
Die Regel- und Optionsverschonung im Erbschaftsteuerrecht bieten Unternehmern erhebliche steuerliche Vorteile. Ein zentraler Bestandteil dieser Regelungen ist der Finanzmitteltest, der bestimmt, welche Teile des Betriebsvermögens steuerlich begünstigt werden. In diesem Beitrag erklären wir, was Finanzmittel sind, wie der Finanzmitteltest funktioniert und welche Unterschiede zwischen der Regel- und Optionsverschonung bestehen. Zudem wird anhand eines Beispiels der Muster GmbH & Co. KG gezeigt, wie Gesellschafterdarlehen in den Finanzmitteltest einbezogen werden.
Was sind Finanzmittel?
Finanzmittel umfassen verschiedene Arten von Vermögenswerten, die in einem Unternehmen vorhanden sein können. Dazu gehören:
- Zahlungsmittel: Bargeld und Sichteinlagen.
- Geschäftsguthaben: Sparanlagen und Festgeldkonten.
- Geldforderungen und andere Forderungen: Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, Forderungen an verbundene Unternehmen, Ansprüche aus Rückdeckungsversicherungen und Forderungen im Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters einer Personengesellschaft.
Diese Finanzmittel sind essenziell für den täglichen Betrieb eines Unternehmens, können aber auch als Verwaltungsvermögen klassifiziert werden, was ihre steuerliche Begünstigung beeinflusst.
Der Finanzmitteltest
Der Finanzmitteltest prüft, ob der Wert der Finanzmittel 15 Prozent des anzusetzenden Werts des Betriebsvermögens übersteigt. Finanzmittel, die diesen Schwellenwert überschreiten, gelten als Verwaltungsvermögen und sind nicht begünstigt. Dies bedeutet, dass sie nicht von den steuerlichen Vorteilen der Regel- oder Optionsverschonung profitieren.
Beispiel:
Ein Unternehmen hat ein Betriebsvermögen von 1 Million Euro. Der Wert der Finanzmittel beträgt 200.000 Euro. Da 200.000 Euro 20 Prozent des Betriebsvermögens ausmachen und damit den Schwellenwert von 15 Prozent überschreiten, gelten die Finanzmittel, die über 150.000 Euro hinausgehen, als Verwaltungsvermögen und sind somit nicht steuerlich begünstigt.
Junge Finanzmittel
Besonders zu beachten sind die sogenannten „jungen Finanzmittel“. Dies sind Finanzmittel, die innerhalb von zwei Jahren vor dem Zeitpunkt der Steuerentstehung eingelegt oder entnommen wurden. Diese werden vom Wert der Finanzmittel abgezogen und gelten als Verwaltungsvermögen, das nicht begünstigt ist.
Beispiel:
Ein Unternehmer legt zwei Jahre vor seinem Tod 50.000 Euro auf ein Geschäftskonto. Diese 50.000 Euro gelten als junge Finanzmittel und werden vom Wert der Finanzmittel abgezogen, wodurch sie als Verwaltungsvermögen klassifiziert werden.
Regel- und Optionsverschonung
Regelverschonung
Bei der Regelverschonung wird das begünstigte Vermögen zu 85 Prozent von der Steuer befreit. Finanzmittel bis zu einem Anteil von 15 Prozent des Betriebsvermögens sind begünstigt, sofern sie nicht als Verwaltungsvermögen klassifiziert werden. Dies bietet eine erhebliche Steuererleichterung für viele Unternehmen.
Beispiel:
Ein Betrieb mit einem Vermögen von 2 Millionen Euro kann bis zu 300.000 Euro (15 Prozent) an Finanzmitteln haben, die steuerlich begünstigt sind. Übersteigt der Wert der Finanzmittel diese Grenze, wird der überschüssige Betrag als Verwaltungsvermögen behandelt und nicht begünstigt.
Optionsverschonung
Die Optionsverschonung bietet eine 100-prozentige Steuerbefreiung für das begünstigte Vermögen. Allerdings darf das Verwaltungsvermögen nicht mehr als 20 Prozent des gemeinen Werts des Betriebs ausmachen. Finanzmittel, die als Verwaltungsvermögen gelten, sind hier ebenfalls nicht begünstigt. Diese Option ist besonders attraktiv für Unternehmen, die einen hohen Anteil an betriebsnotwendigem Vermögen haben und somit die strengen Anforderungen erfüllen können.
Beispiel:
Ein Unternehmen mit einem Betriebsvermögen von 5 Millionen Euro kann nach der Optionsverschonung bis zu 1 Million Euro (20 Prozent) an Verwaltungsvermögen haben, um von der 100-prozentigen Steuerbefreiung zu profitieren.
Besonderheiten
- Finanzmittel, die dem Hauptzweck eines Kreditinstituts, Finanzdienstleistungsinstituts oder Versicherungsunternehmens dienen, zählen nicht zum Verwaltungsvermögen.
- Bei Beteiligungen an Personengesellschaften sind sowohl die Finanzmittel als auch die abzugsfähigen Schulden in die Berechnung des Verwaltungsvermögens einzubeziehen.
Finanzmitteltest anhand der Bilanz der Muster GmbH & Co. KG
Berechnung des Unternehmenswerts mit dem vereinfachten Ertragswertverfahren
- Ermittlung des Durchschnittsertrags der letzten drei Jahre
Jahr | Ertrag (EUR) |
---|---|
2020 | 2.500.000 |
2021 | 2.800.000 |
2022 | 3.000.000 |
Durchschnittsertrag | 2.766.667 |
- Bestimmung der Kapitalisierungsrate
Wir nehmen eine Kapitalisierungsrate von 12 Prozent an.
- Berechnung des Ertragswerts
Ertragswert=DurchschnittsertragKapitalisierungsrateErtragswert=KapitalisierungsrateDurchschnittsertrag
Ertragswert=2.766.667 EUR0.12=23.055.558 EURErtragswert=0.122.766.667EUR=23.055.558EUR
Durchführung des Finanzmitteltests
- Bilanz der Muster GmbH & Co. KG
Posten | Wert (EUR) |
---|---|
Anlagevermögen | 12.566.581,11 |
Immaterielle Vermögensgegenstände | 70.380,32 |
Sachanlagen | 11.437.091,33 |
Finanzanlagen | 1.059.109,46 |
Umlaufvermögen | 86.406.599,68 |
Vorräte | 19.782.625,97 |
Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände | 49.459.936,73 |
Kassenbestand und Guthaben | 17.164.036,98 |
Rechnungsabgrenzungsposten | 181.131,46 |
Gesamtvermögen | 99.154.312,25 |
- Finanzmittel der Muster GmbH & Co. KG
Posten | Wert (EUR) |
---|---|
Kassenbestand, Bundesbankguthaben, Guthaben bei Kreditinstituten und Schecks | 17.164.036,98 |
Forderungen aus Lieferungen und Leistungen | 48.799.778,00 |
Forderungen gegen verbundene Unternehmen | 200.462,57 |
Sonstige Vermögensgegenstände | 459.696,16 |
Gesamtwert der Finanzmittel | 66.623.973,71 |
- Gesellschafterdarlehen
Posten | Wert (EUR) |
---|---|
Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern | 39.426.111,92 |
- Netto-Finanzmittel (nach Abzug der Gesellschafterdarlehen)
Berechnung | Wert (EUR) |
---|---|
Gesamtwert der Finanzmittel | 66.623.973,71 |
Abzug: Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern | -39.426.111,92 |
Netto-Finanzmittel | 27.197.861,79 |
- Schwellenwert: 15 Prozent des Ertragswerts
Berechnung | Wert (EUR) |
---|---|
15 Prozent des Ertragswerts | 3.458.333,7 |
- Vergleich der Netto-Finanzmittel mit dem Schwellenwert
Vergleich | Wert (EUR) |
---|---|
Netto-Finanzmittel | 27.197.861,79 |
Schwellenwert (15 Prozent des Ertragswerts) | 3.458.333,7 |
Ergebnis | 27.197.861,79 > 3.458.333,7 |
Da die Netto-Finanzmittel den Schwellenwert von 15 Prozent des Ertragswerts übersteigen, gelten die überschüssigen Finanzmittel als Verwaltungsvermögen und sind nicht steuerlich begünstigt.
Fazit
Der Finanzmitteltest ist ein entscheidender Faktor bei der Inanspruchnahme der steuerlichen Vorteile der Regel- und Optionsverschonung. Unternehmer sollten genau prüfen, welche Finanzmittel als betriebsnotwendig gelten und welche als Verwaltungsvermögen klassifiziert werden. Eine sorgfältige Planung und Dokumentation kann helfen, die steuerlichen Vorteile optimal zu nutzen und unerwartete Steuerbelastungen zu vermeiden. Die Berücksichtigung von Gesellschafterdarlehen ist besonders wichtig, um die Klassifizierung von Finanzmitteln zu optimieren und eine vorteilhafte steuerliche Behandlung zu gewährleisten.