
Aktuelle Entwicklung
Die jüngste BFH-Rechtsprechung von 2024 hat fundamentale Veränderungen bei der Wegzugsteuer bewirkt. Finanz- und Nachfolgeplaner müssen ihre Strategien entsprechend anpassen.
Die Schweiz lockt nicht nur mit ihrer beeindruckenden Alpenkulisse und hohen Lebensqualität. Für vermögende Privatpersonen und Unternehmer bietet das Land durchaus attraktive steuerliche Rahmenbedingungen – insbesondere die in den meisten Kantonen fehlende Erbschaftsteuer bei Übertragungen an Abkömmlinge und Ehepartner macht die Eidgenossenschaft zu einem bevorzugten Ziel für die internationale Nachfolgeplanung.
Doch der vermeintlich einfache Schritt über die Grenze kann sich schnell zu einem steuerlichen Desaster entwickeln. Die komplexen Regelungen des deutsch-schweizerischen Doppelbesteuerungsabkommens (DBA), die erweiterte beschränkte Steuerpflicht und die tückischen Fallstricke der Wegzugsteuer erfordern eine sorgfältige strategische Planung. Besonders die aktuelle Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs aus dem Jahr 2024 hat die Spielregeln fundamental verändert und neue Planungsansätze erforderlich gemacht.
Die überdachende Besteuerung nach dem DBA Deutschland-Schweiz
Doppelansässigkeit als steuerliche Falle
Das deutsch-schweizerische DBA enthält Regelungen zur sogenannten „überdachenden Besteuerung”, die bei unvorsichtiger Planung zu einer erheblichen Mehrbelastung führen können. Diese tritt ein, wenn eine Person nach den nationalen Steuergesetzen beider Staaten unbeschränkt steuerpflichtig ist – etwa durch das Unterhalten von Wohnsitzen in beiden Ländern – jedoch nach dem DBA als in der Schweiz ansässig gilt.
Praxishinweis
Bei Doppelansässigkeit kann Deutschland den Steuerpflichtigen weiterhin wie eine unbeschränkt steuerpflichtige Person behandeln, auch wenn er nach dem DBA als in der Schweiz ansässig gilt. Die Schweizer Steuer wird lediglich angerechnet – das Ergebnis ist eine Besteuerung auf deutschem Niveau.
In der Praxis bedeutet dies: Ein Mandant, der sowohl in München als auch in Zürich eine Wohnung unterhält und nach den DBA-Regelungen als in der Schweiz ansässig eingestuft wird, unterliegt dennoch der deutschen Besteuerung seiner weltweiten Einkünfte. Die in der Schweiz entrichteten Steuern werden zwar angerechnet, jedoch erfolgt eine Aufstockung auf das deutsche Steuerniveau. Der erhoffte Steuervorteil verpufft vollständig.
Erweiterte beschränkte Steuerpflicht bei vollständigem Wegzug
Selbst bei einem vollständigen Wegzug unter Aufgabe aller deutschen Wohnsitze bleibt Deutschland ein erweitertes Besteuerungsrecht eingeräumt. Diese erweiterte beschränkte Steuerpflicht erstreckt sich über einen Zeitraum von sechs Jahren: das Jahr des Wegzugs plus die folgenden fünf Kalenderjahre.
Während dieses Zeitraums können deutsche Einkünfte und in Deutschland gelegene Vermögenswerte ungeachtet der sonstigen DBA-Bestimmungen unbeschränkt besteuert werden. Hierzu zählen insbesondere:
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung deutscher Immobilien
Gewinne aus der Veräußerung deutscher Betriebe oder Beteiligungen
Dividenden und Ausschüttungen deutscher Kapitalgesellschaften
Zinserträge aus deutschen Finanzanlagen
Ausnahmen nutzen
Die überdachende Besteuerung entfällt bei Schweizer Staatsangehörigkeit oder wenn der Wegzug zur Arbeitsaufnahme oder Eheschließung mit einem Schweizer erfolgt. Diese Ausnahmen sollten in der Beratung aktiv geprüft werden.
Strategische Planungsansätze für die Praxis
Für die Beratungspraxis ergeben sich verschiedene Gestaltungsansätze zur Minimierung der steuerlichen Belastung:
- Vermeidung der Doppelansässigkeit: Die saubere Trennung der Lebensmittelpunkte ist essentiell. Dies erfordert eine detaillierte Dokumentation der Aufenthaltszeiten, der familiären Bindungen und der wirtschaftlichen Interessen.
- Timing der Einkunftsrealisierung: Die Verlagerung von Veräußerungsgeschäften in den Zeitraum nach Ablauf der erweiterten beschränkten Steuerpflicht kann erhebliche Steuerersparnisse ermöglichen.
- Strukturierung des Vermögens: Die Übertragung deutscher Beteiligungen auf schweizerische Holdinggesellschaften vor dem Wegzug kann die zukünftige Besteuerung optimieren.
Erbschaftsteuerliche Komplexitäten beim Wegzug
Nachwirkende deutsche Erbschaftsteuerpflicht
Die erbschaftsteuerlichen Konsequenzen eines Wegzugs in die Schweiz sind besonders tückisch, da sie auch nach der Wohnsitzverlagerung noch jahrelang nachwirken können. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG bleibt eine Person, die ihren letzten inländischen Wohnsitz aufgegeben hat, für weitere fünf Jahre beschränkt erbschaftsteuerpflichtig.
Konkret bedeutet dies: Verstirbt ein ehemals in Deutschland ansässiger Erblasser innerhalb von sechs Jahren nach seinem Wegzug in die Schweiz, unterliegt sein gesamtes Vermögen der deutschen Erbschaftsteuer, sofern er in den zehn Jahren vor seinem Wegzug mindestens fünf Jahre eine ständige Wohnstätte in Deutschland hatte.
Prüfschema Erbschaftsteuerpflicht nach Wegzug:
- Hatte der Erblasser in den letzten 10 Jahren vor Wegzug mindestens 5 Jahre eine ständige Wohnstätte in Deutschland?
- Ist der Tod innerhalb von 6 Jahren nach dem Wegzug eingetreten?
→ Bei beiden Fragen “Ja”: Vollständige deutsche Erbschaftsteuerpflicht
Überdachende Besteuerung bei Doppelansässigkeit im Erbfall
Besonders problematisch ist die Situation bei einer Doppelansässigkeit im Zeitpunkt des Todes. Hat der in der Schweiz ansässige Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seit mindestens fünf Jahren einen Nebenwohnsitz in Deutschland unterhalten, der als ständige Wohnstätte qualifiziert, steht Deutschland nach dem DBA ohne zeitliche Begrenzung ein umfassendes Besteuerungsrecht zu.
Diese Regelung kann insbesondere bei Unternehmerfamilien zu erheblichen Belastungen führen, wenn etwa der Familienstammsitz in Deutschland beibehalten wird, während die operative Geschäftstätigkeit in die Schweiz verlagert wurde.
Besteuerung der Erwerber
Zusätzlich zur Erblasserbesteuerung kann Deutschland auch die Erwerber besteuern, wenn diese zum Zeitpunkt des Todes über eine ständige Wohnstätte in Deutschland verfügten oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt dort hatten. Diese Anknüpfung entfällt ausnahmsweise nur, wenn sowohl Erblasser als auch Erwerber Schweizer Staatsangehörige sind.
Fallstrick in der Nachfolgeplanung
Ein nach dem Wegzug in der Schweiz verstorbener deutscher Unternehmer kann durch die deutschen Erbschaftsteuerregelungen seine in Deutschland lebenden Kinder mit einer Steuerlast konfrontieren, die 30-50% des Unternehmenswerts betragen kann.
Praktische Gestaltungsansätze
Zur Minimierung der erbschaftsteuerlichen Risiken bieten sich verschiedene Strategien an:
Vorweggenommene Erbfolge: Die Übertragung von Vermögen bereits zu Lebzeiten vor dem Wegzug kann die späteren erbschaftsteuerlichen Konsequenzen vermeiden. Hierbei sind jedoch die Regelungen zur Schenkungsteuer und die zehnjährigen Freibetragszyklen zu beachten.
Strukturierung über Holdinggesellschaften: Die Zwischenschaltung schweizerischer Holdinggesellschaften kann bei entsprechender Strukturierung die deutsche Erbschaftsteuerpflicht durchbrechen.
Testamentarische Gestaltungen: Die Kombination aus deutschen und schweizerischen testamentarischen Verfügungen ermöglicht eine optimierte Nachlassabwicklung unter Berücksichtigung beider Rechtsordnungen.
Wegzugsteuer und Entstrickungsbesteuerung: Aktuelle Rechtslage nach der BFH-Rechtsprechung 2024
Grundlagen der Wegzugsteuer nach § 6 AStG
Die Wegzugsteuer nach § 6 AStG erfasst die Aufdeckung stiller Reserven bei Beteiligungen von mindestens 1% an Kapitalgesellschaften sowie bei wesentlichen Beteiligungen an Personengesellschaften. Sie führt zu einer Besteuerung, als ob die Anteile zum Zeitpunkt des Wegzugs veräußert worden wären – und das, obwohl dem Steuerpflichtigen keinerlei Liquidität zufließt.
Berechnung der Wegzugsteuer:
Wegzugsteuer = (Verkehrswert – Anschaffungskosten) × Steuersatz
Beispiel:
Verkehrswert der GmbH-Anteile: 5.000.000 €
Anschaffungskosten: 500.000 €
Stille Reserven: 4.500.000 €
Steuersatz (42%): 1.890.000 €
Revolutionäre BFH-Entscheidungen von 2024
Mit gleich zwölf wegweisenden Urteilen vom 11. Januar 2024 hat der Bundesfinanzhof die Wegzugsteuer fundamental reformiert. Die Kernaussagen der Rechtsprechung:
- Dauerhafter Stundungsanspruch: Auch bei Wegzügen in Drittstaaten wie die Schweiz muss die Wegzugsteuer dauerhaft gestundet werden, bis die Anteile tatsächlich veräußert werden.
- Zinsfreiheit der Stundung: Die gestundete Steuer darf nicht verzinst werden, da dies gegen die Niederlassungsfreiheit aus dem Freizügigkeitsabkommen EU-Schweiz verstoßen würde.
- Sicherheitsleistung zulässig: Das Finanzamt darf jedoch eine angemessene Sicherheitsleistung für die gestundete Steuer verlangen.
BFH-Rechtsprechung Az. I R 35/20
“Die Besteuerung nicht realisierter stiller Reserven ist geeignet, eine Person vom Wegzug in die Schweiz abzuhalten. Dies stellt einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit dar, der durch eine dauerhafte und zinslose Stundung zu kompensieren ist.”
Entstrickungsbesteuerung nach § 4 Abs. 1 S. 3 EStG
Neben der Wegzugsteuer für Beteiligungen kann auch die Entstrickungsbesteuerung für Betriebsvermögen relevant werden. Diese erfasst die Überführung von Wirtschaftsgütern aus einem deutschen Betriebsvermögen in ein ausländisches Betriebsvermögen oder die Begründung einer ausländischen Betriebsstätte.
Bei der Verlagerung einer deutschen Personengesellschaft oder einer Einzelfirma in die Schweiz werden die stillen Reserven sämtlicher Wirtschaftsgüter aufgedeckt und der deutschen Besteuerung unterworfen. Dies kann bei betriebsnotwendigen Immobilien oder wertvollen Maschinen zu erheblichen Steuerlasten führen.
Strategische Konsequenzen für die Beratungspraxis
Die neue BFH-Rechtsprechung eröffnet völlig neue Gestaltungsmöglichkeiten:
Stundungsantrag als Standardverfahren: Jeder Wegzug in die Schweiz sollte mit einem Antrag auf zinslose Stundung der Wegzugsteuer verbunden werden. Die Rechtsprechung schafft hier einen praktisch durchsetzbaren Anspruch.
Optimierung der Sicherheitsleistung: Als Sicherheit können Bankbürgschaften, Grundschulden oder Versicherungen gestellt werden. Die Wahl der Sicherheit beeinflusst die Kosten der Stundung erheblich.
Timing-Strategien: Da die Steuer erst bei tatsächlicher Veräußerung anfällt, können steueroptimale Veräußerungszeitpunkte gewählt werden – etwa nach Verlagerung des Lebensmittelpunkts oder in Jahren mit niedrigeren Einkünften.
Beispielrechnung Stundungsersparnis
Bei einer Wegzugsteuer von 2 Mio. € und einer zehnjährigen Haltefrist ergeben sich bei 6% Zinsen Ersparnisse von 1,2 Mio. € durch die zinslose Stundung. Dies kann die gesamte Rentabilität des Wegzugs beeinflussen.
Schweizer Steuerrecht: Chancen und Fallstricke für Zuzügler
Föderale Vielfalt als Planungsparameter
Das schweizerische Steuersystem ist geprägt von einem ausgeprägten Föderalismus, der erhebliche Unterschiede zwischen den Kantonen zur Folge hat. Für die Standortwahl sind neben den Einkommensteuersätzen insbesondere die Vermögensteuern und die verschiedenen Sonderregelungen von Bedeutung.
Die Gesamtsteuerbelastung (Bund, Kanton und Gemeinde) für einen verheirateten Steuerpflichtigen mit einem Nettoeinkommen von 300.000 CHF variiert zwischen den Kantonen erheblich:
Kanton Einkommensteuer (%) Vermögensteuer (‰) Besonderheiten
Zug 22,8% 1,5‰ Pauschalbesteuerung möglich
Schwyz 21,9% 1,5‰ Niedrigste Unternehmenssteuern
Genf 43,2% 3,0‰ Internationale Organisationen
Zürich 36,7% 2,5‰ Keine Pauschalbesteuerung
Vermögensteuer als unterschätzter Faktor
Ein wesentlicher Unterschied zum deutschen Steuersystem ist die in allen Kantonen erhobene Vermögensteuer. Diese wird auf das gesamte Nettovermögen (Vermögen abzüglich Schulden) erhoben und kann bei größeren Vermögen zu erheblichen jährlichen Belastungen führen.
Vermögensteuerberechnung Kanton Zug (vereinfacht):
Nettovermögen bis CHF 77.000: steuerfrei
CHF 77.001 – 308.000: 0,5‰
CHF 308.001 – 615.000: 1,0‰
über CHF 615.000: 1,5‰
Beispiel bei CHF 10 Mio. Nettovermögen:
Vermögensteuer ≈ CHF 15.000 pro Jahr
Für die Nachfolgeplanung ist besonders relevant, dass die Vermögensteuer auch auf nicht liquide Vermögenswerte wie Unternehmensbeteiligungen erhoben wird. Dies kann bei Familienunternehmen zu Liquiditätsproblemen führen, wenn keine entsprechenden Ausschüttungen erfolgen.
Pauschalbesteuerung für qualifizierte Zuzügler
Ein besonders attraktives Instrument für vermögende Zuzügler ist die Pauschalbesteuerung nach dem Aufwand. Diese steht ausländischen Staatsangehörigen zur Verfügung, die erstmals oder nach mindestens zehnjähriger Abwesenheit in die Schweiz ziehen und dort keine Erwerbstätigkeit ausüben.
Die Pauschalsteuer bemisst sich nach den jährlichen Lebenshaltungskosten und beträgt mindestens das Siebenfache des Mietzinses oder Mietwertes der Wohnung. Weltweite Einkünfte und Vermögen bleiben außer Betracht, solange keine schweizerischen Einkünfte erzielt werden.
Steuerersparnis durch Pauschalbesteuerung
Ein Unternehmer mit CHF 5 Mio. jährlichen Einkünften kann durch Pauschalbesteuerung statt CHF 2,1 Mio. ordentlicher Steuern nur CHF 350.000 Pauschalsteuer zahlen – eine Ersparnis von über 80%.
Komplexe Sozialversicherungslandschaft
Das schweizerische Sozialversicherungssystem weist erhebliche Unterschiede zum deutschen System auf und kann für Zuzügler zu unerwarteten Belastungen führen:
AHV/IV-Beiträge: Erwerbstätige zahlen 5,3% des Einkommens, Nichterwerbstätige mindestens CHF 514 pro Jahr, höchstens CHF 25.700 bei sehr hohen Vermögen.
Berufliche Vorsorge (BVG): Die obligatorische Pensionskasse ist nur bis zu einem Einkommen von CHF 88.200 (2024) vorgeschrieben, darüber hinaus bestehen freiwillige überobligatorische Lösungen.
Krankenversicherung: Die obligatorische Krankenversicherung ist als Kopfprämie ausgestaltet und beträgt je nach Kanton und Versicherer zwischen CHF 300-800 pro Monat.
Praxisbeispiele aus der Finanz- und Nachfolgeplanung
Fallstudie 1: Mittelständischer Unternehmer mit Nachfolgeregelung
Ausgangssituation:
Hans Müller (58 Jahre) ist Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter einer erfolgreichen Maschinenbau-GmbH in Baden-Württemberg mit einem Unternehmenswert von 12 Millionen Euro. Seine beiden Söhne sollen das Unternehmen in den nächsten Jahren übernehmen. Müller plant den Umzug in die Schweiz, um die Erbschaftsteuerbelastung zu reduzieren.
Problemanalyse:
Wegzugsteuer: 4,5 Mio. € stille Reserven × 42% = 1,89 Mio. €
Erweiterte beschränkte Steuerpflicht für 6 Jahre
Deutsche Erbschaftsteuer bei Tod innerhalb von 6 Jahren nach Wegzug
Vermögensteuer in der Schweiz auf Unternehmensbeteiligung
Optimierte Lösung:
Vorweggenommene Erbfolge: Übertragung von 75% der Anteile vor Wegzug unter Nutzung der Verschonungsregelung
Stundungsantrag für Wegzugsteuer auf verbleibende 25%
Wegzug nach Genf mit Pauschalbesteuerung
Gestaffelte Übertragung der Restanteile nach Ablauf der 6-Jahres-Frist
Steuerersparnis:
Gesamtersparnis ca. 3,2 Millionen Euro gegenüber ungeplanter Übertragung
Fallstudie 2: Investor mit Immobilienportfolio
Ausgangssituation:
Dr. Sandra Weber besitzt ein diversifiziertes Portfolio aus deutschen Gewerbeimmobilien (Wert: 8 Mio. €) und Beteiligungen an drei Start-ups (Wert: 2 Mio. €). Sie plant den Umzug nach Zug und möchte ihre Steuerbelastung optimieren.
Herausforderungen:
Mieteinnahmen unterliegen erweiterte beschränkte Steuerpflicht
Wegzugsteuer auf Start-up-Beteiligungen
Schweizer Vermögensteuer auf gesamtes Portfolio
Doppelbesteuerung bei Immobilienveräußerungen
Strukturierungslösung:
Übertragung der Start-up-Anteile auf schweizerische Holding vor Wegzug
Nutzung des DBA-Schachtelprivilegs bei späteren Veräußerungen
Beantragung von Pauschalbesteuerung in Zug
Strukturierung des Immobilienportfolios über deutsche GmbH & Co. KG
Ergebnis:
Jährliche Steuerersparnis von ca. 450.000 € bei optimierter Struktur
Fallstudie 3: Tech-Unternehmer mit Exit-Strategie
Ausgangssituation:
Marc König (42) ist Gründer eines FinTech-Unternehmens, das in 2-3 Jahren für voraussichtlich 50 Millionen Euro verkauft werden soll. Er hält 60% der Anteile und plant den Wegzug in die Schweiz vor dem Exit.
Strategische Überlegungen:
Wegzugsteuer bei heutigem Wert (15 Mio. €): ca. 5,25 Mio. €
Steuer beim späteren Verkauf in Deutschland: 12,6 Mio. €
Schweizer Kapitalgewinnsteuer für Privatpersonen: 0%
Timing der Wohnsitzverlagerung entscheidend
Optimale Gestaltung:
Sofortiger Wegzug nach Zug mit Stundungsantrag
Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft
Veräußerung nach Ablauf der 6-Jahres-Frist oder bei niedrigerem persönlichen Steuersatz
Nutzung der steuerfreien Kapitalgewinne in der Schweiz
Steueroptimierung:
Potentielle Ersparnis von bis zu 12 Millionen Euro bei optimaler Umsetzung
Strategische Planungsansätze und Gestaltungsoptionen
Timing als erfolgskritischer Faktor
Das Timing eines Wegzugs in die Schweiz kann über Erfolg oder Misserfolg der gesamten Steuerplanung entscheiden. Verschiedene zeitliche Aspekte müssen koordiniert werden:
Lebenszyklus-Betrachtung: Ein Wegzug ist besonders vorteilhaft vor größeren Veräußerungsgeschäften oder Erbfällen. Die sechsjährige Nachwirkung der deutschen Steuerpflicht erfordert eine langfristige Lebensplanung.
Unternehmenszyklen: Bei geplanten Unternehmensverkäufen sollte der Wegzug idealerweise vor der heißen Phase der Verhandlungen erfolgen, um die ernsthafte Absicht einer dauerhaften Wohnsitzverlagerung zu belegen.
Familiäre Zyklen: Die Berücksichtigung der Lebensphasen der Familienangehörigen – Schulwechsel der Kinder, berufliche Situation des Partners – ist für die langfristige Erfolgssicherung unerlässlich.
Strukturelle Optimierungen vor dem Wegzug
Die Vorbereitung eines Wegzugs erfordert oft strukturelle Anpassungen des Vermögens:
Holding-Strukturen: Die Zwischenschaltung von Holdinggesellschaften kann steuerliche Vorteile bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungen bieten. Insbesondere die Nutzung des DBA-Schachtelprivilegs bei Dividendenausschüttungen kann erhebliche Steuerersparnisse ermöglichen.
Familienstiftungen: Schweizerische oder liechtensteinische Familienstiftungen können als Instrumente der langfristigen Vermögensplanung dienen und dabei helfen, die deutsche Erbschaftsteuerpflicht zu durchbrechen.
Trust-Strukturen: In Kombination mit anderen Instrumenten können Trust-Strukturen zusätzliche Flexibilität in der internationalen Steuerplanung bieten.
Compliance und Meldepflichten
Ein ordnungsgemäßer Wegzug erfordert die Beachtung zahlreicher Melde- und Dokumentationspflichten:
Wichtige Meldepflichten
Abmeldung bei deutschen Behörden
Anmeldung in der Schweiz innerhalb von 14 Tagen
Meldung an das Bundeszentralamt für Steuern
Information der Banken über Wohnsitzwechsel
Anpassung von Versicherungsverträgen
Langfristige Nachbetreuung und Monitoring
Die steuerliche Optimierung endet nicht mit dem Wegzug, sondern erfordert eine kontinuierliche Betreuung:
Jährliche Steuererklärungen: Sowohl in Deutschland (bei fortbestehender beschränkter Steuerpflicht) als auch in der Schweiz sind regelmäßig Steuererklärungen abzugeben.
Überwachung von Rechtsänderungen: Das internationale Steuerrecht ist starken Veränderungen unterworfen. Das OECD-BEPS-Projekt und die EU-Anti-Tax-Avoidance-Directive erfordern kontinuierliche Anpassungen der Strukturen.
Dokumentation der Ansässigkeit: Die saubere Dokumentation des Lebensmittelpunkts ist für spätere Betriebsprüfungen essentiell. Dies umfasst Aufenthaltszeiten, familiäre Bindungen und wirtschaftliche Interessen.
Integration in die Gesamtvermögensplanung
Ein Wegzug in die Schweiz sollte stets in den Kontext einer ganzheitlichen Vermögens- und Nachfolgeplanung eingebettet werden. Dabei sind nicht nur steuerliche, sondern auch zivilrechtliche, gesellschaftsrechtliche und familiäre Aspekte zu berücksichtigen.
Die Integration verschiedener Planungsinstrumente – von der vorweggenommenen Erbfolge über Unternehmensnachfolgeregelungen bis hin zu philanthropischen Aktivitäten – erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Steuerberatern, Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern und Vermögensverwaltern.
Aktuelle Entwicklungen und Ausblick
Änderungsprotokoll zum DBA Deutschland-Schweiz
Am 21. August 2023 haben Deutschland und die Schweiz ein Änderungsprotokoll zum bestehenden DBA unterzeichnet, das voraussichtlich ab 2025 in Kraft treten wird. Die wichtigsten Neuerungen umfassen:
Verschärfte Missbrauchsbekämpfung: Eine neue Principal Purpose Test (PPT)-Klausel soll Gestaltungen verhindern, die hauptsächlich auf die Erlangung von Abkommensvorteilen ausgerichtet sind.
Anpassung der Dividendenbesteuerung: Die Quellensteuerbefreiung für Dividenden wird präzisiert und an die OECD-Standards angepasst.
Verbesserte Streitbeilegung: Das Schiedsverfahren bei Doppelbesteuerungsfällen wird ausgebaut und effizienter gestaltet.
OECD-Mindeststeuer und internationale Entwicklungen
Die Umsetzung der OECD-Mindeststeuer (Pillar Two) ab 2024 hat auch Auswirkungen auf die Steuerplanung bei Wegzügen. Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über 750 Millionen Euro unterliegen einer Mindeststeuer von 15%, was die Attraktivität bestimmter Niedrigsteuerländer reduziert.
Für die Schweiz als Hochsteuerland ergeben sich hieraus eher Vorteile, da die effektive Steuerbelastung meist über dem Mindestsatz liegt. Die neuen Regelungen können jedoch komplexe Berechnungen und zusätzliche Compliance-Aufwände zur Folge haben.
Entwicklungen in der schweizerischen Steuerpolitik
Die Schweiz passt ihr Steuersystem kontinuierlich an internationale Standards an:
Automatischer Informationsaustausch: Die Schweiz tauscht seit 2018 automatisch Finanzinformationen mit über 100 Ländern aus, was die Steuerplanung transparenter macht.
Verschärfung der Pauschalbesteuerung: Einzelne Kantone haben die Voraussetzungen für die Pauschalbesteuerung verschärft oder ganz abgeschafft (Zürich, Basel-Land).
Digitalisierung der Steuerverwaltung: Die schweizerischen Steuerverwaltungen digitalisieren ihre Prozesse, was zu effizienteren Verfahren, aber auch zu intensiveren Kontrollen führt.
Trend-Prognose 2025-2030
Experten erwarten eine weitere Harmonisierung der internationalen Steuerregeln, verstärkte digitale Kontrollen und mögliche Anpassungen bei der Wegzugsteuer durch EU-Rechtsprechung. Frühzeitige Planung wird noch wichtiger.
Empfehlungen für die Beratungspraxis
Angesichts der dynamischen Entwicklungen sollten Berater folgende Aspekte besonders beachten:
Dokumentationsstandards erhöhen: Die umfassende Dokumentation aller Planungsschritte und Motive wird immer wichtiger für die spätere Verteidigung gegenüber den Finanzbehörden.
Flexibilität in Strukturen: Planungen sollten so angelegt werden, dass sie auf veränderte Rechtslagen reagieren können, ohne die Grundstruktur zu gefährden.
Internationale Vernetzung: Die Zusammenarbeit mit schweizerischen Beratern und die Kenntnis der dortigen Rechtspraxis werden zunehmend erfolgskritisch.
Praktische Checkliste: Wegzug Schweiz
Phase Maßnahme Zeitpunkt Rechtsgrundlage Besonderheiten
Vorplanung
(12-24 Monate) • Steuerliche Analyse der Ausgangssituation
- Bewertung von Beteiligungen und Betriebsvermögen
- Prüfung struktureller Optimierungen
- Auswahl des Zielkantons 24-12 Monate vor Wegzug § 6 AStG, § 4 Abs. 1 S. 3 EStG, DBA CH-D Besonders bei Unternehmen: Bewertung nach IDW S1
Strukturierung
(6-12 Monate) • Vorweggenommene Erbfolge prüfen - Holding-Strukturen etablieren
- Finanzierung der Wegzugsteuer sicherstellen
- Immobilienerwerb in der Schweiz 12-6 Monate vor Wegzug §§ 13a, 13b ErbStG, § 6 AStG Mindestbehaltensfristen bei Verschonungsregelungen beachten
Durchführung
(0-3 Monate) • Abmeldung Deutschland (Einwohnermeldeamt) - Anmeldung Schweiz (binnen 14 Tagen)
- Stundungsantrag Wegzugsteuer
- Sicherheitsleistung organisieren Bei Wegzug § 6 Abs. 3 AStG, § 222 AO Stundung ist dauerhaft und zinsfrei (BFH 2024)
Nachbetreuung
(6 Jahre) • Jährliche Steuererklärungen beider Länder - Dokumentation Lebensmittelpunkt
- Überwachung Rechtsänderungen
- Monitoring der Sicherheitsleistung Laufend § 2 AO, Art. 4 DBA CH-D Erweiterte beschränkte Steuerpflicht 6 Jahre
Wichtige Rechtsquellen und Normen
Deutsche Rechtsgrundlagen - § 6 AStG (Wegzugsteuer)
- § 4 Abs. 1 S. 3 EStG (Entstrickung)
- §§ 2, 2a AStG (Erweiterte beschränkte Steuerpflicht)
- § 2 ErbStG (Erbschaftsteuer bei Wegzug)
- § 222 AO (Stundung)
- BFH-Urteile vom 11.01.2024 (Az. I R 35/20 u.a.)
Internationale Abkommen - DBA Deutschland-Schweiz vom 11.08.1971
- Änderungsprotokoll vom 21.08.2023
- Freizügigkeitsabkommen EU-Schweiz
- OECD-Musterabkommen 2017
- Amtshilferichtlinie EU 2014/107/EU
Fazit und Handlungsempfehlungen
Ein Wegzug von Deutschland in die Schweiz bietet nach wie vor erhebliche steuerliche Optimierungspotenziale, erfordert jedoch eine sorgfältige und langfristige Planung. Die aktuellen Entwicklungen in der Rechtsprechung, insbesondere die wegweisenden BFH-Urteile von 2024, haben die Rahmenbedingungen fundamental verändert und neue Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet.
Für Finanz- und Nachfolgeplaner ergeben sich daraus folgende zentrale Handlungsfelder:
Kernempfehlungen für die Beratungspraxis:
Frühzeitige Gesamtplanung: Integration des Wegzugs in eine umfassende Vermögens- und Nachfolgeplanung mit Zeithorizont 10+ Jahre
Aktive Nutzung der BFH-Rechtsprechung: Konsequente Beantragung der zinslosen Stundung der Wegzugsteuer
Strukturelle Optimierung: Prüfung von Holding-Strukturen und vorweggenommener Erbfolge vor dem Wegzug
Compliance-Management: Etablierung umfassender Dokumentations- und Überwachungssysteme
Die Schweiz bleibt trotz zunehmender internationaler Harmonisierung ein attraktiver Standort für vermögende Privatpersonen und Unternehmer. Die Kombination aus politischer Stabilität, hoher Lebensqualität und nach wie vor günstigen steuerlichen Rahmenbedingungen macht sie zu einer ersten Wahl für internationale Vermögensplanung.
Entscheidend für den Erfolg ist jedoch die professionelle Begleitung durch ein interdisziplinäres Beraterteam, das sowohl das deutsche als auch das schweizerische Steuer- und Zivilrecht beherrscht und die sich ständig ändernden internationalen Rahmenbedingungen im Blick behält. Nur so lassen sich die komplexen steuerlichen Fallstricke vermeiden und die erheblichen Optimierungspotenziale vollständig ausschöpfen.