondere wenn sie in Kombination mit Erbverträgen auftreten. Hier die wichtigsten Fakten:

  • 2014 verkaufte eine Mutter ein Grundstück an ihren Sohn für 300.000 EUR. Die Zahlung sollte in monatlichen Raten à 2.000 EUR erfolgen.
  • 2015 schloss die Mutter einen Erbvertrag, in dem sie ihre Tochter als Alleinerbin einsetzte.
  • 2021 erließ die Mutter dem Sohn die restlichen Kaufpreisraten.
  • Nach dem Tod der Mutter klagte die Tochter auf Zahlung von drei noch offenen Monatsraten aus dem Jahr 2019.

Rechtliche Beurteilung

Das Gericht bestätigte, dass der Erblasser zu Lebzeiten frei über sein Vermögen verfügen kann, obwohl ein Erbvertrag existiert. Der Schutz des Vertragserben greift nur, wenn der Erblasser das Recht missbräuchlich verwendet, um das Erbe zu schmälern (§ 2287 BGB).

In diesem Fall stellte das Gericht keinen Missbrauch fest. Die Mutter handelte nach eigenem Ermessen und nicht aus der Absicht heraus, das Erbe der Tochter zu verkleinern. Die Abwägung der familiären Interessen und die Gesamtumstände spielten eine zentrale Rolle in der Entscheidung.

Bedeutung für die Finanz- und Nachfolgeplanung

Dieser Fall verdeutlicht einige zentrale Aspekte, die in der Finanz- und Nachfolgeplanung berücksichtigt werden sollten:

  1. Flexibilität durch Erlassverträge: Finanzplaner können mit Erlassverträgen die Schuldenlast von Erben mindern oder gänzlich aufheben. Solche Verträge bieten eine Möglichkeit, finanzielle Verpflichtungen innerhalb der Familie zu regeln.
  2. Erbverträge sorgfältig prüfen: Erbverträge schränken die Verfügungsfreiheit des Erblassers nur begrenzt ein. Es ist möglich, zu Lebzeiten Vermögensdispositionen vorzunehmen, die im Widerspruch zu späteren Erbregelungen stehen. Hier sollte geprüft werden, ob ein Missbrauch der Verfügungsfreiheit vorliegt.
  3. Familiäre Interessen und Absichten berücksichtigen: Bei der Gestaltung von Nachfolgelösungen sollten die Motive und die familiäre Situation genau analysiert werden. Der Erlass von Schulden kann sowohl eine Geste des Wohlwollens als auch eine geplante Vermögensumverteilung sein.

Fazit

Erlassverträge sind ein wertvolles Werkzeug, um finanzielle Verpflichtungen im Rahmen der Nachfolgeplanung aufzulösen. In Kombination mit Erbverträgen kann es jedoch zu Konflikten kommen, die gründlich geprüft werden müssen, um rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Finanz- und Nachfolgeplaner sollten ihre Klienten dazu ermutigen, die jeweiligen Motive und Ziele zu reflektieren, um rechtssichere und faire Lösungen zu finden.

Praktische Checkliste für Finanz- und Nachfolgeplaner

SchrittBeschreibungRechtliche Quelle/Empfehlung
1. Vertragspartner identifizierenStellen Sie sicher, dass alle relevanten Parteien (Gläubiger und Schuldner) korrekt im Vertrag benannt sind.§ 397 Abs. 1 BGB
2. Schriftform bevorzugenUm spätere Unklarheiten zu vermeiden, sollte der Erlassvertrag schriftlich festgehalten werden.Empfehlungen der Rechtsprechung
3. Prüfung auf Missbrauch (§ 2287 BGB)Bei bestehenden Erbverträgen prüfen, ob der Erlassvertrag einen Missbrauch der Verfügungsfreiheit darstellt.§ 2287 BGB (Schutz des Vertragserben)
4. Familiäre und wirtschaftliche Interessen abwägenBerücksichtigen Sie die familiäre Gesamtsituation sowie eventuelle sittliche Verpflichtungen des Erblassers.Juristische Praxisempfehlung
5. Rechtzeitige BeratungHolen Sie frühzeitig juristische Beratung ein, um die rechtlichen Risiken bei Erlassverträgen zu minimieren.Praxisempfehlungen und Kanzleiberatung

Diese Checkliste soll Finanzplanern und Nachfolgeberatern helfen, die rechtlichen und praktischen Herausforderungen bei der Gestaltung von Erlassverträgen besser zu verstehen und sicherzustellen, dass ihre Klienten von den bestmöglichen Lösungen profitieren.

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